Amerika verdaut die Greisen-Debatte im Kampf um das Weiße Haus. Zum ersten Mal in der Geschichte der USA standen sich in der Nacht zum Freitag ein amtierender und ein Ex-Präsident in einem TV-Duell gegenüber. Dazu zwei Männer, die ideologisch Welten trennen und die sich menschlich verachten: Joe Biden (81) gegen Donald Trump (78).
Doch die Fragen, die Millionen Amerikaner das TV einschalten ließen: Wie tritt Trump nach seinem Schuldspruch im Schweigegeld-Prozess um Pornostar Stormy Daniels auf? Und ist Joe Biden geistig fit genug, um vier weitere Jahre Commander-in-Chief zu sein?
Als die 90 Minuten lange Debatte auf dem Nachrichtensender CNN vorbei war, gab es nur noch ein Thema: Bidens Verfassung.
CNNs Statistik-Guru John King (60) war während der gesamten Runde per Handy mit hochrangigen Demokraten in Kontakt. Sein vernichtender Eindruck: „Da ist eine tiefe, breite und sehr aggressive Panik in der Partei. Sie fragen sich, ob sie Biden bitten sollen, zurückzutreten, oder ob prominente Demokraten dies fordern sollen. Sie riefen immer wieder: Oh mein Gott, was sollen wir tun?“
Der Rest des CNN-Panels war sich einig: „Es tat weh, Biden zu sehen.“
So urteilten die anderen US-Medien
► „Wall Street Journal“: „In der ersten Präsidentschafts-Debatte lieferte Biden die Leistung ab, die die Demokraten gefürchtet hatten. Ein Mangel an Kraft und Kampfbereitschaft. Trump gelang es dagegen ungewöhnlicherweise in einer 90-minütigen Show voller Beleidigungen und politischer Gegensätze, die Fassung zu bewahren.”
► „New York Times“: „Angesichts der irreführenden Angriffe Trumps wirkte Biden wackelig und unsicher. Bidens Vorstellung war immer wieder neblig und unzusammenhängend.“
Die Zeitung meinte, dass Trump nicht gewonnen, Biden aber verloren hätte. „Trump stellte wilde und falsche Behauptungen auf … und vermied eine von Klagen geprägte Schimpftirade. Biden schien durch seine Antworten zu schlängeln.“
► „New York Post“: „Gute Nacht und auf Wiedersehen! Es war ein Desaster für Biden. Millionen haben gerade das Ende seiner Präsidentschaft live im TV erlebt. Es war beschämend. Er sah nicht alt aus, er sah uralt aus.“
► „USA Today“: „Schockstarre. Demokraten verzweifelt über Joe Bidens Debatten-Desaster. Einige meinten, er solle sich zurückziehen, um einem anderen Demokraten die Kandidatur zu ermöglichen.“
► „Washington Post“: „Biden hielt im März eine energische Rede zur Lage der Nation. Doch eine Debatte mit einem Gegner ist etwas ganz anderes, als eine Rede mit Drehbuch zu halten.“ Und weiter: „Später in der Debatte war Biden etwas lebhafter, bezeichnete Trump als Jammerlappen, Verlierer und Kind. Aber die Punkte landeten ohne Wucht – genauso wie Bidens Gesamtleistung.”
CNN befragte am Ende die Frau, die nach Bidens Vorstellung plötzlich in den Vordergrund gerückt ist: Vize-Präsidentin Kamala Harris (59). Sie bemühte sich, von der Vorstellung ihres Chefs abzulenken. „Ich werde nicht über die 90 Minuten reden. Ich rede über die dreieinhalb Jahre im Weißen Haus“, wich sie aus. Doch die Zuschauer sind spätestens seit dieser Debatte vor allem über die kommenden vier Jahre besorgt. Und sie fragen sich, ob Kamala Harris bereit ist, die erste Frau im Weißen Haus zu werden.