- Eine Woche nach Beginn von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hat sich Bundeskanzler Scholz im ZDF zu den aktuellen Entwicklungen geäußert.
- Er warnte vor Putins Geschichtsfanatismus, frühere Grenzen wiederherstellen zu wollen.
- Europa dürfe sich nicht an alten Grenzen orientieren, sonst werde es „eine Zeit unendlich vieler Kriege“ geben.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich am Donnerstag im ZDF zum Krieg Russlands gegen die Ukraine geäußert. Bei „Maybrit Illner“ verurteilte er, dass Russlands Präsident Wladimir Putin unter anderem mit Verweis auf die Geschichte die Ukraine seit einer Woche angreift. Der Westen müsse Putins Verweise auf die Geschichte strickt zurückweisen. „Wenn wir jetzt alle anfangen in Europa, in den Geschichtsbüchern zu blättern und uns anschauen, wo früher einmal Grenzen waren, dann gibt es eine Zeit unendlich vieler Kriege“, sagte Scholz. „Es darf nicht sein.“
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Russland müsse dahin zurückkommen, die territoriale Integrität und die Souveränität von Staaten nicht mehr infrage zu stellen.
Hätte Deutschland den Krieg verhindern können, wenn es früher Waffen an die Ukraine geliefert hätte? „Nein“, meinte Scholz, aber der Einmarsch Russlands habe die Situation eben verändert, sei eine „Zeitenwende“. Deutschland habe immer konsequent die Politik verfolgt, keine Waffen in Konfliktgebiete zu schicken, um nicht zu einer Eskalation beizutragen. Aber nach dem Angriff auf die Ukraine lasse sich der Krieg nicht mehr verhindern.
Es sei weiterhin wichtig, den Kurs von Sanktionen und Diplomatie zu verfolgen. Man wolle mit den Sanktionen Druck machen und gleichzeitig Spielräume für Diplomatie eröffnen. Der Bundeskanzler zeigte sich zuversichtlich, dass die Sanktionen Russland hart treffen werden. Ein Embargo auf russisches Öl und Gas lehnte Scholz jedoch vehement ab und verwies auf die hohe Abhängigkeit Deutschlands. Man arbeite aber daran, unabhängiger zu werden. Eine Fehleinschätzung zu Nord Stream 2 in der Vergangenheit wollte Scholz nicht eingestehen. Zudem kündigte er an, weiterhin mit Putin sprechen zu wollen. Der Dialog müsse weitergehen.
Als Ziel nannte Scholz eine Waffenruhe, in der verhandelt und bei der sich die russischen Truppen am Ende wieder zurückziehen. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Krieg nicht weiter eskaliert, dass es eine gute Entwicklungsperspektive für die Ukraine gibt und das Land nicht völlig zerstört wird und Millionen Menschen zu Tode kommen.“ Die Bilder aus der Ukraine würden sich kaum ertragen lassen, so Scholz. Er erinnere sich noch gut, wie er bei seinem Besuch in Russland auf russische Soldaten traf. „Das waren alles ganz junge Männer, die da vor mir standen, meistens keine 20 Jahre alt, und die ziehen jetzt auch in den Krieg und sterben vielleicht in großer Zahl.“
Die Ukraine will bereits seit einigen Jahren Mitglied in der Nato werden, hat erst vor einigen Tagen ihren Aufnahmewunsch erneuert. Doch Scholz macht klar: Es sei richtig, die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen zu haben. Auch jetzt „stand und steht“ dies nicht auf der Tagesordnung. Alle westlichen Politiker hätten dies auch gegenüber Putin deutlich gemacht. Trotzdem habe Putin die Sorge, die Nato könnte Raketen in der Ukraine stationieren. Obwohl das nicht der Fall sei, sei dies für Putin nach wie vor ein Kriegsgrund, so Scholz.
Der SPD-Politiker musste auch Fragen zu Altkanzler Gerhard Schröder beantworten, der als enger Freund Putins gilt und mehrere wichtige Ämter in russischen Staatskonzernen innehat. „Ich finde es nicht richtig, dass Gerhard Schröder diese Ämter wahrnimmt, und ich glaube auch, dass es richtig wäre, er würde sie niederlegen“, machte Scholz klar. „Mein Rat an Gerhard Schröder ist, sich aus diesen Ämtern zurückzuziehen.“ Für den Kanzler ist klar, dass die Ämter nicht Schröders Privatangelegenheit seien.