In Frankreich wird im April 2022 ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Eine Übersicht darüber, wer sicher zur Wahl antritt, wer sich noch in seiner Partei durchsetzen muss und wer die Franzosen auf die Folter spannt.
Die neusten Entwicklungen
- Eric Zemmour will nun offiziell der nächste französische Präsident werden. Der umstrittene Publizist gab am Dienstag (30. 11.) seine Kandidatur für die Wahlen im kommenden Jahr bekannt. Seit Anfang Juni hatte der 63-Jährige die Absicht immer wieder bekräftigt, ohne sich jedoch festzulegen. Seine Unterstützter, die sich «Les amis d’Éric Zemmour» nennen, hatten bereits fleissig für ihn getrommelt. Mit seinen Warnungen vor dem Untergang der Nation bedient und schürt Zemmour Ängste, die einen Teil der Franzosen umtreiben. So weigert er sich unter anderem, zwischen Islam und Islamismus zu unterscheiden und spricht vom «grand remplacement». Seine Kandidatur könnte Marine Le Pen schaden.
Inhaltsverzeichnis
- So steht es derzeit im Rennen um die französische Präsidentschaft
- Anne Hidalgo geht für die Sozialisten (PS) ins Rennen
- Yannick Jadot tritt für die Grünen (EELV) an
- Die Konservativen (LR) entscheiden erst im Dezember
- Der radikale Linke Jean-Luc Mélenchon versucht sein Glück «ein letztes Mal»
- Marine Le Pen bleibt die Kandidatin des Rassemblement national (RN)
- Der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour gräbt Le Pen das Wasser ab
- Emmanuel Macron – der Kandidat im Amt
- Wutbürger und Weltverbesserer: die Übrigen
So steht es derzeit im Rennen um die französische Präsidentschaft
Bleibt Emmanuel Macron für fünf weitere Jahre Frankreichs Präsident? Umfragen deuten darauf hin, dass er gute Chancen auf eine Wiederwahl hat. Laut den aktuellen Zahlen des Instituts Harris Interactive liegt er derzeit in der Wählergunst vorne.
Emmanuel Macron liegt in Umfragen derzeit vorne
Wahlabsicht für den ersten Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen 2022 unter registrierten Wählern, in ProzentEmmanuel Macron (En Marche)Éric Zemmour (parteilos)*Marine Le Pen (RN)Xavier Bertrand (LR)**Jean-Luc Mélenchon (Linksbündnis)Yannick Jadot (Grüne)Anne Hidalgo (PS)231616141085Stand: 24. November.
Für die Umfrage wurden 2120 registrierte Wähler befragt. Die Resultate sind mit einer Fehlermarge von ±1,4 bis ±2,5 Prozentpunkten behaftet.
* Die Zustimmung zum rechtsextremen Publizisten Éric Zemmour (parteilos) wird seit September erfasst, auch wenn er noch nicht offiziell kandidiert.
** Wer Kandidat oder Kandidatin der Konservativen wird, entscheidet sich erst am 4. Dezember. Bertrand ist gegenwärtig der aussichtsreichste Kandidat. In dieser Umfrage wird angenommen, dass er die parteiinterne Abstimmung gewinnt.Quelle: Harris InteractiveNZZ / eik.
Die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die 2017 in der Stichwahl gegen Macron unterlag, hat in den vergangenen Monaten an Zustimmung verloren. Für Éric Zemmour, einen rechtsextremen Publizisten, wurden die Umfragewerte lange besser, zuletzt haben sie sich wieder etwas verschlechtert. Er hat seine Kandidatur aber noch nicht offiziell erklärt.
Marine Le Pen hat in den vergangenen Monaten an Zustimmung verloren
Wahlabsicht für den ersten Wahlgang bei den Präsidentschaftswahlen 2022 unter registrierten Wählern, in ProzentEmmanuel Macron (En Marche)Éric Zemmour (parteilos)*Marine Le Pen (RN)Xavier Bertrand (LR)**Jean-Luc Mélenchon (Linksbündnis)Yannick Jadot (Grüne)Anne Hidalgo (PS)April 2021Nov. 20210102030Für die letzte Umfrage (24. November) wurden 2120 registrierte Wähler befragt. Die Resultate sind mit einer Fehlermarge von ±1,4 bis ±2,5 Prozentpunkten behaftet.
* Die Zustimmung zum rechtsextremen Publizisten Éric Zemmour (parteilos) wird seit September erfasst, auch wenn er noch nicht offiziell kandidiert.
** Wer Kandidat oder Kandidatin der Konservativen wird, entscheidet sich erst am 4. Dezember. Bertrand ist gegenwärtig der aussichtsreichste Kandidat. Hier wird angenommen, dass er die parteiinterne Abstimmung gewinnt.Quelle: Harris InteractiveNZZ / eik.
Die Umfragen zeigen die Wahlabsicht für den ersten Wahlgang. Erhält dort niemand eine absolute Mehrheit, was bisher immer der Fall war, kommt es zu einer Stichwahl zwischen den beiden Kandidierenden mit den meisten Stimmen.
Anne Hidalgo geht für die Sozialisten (PS) ins Rennen

Die Bürgermeisterin von Paris tritt für die Sozialisten an. Anne Hidalgo setzte sich in einer parteiinternen Abstimmung klar gegen den ehemaligen Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll durch. Seit 2014 steht Hidalgo an der Spitze der Hauptstadt. Die 62-Jährige setzt dabei soziale Schwerpunkte, besonders macht sie aber mit ihrer grünen Stadtpolitik von sich reden. Sie liess Fahrradwege ausbauen, Bäume pflanzen, den Autoverkehr einschränken und auf fast allen Strassen Tempolimit 30 einführen. Damit hat sich Hidalgo nicht nur Freunde gemacht. Kritiker werfen ihr vor, dass ihre grüne Stadtpolitik den bessergestellten Parisern zugutekomme, während Bewohner der Vorstädte, die jeden Tag mit dem Auto nach Paris zur Arbeit pendeln müssten, darunter litten.
Auch im Rennen um den Élysée-Palast betont Hidalgo ihren grünen Anstrich. Den Kampf gegen den Klimawandel und den Umweltschutz zählt sie zu ihren Prioritäten. Zudem setzt sie auf soziale Gerechtigkeit. Das Gehalt der Lehrer will sie verdoppeln, auch für andere Berufsgruppen stellt sie Lohnerhöhungen in Aussicht. Ihrer Partei soll sie im ersten Wahlgang mindestens 10 Prozent der Stimmen bringen. Bei der Präsidentenwahl 2017 holte der sozialistische Kandidat nur etwas mehr als 6 Prozent.
Yannick Jadot tritt für die Grünen (EELV) an

Yannick Jadot hat sich im September in einer offenen Primärwahl gegen vier andere Kandidaten durchgesetzt. Der 54-jährige ehemalige Greenpeace-Kampagnenleiter tritt zum zweiten Mal zur Präsidentschaftswahl an. In den vergangenen fünf Jahren hat er die Grünen (Europe Écologie les Verts) als Parteipräsident zu zwei bemerkenswerten Erfolgen geführt: Bei den Europawahlen 2019 wurde die Partei drittstärkste Kraft. Und bei den Kommunalwahlen 2020 eroberten ihre Kandidaten mehrere grössere Städte. Jadot selbst ist seit 2009 Europaabgeordneter. Er vertritt den gemässigten Flügel der Partei und gilt als Pragmatiker. Die Stichwahl gegen Sandrine Rousseau, eine selbsternannte radikale Ökofeministin, gewann Jadot nur knapp.
Die Grünen müssen trotz ihren Erfolgen in der jüngsten Zeit auf eine linke Allianz setzen, wollen sie Gewicht haben. 2017 hatte Jadot seine Kandidatur für den Élysée-Palast zugunsten des sozialistischen Kandidaten aufgegeben. Dieses Mal kommt das nicht infrage: Die Partei agiert aus einer stärkeren Position heraus.
Die Konservativen (LR) entscheiden erst im Dezember

Bei den Konservativen, Les Républicains, wird erst am 4. Dezember entschieden, wer die einst staatstragende Partei im Rennen um das Präsidentschaftsamt vertreten soll. Im Gegensatz zu der letzten Wahl vor fünf Jahren wird der Kandidat beziehungsweise die Kandidatin in einer parteiinternen Wahl bestimmt. Derzeit bewerben sich acht Personen um die Kandidatur: der Präsident der Region Hauts-de-France, Xavier Bertrand, seine Kollegin aus der Île-de-France, Valérie Pécresse, der frühere EU-Kommissar und Brexit-Chef-Unterhändler Michel Barnier sowie Éric Ciotti (Abgeordneter in der Nationalversammlung).
Zu den weniger bekannten Bewerbern gehören Philippe Juvin (Bürgermeister von La Garenne-Colombes), Jean-Frédéric Poisson (derzeit ohne Mandat), Denis Payre (ohne Mandat) sowie Jacline Mouraud, eine der Begründerinnen der Gelbwesten-Bewegung. In Umfragen führt seit mehreren Wochen Xavier Bertrand. Er lehnte es lange ab, an einer Primärwahl teilzunehmen, hatte er der Partei doch vor einigen Jahren den Rücken gekehrt. Mitte Oktober besann er sich jedoch eines Besseren, er stellt sich nun den Bedingungen der parteiinternen Wahl.
Bertrand betont bis anhin vor allem, dass er den Bürgern ihr Sicherheitsgefühl zurückgeben wolle: etwa dank härteren Strafen und mit mehr Gefängnisplätzen. In vielen Dingen ist er Macron aber ähnlich, entweder wenn er davon spricht, dass sich Arbeit lohnen und das Rentenalter erhöht werden müsse. Er betont seine Volksnähe, die er unter anderem damit begründet, dass er einen Teil seiner Kindheit in einer Sozialwohnung verbracht hat und nicht an einer Eliteschule ausgebildet worden ist.
Valérie Pécresse positioniert sich dagegen eher als Law-and-Order-Politikerin, die gegen die Ghettoisierung gewisser Stadtteile kämpfen will und Budgetdisziplin anmahnt. Auch der Klimawandel findet sich auf der Prioritätenliste der ENA-Absolventin, allerdings durch Massnahmen, die nicht als Strafe für die Bevölkerung und für Unternehmen daherkämen. In einem Interview im Sommer sagte sie über sich selbst: «Ich bin 2/3 Merkel und 1/3 Thatcher.»
Der radikale Linke Jean-Luc Mélenchon versucht sein Glück «ein letztes Mal»

Jean-Luc Mélenchon tritt schon zum dritten Mal an. 2017 landete der Vorsitzende des Linksbündnisses La France insoumise an vierter Stelle, ganz knapp hinter dem Konservativen François Fillon. Nun will es der 70-Jährige «ein letztes Mal» versuchen. Dabei hofft er, unter dem Banner «L’Union populaire» auch aus anderen Linksparteien Zulauf zu bekommen.
Mélenchon vertritt radikal linke Positionen. Eine Erhöhung des Mindestlohns, die Einführung der 32-Stunden-Woche, die Rente mit 60, eine Deckelung der Gehälter von Spitzenverdienern auf rund 400 000 Euro jährlich, der Ausstieg aus der Nato und die komplette Neuverhandlung der europäischen Verträge zählten vor fünf Jahren zu seinem Wahlprogramm. Davon will er grosse Teile beibehalten. Er propagiert den Ausstieg aus der Kernenergie, bis 2050 soll es in Frankreich nur mehr erneuerbare Energien geben. Zudem will er eine sechste Republik einführen, deren Verfassung per Volksabstimmung verabschiedet werden soll. Mélenchon, der für seine cholerische Art bekannt ist, bewegt sich mit seinen Aussagen manchmal bis in den Bereich der Verschwörungstheorien. So behauptete er im Juni, auf der ganzen Welt habe ein oligarchisches System «kleine Macrons» an die Macht gebracht.
Marine Le Pen bleibt die Kandidatin des Rassemblement national (RN)

Konkurrenz hatte sie keine, und deshalb ist schon lange klar, dass Marine Le Pen einen dritten Anlauf auf das höchste Amt im Staat nimmt. Offiziell zur Kandidatin gekürt wurde sie auf der Versammlung des rechtspopulistischen Rassemblement national im September. Le Pen stand 2017 gegen Macron in der Stichwahl und gilt seither – zumindest laut Umfragen – als seine ernsthafteste Gegnerin. Allerdings blieb ihre Partei bei den Regionalwahlen, wo sie als grosse Gewinnerin gehandelt wurde, hinter den Erwartungen zurück.
Le Pen hat über die Jahre hinweg ihren Diskurs gemässigt. Zwar sieht sie die Immigration – und insbesondere jene aus muslimischen Ländern – noch immer als Hauptursache für die Probleme im Land, vor allem für die verbreitete Gewalt. Doch hat sie auch versucht, die Gelbwesten für sich zu gewinnen, in dem sie sich elitenkritisch zeigte und einen grosszügigeren Sozialstaat versprach. Der EU-Austritt ist dagegen kein Thema mehr für sie: Sie hofft, mit ihrer Allianz von rechtsnationalen Parteien Europa «von innen» umbauen zu können. Le Pen hat seit dem Herbst einen weiteren Gegner aus dem eigenen Lager bekommen: Obwohl er noch nicht offiziell Kandidat ist, hat der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour sie in gewissen Umfragen überholt.
Der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour gräbt Le Pen das Wasser ab

Schon lange vor seiner Kandidatur hat er Frankreichs Schlagzeilen bestimmt – und wurde deshalb auch bald in den Umfragen berücksichtigt. Dort hat der rechtsextreme Publizist Éric Zemmour schnell einen Platz in den vorderen Rängen belegt. Zemmour spricht alle jene an, denen Marine Le Pen zu zahm geworden ist. Der 63-Jährige wurde mehrmals wegen Anstiftung zum Rassenhass verurteilt, bei jeder Gelegenheit wettert er gegen Einwanderer und Muslime. Frankreich sieht er kurz vor dem Untergang; Schuld daran sie die Einwanderer. Als Präsident will er verbieten, dass Eltern ihren Kindern den Namen Mohammed oder einen anderen nicht französischen Vornamen geben.
Zemmour schrieb lange Kolumnen für die konservative Zeitung «Le Figaro». Bis vor kurzem trat er jede Woche im Fernsehsender CNews auf, wo er die Einschaltquoten in die Höhe trieb. Auch hat er schon mehrere Bücher geschrieben. Erfahrung in der Politik hat er keine und – was die grössere Schwierigkeit sein dürfte – bis anhin auch keine Partei. Seit September reist Zemmour durchs Lan. Offiziell um sein neues Buch vorzustellen. Doch seine Auftritte erinnern bereits sehr an einen Wahlkampf.
Emmanuel Macron – der Kandidat im Amt

Er wird sich möglichst lange Zeit lassen, bis er offiziell seine Kandidatur verkündet. Doch daran, dass der Präsident noch einmal antritt, besteht kein Zweifel. Seine Bewegung hat bereits angefangen, ihre Mitglieder auf den Wahlkampf einzuschwören. Macron selbst entwirft seit dem Sommer Szenarien für das Frankreich von 2030. Seine Umfragewerte sind deutlich besser als die seiner beiden letzten Vorgänger. Schafft er eine Wiederwahl, wäre er der erste Präsident seit Jacques Chirac, dem das gelingt. Sein direkter Vorgänger François Hollande war am Ende seiner Amtszeit derart unbeliebt, dass er gar nicht wieder antrat. Macron macht es der Opposition mit seiner «weder links noch rechts»-Politik nicht leicht, ihn anzugreifen. Rechte Parteien kritisieren vor allem seine Laschheit gegenüber Einwanderern und Kriminellen, für das linke Lager hat er sein Image des «Präsidenten der Reichen» trotz zahlreichen sozialen Massnahmen nicht abstreifen können.
Wutbürger und Weltverbesserer: die Übrigen

Obwohl sie sich kaum Chancen ausrechnen können, haben auch eine Reihe von Kleinstparteien Kandidaten aufgestellt. Unter ihnen ist die bis in die achtziger Jahre noch einflussreiche Kommunistische Partei, die ihren Vorsitzenden Fabien Roussel als Kandidaten aufgestellt hat. Auch der Verlierer der sozialistischen Vorwahlen, Stéphane Le Foll, will weiter kandidieren. Ebenfalls den Sozialisten nahe steht der frühere Industrieminister Arnaud Montebourg. Weiter links haben die Trotzkisten eine Kandidatin aufgestellt, einen weiteren Kandidaten gibt es von der antikapitalistischen Partei.
Am anderen Ende des politischen Spektrums hat sich zum dritten Mal Nicolas Dupont-Aignan zum Kandidaten erklärt; er war lange Mitglied der Konservativen, hat sich bei den letzten Wahlen aber mit Marine Le Pen verbündet. Ähnlich positioniert ist Florian Philippot, der das Rassemblement national nach der letzten Wahl wegen Meinungsverschiedenheiten mit Marine Le Pen verliess.
Schliesslich gibt es auch eher sachpolitisch orientiere Kandidaturen. So hat sich die Juristin Hélène Thouy das Tierwohl zur Priorität gemacht, die Politikwissenschafterin Clara Egger will ein Initiativrecht in der französischen Verfassung verankern.