"Wir sind in einer Gaskrise"

Habeck ruft zweite Alarmstufe aus

23.06.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Wirtschaftsminister Robert Habeck (52, Grüne) Foto: CHRISTIAN MANG/REUTERS

Die Lage auf den Gasmärkten in Deutschland spitzt sich durch Putins Angriffskrieg in der Ukraine immer weiter zu!

Wirtschaftsminister Robert Habeck (52, Grüne) hat deshalb nun die zweite Krisenstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Grund dafür seien die seit Mitte Juni bestehende Kürzung der russischen Gaslieferungen sowie die hohen Preise am Gasmarkt, sagte Habeck am Donnerstag in Berlin. Die Lage sei derzeit „angespannt“, die Versorgungssicherheit aber gewährleistet.

Die entsprechende Verordnung wurde erstmals nach dem russischen Angriff auf die Ukraine aktiviert. Habeck hatte am 30. März die Frühwarnstufe ausgerufen.

Was bedeutet das für Verbraucher?

„Die Lage ist ernst“, erklärte Habeck. „Die Drosselung der Gaslieferungen ist ein ökonomischer Angriff auf uns.“ Die Strategie von Russlands Präsident Wladimir Putin (69) sei es, Unsicherheit zu schüren, die Preise hoch zu treiben und zu spalten.

„Wir sind in einer Gaskrise. Gas ist von nun an ein knappes Gut. Die Preise sind jetzt schon hoch, und wir müssen uns auf weitere Anstiege gefasst machen.“ „Das ist kein Spiel“, warnte Habeck.

Oberste Priorität sei es nun, die Gasspeicher zu füllen. Alternative Anbieter würden gesucht und erneuerbare Energien ausgebaut. Außerdem müsse mehr Gas eingespart werden.

Die gute Nachricht: Wie Habeck bekannt gab sollen Versorgungsunternehmen noch KEINE Möglichkeit erhalten, ihre Gaspreise nach dem Energiesicherungsgesetz zu erhöhen.

Demnach wird die Bundesnetzagentur trotz der erwarteten Ausrufung der Gas-Alarmstufe noch nicht die Preisanpassungsklausel aktivieren, mit der Versorger höhere Preise direkt an ihre Kunden weiterreichen könnten.

Habeck: „Es gibt keinen Automatismus. Und deshalb werden wir ihn heute noch nicht ziehen, noch nicht ausrufen.“ Grund sei, „dass wir den Markt weiter beobachten wollen“, so der Wirtschaftsminister.

Hintergrund: Im Mai war im Energiesicherungsgesetz (EnSiG) eine neue Preisanpassungsklausel geschaffen worden. So berechtigt Paragraf 24, dass die Energieunternehmen bei einer Gaskrise die Preise erhöhen können.

Dies gilt grundsätzlich, wenn die zweite oder dritte Stufe des „Notfallplans Gas“, also die Alarm- oder die Notfallstufe, ausgerufen wurde und die Bundesnetzagentur eine erheblich geringere Menge von Gasimporten feststellt.

„Die Ziehung des Paragrafen 24 ist daran gebunden, dass die Bundesnetzagentur eine weitere Störung – und zwar eine strukturelle Störung – der Gasflüsse feststellt. Deswegen haben wir die Voraussetzungen jetzt hiermit geschaffen, werden ihn aber heute noch nicht ausrufen“, erklärte Habeck.

Heißt: Die Alarmstufe muss erst förmlich noch von der Bundesnetzagentur aktiviert werden. Und genau das ist zunächst NICHT geplant.

Habeck sagte jedoch auch: „Unabhängig davon, ob man Paragraph 24 EnSiG zieht, die Preise kommen bei den Verbraucherinnen und bei den Verbrauchern an. Das was wir also hier im Moment erleben ist eine extreme Belastung für viele Menschen für viele Unternehmerinnen und Unternehmer.“

Es sei demnach Aufgabe der Politik „entsprechend Entlastung zu schaffen.“ Was damit genau gemeint ist, wollte der Wirtschaftsminister jedoch nicht weiter ausführen. Hier wolle er nicht vorgreifen.

Wird uns jetzt das Gas knapp?

Erst mal nicht! Eine wirkliche Knappheit könnte vermutlich erst im Winter drohen. Habeck sprach von einer „trügerischen Sicherheit“ im Sommer. „Aber der Winter wird ja kommen. Wir müssen also jetzt die Vorsorge treffen, um im Winter vorbereitet zu sein.“

Heißt: Die Alarmstufe bringt auch noch keine staatlichen Eingriffe in den Gasmarkt. Erst mit der Notfallstufe als letztem Schritt der Eskalationsleiter würde die Bundesnetzagentur in einer Gasmangellage zuteilen, wer noch Gas bekommt. Private Haushalte sind besonders geschützt und sollen möglichst lange versorgt werden. Die Industrie müsste sich dann auf Kürzungen einstellen.

Dennoch rief Wirtschaftsminister Habeck die Bevölkerung dazu auf, „einen Beitrag“ zu leisten und vorzusorgen– „obwohl es Sommer ist“.

„Bevor der Winter kommt macht es eben Sinn, die Heizung noch einmal vernünftig einzustellen oder einen hydraulischen Abgleich durchzuführen“, so Habeck. Die Summen an Energie und Geld, die dort zu sparen seien „sind durchaus erheblich“.

Seit der Drosselung des Gasdurchflusses insbesondere durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 in der vergangenen Woche ist der Gasmarkt noch angespannter als zuvor. „Gas und Energie wird als Waffe gegen Deutschland eingesetzt“, sagte Habeck.

Die Ausrufung der Alarmstufe ist auch eine Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung, dass vermehrt Kohle-Kraftwerke wieder ans Netz geholt werden sollen, um Erdgas bei der Stromproduktion einzusparen. Das entsprechende Gesetz soll am 8. Juli den Bundesrat passieren.

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