Islamismus in Frankreich

Frühere Generäle warnen vor „Horden in der Banlieue“

27.04.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Polizisten am 25. September 2020 in Paris kurz nach einem Messerangriff in der Nähe des früheren Redaktionssitzes der Zeitschrift „Charlie Hebdo - Bild: REUTERS

Zwanzig Generäle im Ruhestand haben der Regierung in Paris „Laschheit“ gegenüber Islamisten vorgeworfen. Mehr als tausend Armeeangehörige haben den Aufruf unterzeichnet. Die Verteidigungsministerin droht mit Sanktionen.

Ihr letztes Gefecht dient der Verteidigung der „abendländischen Zivilisation“ in Frankreich. Zwanzig Generäle im Ruhestand haben in einem vielbeachteten Aufruf die „Laschheit“ der politisch Verantwortlichen angesichts der Bedrohung durch den Islamismus und, so wörtlich, „die Horden in der Banlieue“ angeprangert. „Frankreich ist in Gefahr. Wir bleiben Soldaten und können nicht ignorieren, was unserem schönen Land widerfährt“, schreiben sie. Der Appell wurde von mehr als 100 Offizieren und 1000 weiteren Armeeangehörigen unterzeichnet. Er hat die französische Verteidigungsministerin verspätet in Aufruhr versetzt. „Das ist ein Schlag ins Gesicht für Tausende von Soldaten“, sagte Florence Parly dem Radiosender France Info. Sie wehrte sich gegen den Eindruck, dass die Unterzeichner die Stimmungslage in der Armee widerspiegelten.

Sie reagierte offenkundig auch deshalb so nervös, weil der schon vergangene Woche in der rechtsnationalen Zeitschrift „Valeurs actuelles“ veröffentlichte Aufruf nach dem jüngsten islamistischen Terroranschlag auf eine Polizistin in Rambouillet ein breites Echo entfaltet. Am Donnerstag will Präsident Macron der Beisetzung der getöteten Beamtin beiwohnen. Schon am Montag erwiesen Polizeibeamte im ganzen Land dem Terroropfer bei einer Schweigeminute die letzte Ehre. An einem Trauerakt in Rambouillet nahmen Hunderte Ordnungshüter in Uniform teil.

Aufruf zum Staatsstreich?

Seit 2015 sind in Frankreich Soldaten an der Heimatfront in Antiterrormissionen im Einsatz, unterstützen die Polizisten und überwachen Bahnhöfe, Flughäfen, Kirchen, Synagogen und andere jüdische Einrichtungen. Deshalb haben viele Armeeangehörige, die für die Operation Sentinelle („Wachposten“) eingesetzt waren, inzwischen ein ungeschöntes Bild von der Bedrohungslage im eigenen Land. Die Verteidigungsministerin kündigte „harte Sanktionen“ für die Unterzeichner an, die gegen ihre Pflicht zur politischen Zurückhaltung verstoßen hätten. Sie will überprüfen lassen, ob unter ihnen auch aktive Soldaten sind.

„Diese Generäle im Ruhestand rufen zu einem Staatsstreich auf oder fachen zumindest ein Klima der Spaltung an“, empörte sie sich. „Was mich am meisten schockiert, ist, dass Marine Le Pen sie aufgefordert hat, sie zu unterstützen“, entrüstete Parly sich. Industrieministerin Agnès Pannier-Runacher spottete über „eine Handvoll Generäle in Pantoffeln“, die zum Aufstand aufgerufen hätten.

Der Aufruf geht auf die Initiative des Offiziers a. D. Jean-Pierre Fabre-Bernadac zurück und erschien zum 60. Jahrestag des Putschversuches französischer Generäle gegen die Algerien-Politik Charles de Gaulles am 21. April 1961. Fabre-Bernadac betreibt die Internetseite „Place d’Armes“ („Exerzierplatz“) und hegt seit langem Sympathien für den Front National. Laut Presseberichten soll er dem Ordnungsdienst der Partei angehört haben. Ihm ist es offensichtlich gelungen, eine beachtliche Zahl von Offizieren und Generälen für seine Thesen von der Bedrohung durch unkontrollierte Einwanderung und Islamisierung Frankreichs zu gewinnen.

In dem Aufruf beziehen die Unterzeichner eindeutig Position für die „Gelbwesten“-Demonstranten, die „nur ihrer Hoffnungslosigkeit Ausdruck verliehen“. „Die Machthabenden haben die Ordnungshüter als Sündenböcke vor die Franzosen geschickt“, heißt es. „Die Brüderlichkeit ist dem Hass gewichen“, beklagen sie. „Wer hätte vor zehn Jahren vorhergesagt, dass ein Lehrer eines Tages vor seiner Schule enthauptet würde“, schreiben sie. Sollten die politisch Verantwortlichen weiterhin zaudern, dann drohe „wachsendes Chaos“ und letztendlich ein „Bürgerkrieg“ mit „Tausenden Toten“.

„Es ist eine Schlacht für Frankreich“

Der Aufruf erfolgt, kurz nachdem der rechtsnationale Politiker Philippe de Villiers ein Pamphlet mit dem Titel „Der Tag danach, Signal für den Umsturz“ veröffentlicht hat. Villiers zählte lange zu den Politikern, von denen sich Präsident Macron beraten ließ. In seinem Buch wendet er sich enttäuscht von Macron ab, der vor der Masseneinwanderung kapituliert habe und die französische Geschichte „dekonstruieren“ wolle. Villiers’ Bruder Pierre, der bis zum 17. Juli 2017 als Generalstabschef diente, ist der heimliche Favorit derjenigen, die von einer autoritären Restauration in Frankreich träumen. Den Appell hat Pierre de Villiers nicht unterzeichnet.

Marine Le Pen hingegen versucht, politisches Kapital aus dem Aufruf der Generäle zu schlagen. Sie ließ der Zeitschrift „Valeurs actuelles“ eine „Antwort“ zukommen, in der sie die Unterzeichner auffordert, sich ihr im Präsidentenwahlkampf anzuschließen. „Es ist eine Schlacht für Frankreich“, äußerte sie.

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