Ausrüstungsmangel

Bundeswehr muss Hubschrauber vom ADAC mieten

25.04.2021
Lesedauer: 4 Minuten
ADAC-Schutzbrief für die Bundeswehr: Die Armee bekommt ihre Hubschrauber allerdings in Heeresfarben Quelle: pa/obs ADAC Luftrettung

Die deutsche Armee hat zu wenige Helikopter. Sie muss sich deshalb beim Automobilclub ADAC welche mieten – wieder einmal. Das Geschäft funktioniert nach einem erstaunlichen Prinzip.

Die Bundeswehr entwickelt sich zum Großkunden des Automobilclubs ADAC. Sie braucht keine Autopannenhilfe, sondern Hubschrauber, um ihre Piloten auszubilden. Der Grund ist, dass die Bundeswehr wohl frühestens in vier Jahren wieder genügend eigene Hubschrauber haben wird. Der Deal ist also eine Zwischenlösung – wieder einmal.

Schon in den vergangenen Jahren hatte die Bundeswehr vier Helikopter vom Typ EC135 vom ADAC geliehen, da sie nicht genügend Modelle hatte. Nun sollen es nach WELT-AM-SONNTAG-Information sieben Hubschrauber werden: gemietet bis Ende 2024 für insgesamt 63 Millionen Euro. Zudem sieht ein entsprechender Vertrag vor, dass die Bundeswehr die Nutzung, Wartung und Instandsetzung auf mehr Flugstunden erweitert. Statt 6500 Flugstunden, verteilt auf drei Jahre, sieht der neue Vertrag nun in jedem Jahr bis zu 5440 Stunden vor.

Die Bundeswehr will, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Sache genehmigt hat, wie gehabt bei der ADAC Luftfahrt Technik GmbH (ALT) mieten. Es handelt sich nicht um die gelb lackierten Hubschrauber der Luftrettung, von denen der ADAC mehr als 50 hat, sondern um Airbus-EC135-Helikopter in Heeresfarben. Das bis zu drei Tonnen schwere und bis zu 220 km/h schnelle Modell wird auch von der ADAC-Flugrettung genutzt.

Die ADAC-Gesellschaft will das Geschäft und den Betrag von 63 Millionen Euro bisher nicht bestätigen. „Da das Vergabeverfahren noch nicht abgeschlossen ist, können wir zu Details zu dieser Ausschreibung keine Auskunft geben“, erklärt ein Sprecher.

Eine Besonderheit des Deals: Der ADAC least die Hubschrauber und vermietet sie dann an die Bundeswehr weiter. Allerdings nicht alle. Denn die Bundeswehr möchte nicht nur die Hubschrauber selbst, sondern ein Komplettpaket, in dem Wartung und Instandhaltung inbegriffen sind. Bisher sah das dann so aus, dass der ADAC fünf Helikopter leaste, der Bundeswehr vier Exemplare zur Verfügung stellte und einen zur Reserve vorhielt, falls einer der vier bestellten Helikopter gewartet oder repariert werden musste.

Das Bundeswehr-Geschäft ist ein Beleg für die Vielfalt der ADAC-Aktivitäten – und auch für dessen sehr komplexe Strukturen. Nach der Aufdeckung von Manipulationen bei einem Autopreis und drohenden Steuernachzahlungen gab sich der ADAC vor fünf Jahren einen Drei-Säulen-Aufbau. Er wollte den Verein und das Geschäft stärker trennen. Allerdings ist sein Angebot extrem vielfältig geblieben. So prüft der ADAC sogar den Einstieg in mobile Corona-Tests.

Sein Kern ist nach wie vor der Dachverein Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) mit 18 Regionalvereinen und 21 Millionen Mitgliedern. Er bietet vor allem die als Gelbe Engel bezeichnete Autopannenhilfe. Doch Europas größter Automobilclub will nicht nur als Autopannenhelfer wahrgenommen werden, sondern als Helfer in Sachen Mobilität.

Daneben gibt es den Wirtschaftskonzern ADAC SE mit Angeboten wie Schutzbriefen, Versicherungen oder Reisen – mit 2900 Beschäftigten und 1,13 Milliarden Euro Umsatz 2019. Die dritte Säule ist die ADAC Stiftung. Der Dachverein hält knapp 58 Prozent am Wirtschaftskonzern.

Warum nur Experten dieses Gebilde durchdringen, lässt sich am Beispiel des Hubschrauber-Deals mit der Bundeswehr ganz gut zeigen: Er lief anfangs, das heißt ab 2018, über die Bücher der ADAC Luftfahrt Technik. Diese Gesellschaft hat der Wirtschaftskonzern ADAC SE vor zwei Jahren an die gemeinnützige ADAC Luftrettung gGmbH verkauft. Die Luftrettung gehört wiederum der Stiftung.

Die Bundeswehr ist nicht der einzige staatliche Kunde der ADAC Luftfahrt Technik. Das Unternehmen wartet auch die Polizeihelikopter diverser Bundesländer, etwa aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. Die Polizei, die anders als die Bundeswehr weniger Probleme hat, nötige Ausstattung rechtzeitig zu beschaffen, mietet ihre Helikopter allerdings nicht beim ADAC, sie kauft sie selbst.

Trotzdem sieht die Bundeswehr Vorteile in ihrem Deal mit dem ADAC. Das Geschäftsmodell sei „wirtschaftlicher als eine temporäre Kauflösung“, heißt es. Ab 2025 soll der neu eingeführte „Leichte Mehrzweckhubschrauber für die Streitkräfte“ die Mietgeräte schrittweise ablösen. Dann, so der Plan, hätten die Streitkräfte genügend eigene Helikopter.

Die Hubschrauber sind nur ein Beispiel dafür, dass die Bundeswehr in größerem Umfang Ausrüstung mietet, weil sie nicht genügend zur Verfügung hat. Die Palette reicht von Fallschirmen bis zu Aufklärungsdrohnen oder Transportkapazitäten auf großen Antonow-Frachtflugzeugen. Außer beim ADAC leiht sich die Heeresleitung seit einigen Monaten auch beim belgischen Dienstleister NHV (Noordzee Helikopters Vlaanderen) Hubschrauber: drei Airbus-Helikopter H145. So jedenfalls teilte es die Firma im Dezember mit.

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