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Die sechs wichtigsten Szenen der Harris-Trump-Debatte

11.09.2024
Lesedauer: 6 Minuten
Vizepräsidentin Harris und der ehemalige Präsident Trump am Dienstagabend im amerikanischen Fernsehsender ABC; Quelle: Reuters

Harris erinnert Trump daran, dass sie nicht Joe Biden ist. Dieser kommt immer wieder auf die Migration zu sprechen. Und irgendwann wird es grundsätzlich: Weltuntergangsstimmung prallt auf Aufbruch.

Bei der Debatte am Dienstagabend bleiben die Gemüter ziemlich ruhig. Harris landet mehrere Treffer gegen Trump. Und der spricht am liebsten über das Thema Migration, um konkrete Antworten zu vermeiden. 

Auf jede Frage – die bösen Migranten

Egal, ob es eigentlich um den Klimawandel, die wirtschaftliche Lage in den Vereinigten Staaten oder den Sturm auf das Kapitol gehen soll: Trump spricht über Migration. Doch statt über die zwischenzeitlich rekordhohen Zahlen illegaler Grenzübertritte unter der Biden-Harris-Regierung zu reden, wiederholt er krude Behauptungen aus dem Internet. So verbreitet Trump die bereits widerlegte Falschmeldung, in der Stadt Springfield in Ohio, die mit knapp 60.000 Einwohnern etwa 15.000 Haitianer beherbergt, äßen die Migranten die Haustiere der Menschen. „Es wird in einem dritten Weltkrieg enden“, sagt er. Die Demokraten hätten Millionen Kriminelle und Terroristen ins Land gelassen.

Harris, die bei dem Thema im Wahlkampf in die Offensive gegangen ist, hat es deswegen verhältnismäßig einfach. Sie erinnert am Dienstagabend daran, dass es Trump war, der im Frühjahr eine Grenzreform im Kongress verhindern ließ. Dabei bringt sie auch das Triggerwort Fentanylschmuggel unter und richtet sich an amerikanische Familien, die von dem Thema „persönlich betroffen“ seien. Trump sei es damals wichtiger gewesen, ein Problem zu seinem Wahlkampfthema zu machen „statt es zu lösen“.

„Ich bin nicht Biden“

Trump hat die letzten Wochen damit verbracht, seinem nach der Fernsehdebatte im Juni ausgeschiedenen Widersacher Joe Biden öffentlich hinterherzutrauern. Dieser hatte in Umfragen deutlicher schlechter gegen Trump abgeschnitten als Kamala Harris. In der Debatte verlegt Trump sich deswegen darauf, die Vizepräsidentin wiederholt als Fortführung Bidens und den Präsidenten selbst als ganz besonders schlecht darzustellen.

Irgendwann kontert Harris mit einem Satz, den sie sich in der Vorbereitung zurechtgelegt haben dürfte: „Es ist wichtig, den früheren Präsidenten daran zu erinnern, dass er nicht gegen Joe Biden antritt. Sie treten gegen mich an.“ Sie stehe für eine neue Führungsgeneration. Harris ist 59, Trump 78 Jahre alt.

Doch auch Trump landet einen Treffer. Er unterbricht einen Zwischenruf Harris‘ mit einem Satz, den sie vor drei Jahren im Fernsehduell der Vizepräsidentenkandidaten zu Mike Pence sagte: „Jetzt spreche ich, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“ Nur dass Trump am Dienstagabend hinterherschiebt: „Kommt Ihnen das bekannt vor?“ Über Trumps Temperament war vorher viel spekuliert worden. Er gibt sich trotz der vielen Angriffe Harris‘ ziemlich ruhig. Nur einmal kann er pure Polemik nicht vermeiden, als er ihren Vater, einen früheren Wirtschaftsprofessor, als „marxistisch“ bezeichnet.

Keine Kriege unter Trump?

Zum Beweis für sein Ansehen auf der Weltbühne zieht Trump ausgerechnet den europäischen Außenseiter Viktor Orbán als Referenz heran. Der wolle ihn ganz dringend als Präsidenten zurück, weil alle diktatorisch regierten Länder Trump gefürchtet hätten – China, Nordkorea, Russland. Der Republikaner behauptet wieder einmal, unter ihm wäre es nie zu einem Überfall Putins auf die Ukraine gekommen, und er werde den Krieg – genauso wie den im Nahen Osten – gleich nach seiner Wahl beenden. Trump greift Harris dafür an, dass sie Benjamin Netanjahus Rede im Kongress im Juli wegen einer Wahlkampfveranstaltung fernblieb. „Sie hasst Israel. Wenn sie Präsidentin wird, gibt es Israel in zwei Jahren nicht mehr.“

Harris wiederum hebt ihre außenpolitische Erfahrung als Vizepräsidentin hervor, spricht von Treffen mit Wolodymyr Selenskyj und Amerikas Hilfe, dank derer die Ukraine heute noch „ein unabhängiges und freies Land“ sei. In Bezug auf den Krieg im Nahen Osten bleibt sie beim unmissverständlichen Bekenntnis Washingtons zu Israel und dem dringenden Aufruf nach einem Waffenstillstand, sagt aber auch, es seien „viel zu viele unschuldige Palästinenser“ getötet worden.

Und Trump? Dem gibt Harris bei der Außen- und Sicherheitspolitik an diesem Abend gleich zwei Mal eine Bemerkung mit, die ihn merklich provoziert. Es sei bekannt, dass Autokraten und Diktatoren sich über eine zweite Amtszeit Trumps freuen würden. „Und deshalb haben mir so viele militärische Führer, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, gesagt, Sie seien eine Schande.“

Alle Register beim Thema Abtreibung

Trump weiß, dass er beim Thema Abtreibung vorsichtig sein muss, und vermeidet im Wahlkampf allzu genaue Festlegungen. Eine Mehrheit der Amerikaner befürwortet grundsätzlich einen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Er wiederum hat als Präsident die drei Obersten Richter ernannt, die mit Roe v. Wade das grundsätzliche Recht auf Abtreibung abgeschafft haben. Und so versucht Trump es gar nicht erst mit Fakten, sondern platzt gleich mit einer Falschbehauptung heraus: die radikalen Demokraten wollten Abtreibungen bis zur Geburt erlauben. Das unterstütze auch Harris.

Die wiederum bezichtigt Trump sofort der Lüge und malt ihrerseits eine Drohkulisse, sollte Trump gewählt werden. Dann werde dieser ein landesweites Abtreibungsverbot unterzeichnen, und Schwangerschaften sowie Fehlgeburten würden getrackt, sagt Harris. Dann wendet sie sich an mögliche Skeptiker unter der den gläubigen Amerikanern: Man müsse seinen Glauben oder seine Überzeugung nicht verraten, um sich darauf zu einigen, dass weder Trump noch die Regierung ein Mitspracherecht über den Körper der Frau haben sollten.

Still the economy, stupid!

Es könnte eine anfängliche Nervosität, aber auch das Thema sein, das Harris auf die Frage nach ihrer Wirtschaftsagenda in ein Stakkato der geplanten Maßnahmen verfallen lässt. Später kommt sie mit etwas mehr Ruhe auf das Thema zurück: Genau das sei es, was Amerikaner von den Kandidaten erwarteten – Pläne, keine „ständigen Gespräche über Herabsetzungen und Beleidigungen“. Das freilich ist ein Seitenhieb auf Trump, der sie auch in diesem Fall als Bidens Marionette darstellt. Sie habe gar keinen eigenen Plan, erwidert er. Das sei der Plan Bidens.

Ein Vorwurf, der Harris gefährlich werden kann, sollte er verfangen. Die hohen Lebenshaltungskosten sind immer noch größter Quell der Unzufriedenheit der Amerikaner. So hält sich Trump auch nicht weiter damit auf, eigene Pläne vorzustellen, sondern hackt lieber weiter auf „Bidens“ herum. Schließlich habe dieser Trumps vorbildliche Wirtschaft während seiner Präsidentschaft in den Ruin getrieben – und Harris in den vergangenen dreieinhalb Jahren nichts dagegen getan.

Aufbruch vs. Weltuntergang

Krasser können Harris und Trump den Amerikanern ihre unterschiedlichen Politikstile nicht vorführen als in den je zwei Minuten langen Abschlussbemerkungen. Harris fängt an – Trump hat das Losen gewonnen und den letzten Redebeitrag gewählt – und ruft die Wähler zum Aufbruch auf. Zum Glauben an Amerika und an die Gemeinsamkeiten der Amerikaner. „Als Staatsanwältin habe ich ein Opfer oder einen Zeugen nie gefragt, ob er ein Republikaner oder Demokrat ist“, sagt Harris. „Ich habe immer nur gefragt, ob alles in Ordnung ist.“

Trump wiederum beschwört das übliche Untergangsvision einer „versagenden Nation“. Die ganze Welt mache sich über die Vereinigten Staaten lustig. „Wir werden in einem Dritten Weltkrieg enden, der wegen der Atomwaffen ohne Beispiel sein wird.“

Um kurz vor elf am Abend eine düstere Gutenachtgeschichte für die Amerikaner. Doch immerhin sieht es nicht danach aus, als würde nach dieser Debatte die politische Zukunft einer der beiden Kandidaten grundsätzlich in Frage gestellt.

Quelle: FAZ.NET

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