Entführung von Lauterbach geplant? Festnahme in Bad Zwischenahn

14.04.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Foto: ndr.de

Anhänger der Reichsbürger- und Corona-Protest-Szene sollen geplant haben, in Deutschland Anschläge zu verüben. Auch gegen Verdächtige aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird ermittelt.

Wie die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz und das Landeskriminalamt (LKA) Rheinland-Pfalz am Donnerstag mitteilten, sollen Mitglieder einer Chatgruppe im Kurznachrichtendienst Telegram Sprengstoffanschläge und Entführungen geplant haben – unter anderem von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Gegen zwölf Personen werde ermittelt, hieß es. Vier von ihnen sitzen inzwischen in Untersuchungshaft.

Festnahme im Ammerland, Durchsuchung in Laatzen

Einer der Hauptverdächtigen ist ein 42-Jähriger aus Bad Zwischenahn im niedersächsischen Landkreis Ammerland, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft sagte. Gegen ihn bestehe der Verdacht der Terrorismusfinanzierung. Er soll Geld und Gold beschafft haben; damit sollten Waffen gekauft werden. Neben der Razzia in Bad Zwischenahn gab es eine weitere in Laatzen in der Region Hannover. Ein weiteres Objekt wurde laut Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz im Landkreis Segeberg in Schleswig-Holstein durchsucht.

Vorwurf: Verstoß gegen Kriegswaffengesetz

Den Verdächtigen werden die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. „Wir haben es mit einer Melange zu tun bestehend aus Verschwörungstheoretikern, Impfgegnern, aber auch Reichsbürgern, die wir eigentlich in dieser Form bisher nicht festgestellt hatten“, sagte der rheinland-pfälzische LKA-Präsident Johannes Kunz. Die beiden mutmaßlichen Haupttäter stammen seinen Angaben nach aus Neustadt an der Weinstraße in Rheinland-Pfalz sowie aus dem brandenburgischen Falkensee. Es habe in einzelnen Fällen auch Kontakte in die rechte Szene gegeben, hieß es.

Ermittler vereiteln Waffen-Übergabe

Das Problem bei solchen Ermittlungsverfahren sei immer die Frage, ob man es lediglich mit „Spinnern“ zu tun habe, die sich im Internet profilieren und vor ihren Mitstreitern „großmäulig“ angeben wollten, sagte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer. „In diesem Fall war es aber anders, nämlich in dem Moment, als es darum ging, die Waffen zu beschaffen.“ Nach Informationen des ARD-Politikmagazins Report Mainz wollten die Beschuldigten für mehrere zehntausend Euro Waffen, Minen und Schutzausrüstung kaufen. Nach Informationen des NDR in Niedersachsen sollte am Mittwoch im rheinland-pfälzischen Neustadt eine erste Übergabe von zwei Kriegswaffen des Typs Kalaschnikow und fünf Pistolen erfolgen. Dies wurde von den Ermittlern jedoch vereitelt.

Waffen, Geld und Gold sichergestellt

Insgesamt waren am Mittwoch rund 270 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, darunter Spezialeinheiten. Sie durchsuchten insgesamt 20 Objekte in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Dabei stellten sie den Angaben zufolge 22 Schusswaffen, darunter ein Kalaschnikow-Sturmgewehr, sowie Munition, Bargeld, Goldbarren, Silbermünzen und Devisen sicher. Außerdem Handys, Datenträger, gefälschte Impfausweise und gefälschte Testzertifikate.

Polizei: Beschuldigte wollten bürgerkriegsähnliche Zustände verursachen

Eines der Ziele der Gruppe soll gewesen sein, Einrichtungen der Stromversorgung zu zerstören, um so einen deutschlandweiten Stromausfall auszulösen. „Damit sollten nach der Vorstellung der Beschuldigten bürgerkriegsähnliche Zustände verursacht und schließlich das demokratische System in Deutschland gestürzt werden“, hieß es in der Mitteilung. Nach Angaben von LKA-Präsident Kunz drückte die Gruppierung immer wieder ihre Verachtung für die Bundesrepublik aus. Unter anderem sei der Wunsch geäußert worden, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht nur die Ukraine angreifen, sondern auch in Deutschland einmarschieren solle, um hier die Verhältnisse zu verbessern, so Kunz.

Bundesjustizminister: „Axt an unsere freiheitliche Demokratie“

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einer „schwerwiegenden terroristischen Bedrohung“. Die SPD-Politikerin fügte hinzu: „Die Ermittlungen offenbaren einen Abgrund.“ Bewaffnete Reichsbürger und radikalisierte Corona-Leugner verbinde ein grenzenloser Hass auf die Demokratie, auf den Staat und auf Menschen, die für das Gemeinwesen einstehen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte der „Rheinischen Post“: „Wer Anschlags- und Entführungspläne verfolgt, legt Axt an unsere freiheitliche Demokratie. Umso mehr bin ich froh, dass unsere Sicherheitsbehörden offenbar sehr gute Ermittlungsarbeit geleistet haben.“

Offenbar Entführung von Lauterbach geplant

Auch die „Entführung bekannter Personen des öffentlichen Lebens“ sei Bestandteil der Pläne der Gruppe gewesen, so die Ermittler. Konkret als Ziel nannten sie Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Die Gruppe plante in einer Aktion namens „Klabautermann“, den SPD-Politiker zu entführen und seine Personenschützer „auszuschalten“, berichtet das ARD-Politikmagazin Report Mainz.

Lauterbach: „Kleine, aber hoch gefährliche Minderheit“

Zum Stand der Ermittlungen könne er nichts sagen, sagte Lauterbach am Donnerstag in einem kurzen Pressestatement am Rande seines Besuchs in Husum (Schleswig-Holstein). Er bedankte sich bei den ermittelnden Behörden und beim Bundeskriminalamt für den „guten Schutz“. Davon habe er offensichtlich profitiert, so der Minister. Der ganze Vorgang zeige, dass sich die Corona-Proteste nicht nur radikalisiert hätten, sondern dass es mittlerweile um mehr als Corona gehe – und zwar um den Versuch, den Staat und die Demokratie zu destabilisieren. Der Minister sprach von einer kleinen, aber hoch gefährlichen Minderheit. Seine eigene Arbeit beeinflussten die Drohungen jedoch nicht, sagte Lauterbach.

Bereits in der Vergangenheit hatte der SPD-Politiker wiederholt von Drohungen gegen seine Person berichtet. Im vergangenen Herbst hatte Lauterbach auf Twitter geschrieben: „Seit Tagen wird im Netz erneut dazu aufgerufen, mich zu erschlagen. Es ist absolut inakzeptabel, dass so etwas nicht sofort gelöscht werden muss.“

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Hallo Niedersachsen | 14.04.2022 | 19:30 Uhr

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