Skandal um Steuerhinterziehung

Cum-Ex-Jägerin verzichtet auf Ermittlungen gegen Olaf Scholz

21.12.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Quelle: AFP/DANIEL BOCKWOLDT

„Mangels Anfangsverdacht“: Im Cum-Ex-Skandal wird es keine Ermittlungen wegen Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen Olaf Scholz (SPD) geben. Doch auch wenn er juristisch nichts zu befürchten hat, kann der Kanzler nicht aufatmen.

Diese Nachricht dürfte für Bundeskanzler Olaf Scholz und den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher befreiende Wirkung haben: Die für die Cum-Ex-Verfahren bundesweit federführende Kölner Staatsanwaltschaft verzichtet auf Ermittlungen gegen die beiden SPD-Politiker.

Auch Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker, Deutschlands hartnäckigste Cum-Ex-Ermittlerin, sehe keinen Anfangsverdacht für das Vorliegen einer Straftat, erklärte der für die Pressearbeit der Kölner Behörde zuständige Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer auf WELT-Anfrage.

Laut Bremer teilen „sowohl der Behördenleiter als auch Oberstaatsanwältin Brorhilker“ die Auffassung der mit der Bearbeitung einer Strafanzeige des Hamburger Staranwalts Gerhart Strate betrauten Staatsanwältin. Diese hatte Strate in zwei WELT vorliegenden Schreiben vom 14. Dezember 2022 mitgeteilt, dass ihre Behörde „mangels Anfangsverdacht“ davon absehe, Ermittlungsverfahren gegen den früheren Hamburger Bürgermeister Scholz und seinen damaligen Finanzsenator Tschentscher zu eröffnen.

Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker
Die Kölner Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker
Quelle: pa/dpa/Oliver Berg

So habe insbesondere eine Auswertung der im Zuge weiterer Cum-Ex-Ermittlungen „zahlreich sichergestellten Postfächer von Mitarbeitern des Finanzamtes und der Finanzbehörde sowie von Herrn Dr. Tschentscher und Herrn Scholz keine Unterlagen zutage gefördert, die Rückschlüsse auf etwaige Gesprächsinhalte“ ermögliche.

Bei dem von den Ermittlern genannten „anderen Verfahren“ handelt es sich um Ermittlungen der Behörde, die sich unter anderem gegen den früheren Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs richten. In dessen Fall haben die Kölner Staatsanwälte den Anfangsverdacht auf Begünstigung einer Steuerhinterziehung durch die Warburg-Bank bejaht.

Bei einer Durchsuchung eines Schließfaches des Sozialdemokraten waren im Sommer dieses Jahres 200.000 Euro in bar gefunden worden. Auch Kahrs’ Privatwohnung wurde damals durchsucht. Die Auswertung dieser Razzien dauert nach Angaben von Behördensprecher Bremer noch an.

U-Ausschuss arbeitet die Affäre weiter auf

Rechtsanwalt Strate bleibt trotz der Entscheidung der Kölner Ermittler in Sachen Scholz und Tschentscher skeptisch. Zwar gehe er davon aus, dass tatsächlich keine Unterlagen gefunden worden seien, die auf Absprachen der beiden Politiker zugunsten der Warburg-Bank schließen ließen. „Nicht erwähnt“ werde in den beiden Schreiben an ihn aber, „dass nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Köln – so die Meldungen im August dieses Jahres – E-Mails in der Finanzbehörde gezielt gelöscht wurden. Damit haben sich die Kölner offenbar abfinden müssen.“

Eine zweite Anzeige Strates gegen Scholz wegen uneidlicher Falschaussage vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft überwiesen die Kölner Ermittler zuständigkeitshalber an die Hamburger Staatsanwaltschaft.

Scholz und Tschentscher selbst wollten sich zu der Entscheidung der Cum-Ex-Ermittler aus Köln nicht äußern. Womöglich auch, weil sie bei der politischen Aufarbeitung der Affäre noch nicht aus dem Schneider sind.

Zum einen befasst sich weiterhin der Untersuchungsausschuss mit dem Thema. Er hat seine Untersuchungen gerade erst auf mögliche Betrugsgeschäfte bei der früheren Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein, der HSH-Nordbank, ausgedehnt.

Zum anderen bleibt der böse Schein, den die Cum-Ex-Affäre auf die Arbeit von Scholz und Tschentscher wirft, angesichts der Umstände der damaligen Steuerentscheidung zugunsten der Warburg-Bank auch ohne juristische Ermittlungen hängen. So steht fest, dass Warburg-Chef Christian Olearius im Herbst 2016 persönlich versucht hatte, sowohl bei dem damaligen Ersten Bürgermeister Scholz als auch bei dessen Finanzsenator Tschentscher Einfluss auf die Entscheidung der Hamburger Steuerverwaltung zu nehmen.

Olearius selbst hat diese Einflussnahme-Versuche in seinen später von der Kölner Staatsanwaltschaft beschlagnahmten Tagebüchern beschrieben. Kurze Zeit nach Olearius‘ Bemühungen, auch das ist Fakt, entschied die Hamburger Steuerverwaltung, 47 Millionen Euro an Steuererstattungen aus Cum-Ex-Geschäften nicht zurückzufordern. Ein in Ablauf und Ergebnis bemerkenswerter Fall, bestens geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Verwaltung zu erschüttern. Dass der Bundeskanzler sich zudem im Lauf des Verfahrens in verstärktem Maße auf Gedächtnislücken berief, um mögliche Widersprüche zu vermeiden, kommt erschwerend hinzu.

Juristisch gesehen allerdings haben Scholz und Tschentscher mit der Entscheidung der Kölner Staatsanwälte in Sachen Cum-Ex pünktlich zu Weihnachten eine weiße Weste.

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