Plagiate in Dissertation

Giffeys Doktormutter weist Mitverantwortung zurück

23.08.2021
Lesedauer: 3 Minuten
Berliner SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey (Archivbild vom 5. Mai 2021) FOTO: DPA/KAY NIETFELD

Erstmals hat sich Doktormutter Tanja Börzel geäußert. Gegenüber der „OSI-Zeitung“ wies sie jetzt eine Mitverantwortung für Giffeys Fehler zurück.

„Ich möchte richtigstellen, dass ich sie erstens betreut habe und zweitens, dass ich ihr nicht gesagt habe, dass sie nicht zitieren muss, wenn sie Textstellen übernimmt!“ So wird Tanja Börzel, Professorin am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin (OSI), zum Plagiatsfall von Franziska Giffey (SPD) in der „OSI-Zeitung“ (Ausgabe 22; Sommersemester 2021) zitiert. Damit hat sich Börzel erstmals öffentlich zu dem Fall geäußert, in dem die Qualität ihrer Betreuungsleistung wiederholt infrage gestellt worden war.

Die damalige Europa-Beauftragte des Bezirks Berlin-Neukölln, die dort Bezirksbürgermeisterin wurde, 2018 zur Bundesfamilienministerin aufstieg und heute SPD-Kandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin ist, wurde 2010 mit einer Arbeit über „Europas Weg zum Bürger“ am OSI promoviert, Erstbetreuerin war Tanja Börzel.

Anderen Medien und auch dem Tagesspiegel gegenüber wollte sich Börzel von vornherein nicht zum dem „laufenden Verfahren“ äußern und tat dies auch weder nach dem umstrittenen ersten FU-Urteil über Giffeys Arbeit noch nach der Aberkennung des Doktorgrades.

Giffey sprach Börzel an der Viadrina in Frankfurt (Oder) an

Gesprochen hat sie nun mit OSI-Studierenden im Kurs „Politik, Publizistik, Praxis“, in dem diese von dem Berliner Journalisten und OSI-Lehrbeauftragten Christian Walther in das Berufsfeld Journalismus eingeführt werden. Aus diesem Kurs entstand die aktuelle Ausgabe der OSI-Zeitung (online verfügbar nur auf Facebook).

Sie erschien, bevor Ende vergangener Woche wie berichtet eine Plagiatsuntersuchung auch von Giffeys Masterarbeit durch einen FU-Sprachwissenschaftler bekannt wurde.

OSI-Professorin Börzel wehrt sich dem Artikel zufolge nicht nur gegen Kritik an ihrer Betreuungsleistung. Sie berichtet auch, wie Giffey 2005 ihre Doktorandin wurde: Nach einer Veranstaltung an der Viadrina in Frankfurt (Oder), bei der Börzel auftrat, habe Giffey sie angesprochen, zusammen seien sie in der Regionalbahn zurück nach Berlin gefahren.

Giffey habe eine Doktormutter gesucht, Börzel, die sagt, sie nehme „äußerst selten externe Promotionen“ an, fand das selbstgewählte Thema der Europabeauftragten „spannend“ – und übernahm die Betreuung. Mit dem bekannten Ergebnis, dass eine zweite Plagiats-Prüfung durch die FU grobe Verstöße gegen die „gute wissenschaftliche Praxis“ sah und ihr den Doktorgrad im Juni 2021 aberkannte.https://2b74d25338f7cc5a318b49dfce48cd87.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-38/html/container.html

Bedauern, dass ihr die Täuschung nicht aufgefallen sei

Börzel lehnt eine Mitverantwortung dafür ab, sieht die Schuld allein bei Giffey. „Ich habe mir einfach nicht vorstellen können, dass jemand, mit dem ich über mehrere Jahre zusammengearbeitet habe, mich täuscht!“, wird Börzel zitiert. Die studentischen Autoren des Artikels heben ein einziges Zugeständnis von Börzel hervor: „Dass ihr die Täuschung nicht aufgefallen sei, tue ihr wirklich leid.“ Giffey dagegen hatte bereits 2019 (über ihre Anwälte) erklärt, ihre „amerikanische Zitierweise“ sei ihr von ihrer Doktormutter empfohlen worden.

Als die Plagiatsvorwürfe der Expert:innen von VroniPlag Wiki 2019 bekannt wurden, war Börzel öffentlich in die Kritik geraten: Sie hätte die groben Zitierfehler und mutmaßlichen Plagiate als Betreuerin vor oder spätestens nach der Abgabe der Arbeit erkennen müssen. Zudem wurde die Qualität der Arbeit im Nachhinein von anderen Politikwissenschaftlern als zu gering eingeschätzt, um das Magna cum laude (sehr gut) zu rechtfertigen, das Börzel ihr zubilligte.

Zur inhaltlichen Qualität der Arbeit äußert sich Börzel gegenüber der „OSI-Zeitung“ nicht, beschreibt aber den Umfang der Betreuung in „Doktorand*innenkolloquium, Kleingruppenbetreuung durch Postdocs, sowie bilaterale(n) Gespräche(n) mit der Doktormutter“: Dabei seien Giffey auch Standards des wissenschaftlichen Arbeitens inklusive der Zitierregeln vermittelt worden.

Nachdem Giffey im ersten Plagiatsverfahren der FU zunächst mit einer Rüge davonkam, richtete sich erneut öffentliche Kritik an Börzel: Als mächtige Professorin könnte sie Einfluss auf das Prüfgremium und das milde Urteil genommen haben. Von den OSI-Studierenden wird Börzel lediglich mit dem Vorwurf konfrontiert, die FU habe Giffey womöglich im ersten Prüfverfahren schützen wollen. Auch dies weist die Professorin dem Artikel zufolge zurück.

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