Mithilfe eines Schattensystems verschieben Menschenhändler, Drogenhändler und Terroristen ihre Millionen und Milliarden ganz diskret auf dem ganzen Erdball. Das sogenannte Hawala-Banking (arabisch für „Wechsel“) hinterlässt kaum Spuren, es gibt keine Ein- oder Auszahlungsbelege, keine staatliche Kontrolle.
Für den Bundesgerichtshof sind die Drahtzieher „Mitglieder einer kriminellen Vereinigung“. Regelmäßig klagen deutsche Staatsanwaltschaften „Hawaladare“ an. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren. Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ist der Zahlungsdienst der Unterwelt vor allem eines: „nicht erlaubnisfähig“.
Trotz dieser klaren Rechtslage nutzt nach BILD-Recherchen die deutsche Bundesregierung Hawala-Banking, um Millionen-Summen an Bargeld nach Afghanistan oder andere Krisenregionen zu schleusen. Wie aus Akten des Auswärtigen Amtes hervorgeht, fließen dabei deutsche Steuergelder in Form von Provisionen („Hawala fees“) direkt in das kriminelle System.
Auswärtiges Amt zahlte 245 000 Euro Hawala-Gebühren
Ein Beispiel: Für das Projekt „Ernährungssicherung durch Geldleistungen in Afghanistan“ kooperiert das Auswärtige Amt mit dem Verein „Deutsche Welthungerhilfe“. In 2023 und 2024 beliefen sich die staatlich geförderten Projektkosten nach BILD-Informationen auf 3,1 Millionen Euro. Der Ablauf: Ein Vereinsmitarbeiter übergab das Bargeld einem „Hawaladar“ in Europa. Dabei handelt es sich häufig um Juweliere oder Restaurantbetreiber. Anschließend zahlte ein verbundener Geld-Agent in Afghanistan die gleiche Summe an einen Empfänger aus.
Der unkontrollierte Bargeld-Transfer beruht auf Vertrauen. Für die illegale Dienstleistung zahlte die Bundesregierung laut einer Aufstellung der Projektförderkosten rund 245 000 Euro an Hawala-Provisionen. Im Klartext: Fast zehn Prozent der Fördergelder blieb im Hawala-System stecken.
Macht sich der Nutzer von Hawala-Banking strafbar? Juristisch verfolgt wird in der Regel nur der Anbieter. So klagte zuletzt die Berliner Staatsanwaltschaft drei mutmaßliche Hawaladare (52, 53, 56) an. Seit März 2022 sollen sie bei 160 Transaktionen mehr als 2,5 Millionen Euro verschoben und dafür Provisionen in Höhe von 100 000 Euro kassiert haben.
Nutzung des kriminellen Systems „in besonderen Einzelfällen“
Wie erklärt das Ministerium von Annalena Baerbock (43, Grüne) die Nutzung solcher kriminellen Strukturen? Ihr Sprecher räumt ein: „In besonderen Einzelfällen, in denen es zur Rettung von Menschenleben keine alternativen Möglichkeiten für Geldtransfers gibt, können von der Bundesregierung geförderte humanitäre Partnerorganisationen in Afghanistan nach Abwägung aller Risiken als ultima ratio das Hawala-System nutzen.“
Die Ausnahmen seien mit dem Bundesfinanzministerium abgestimmt, so das Auswärtige Amt. Transfers aus Deutschland würden der Genehmigung der Bafin unterliegen. Aus der nachgeordneten Behörde heißt es auf Anfrage dazu nur allgemein: „Das sogenannte Hawala-Banking kann in Deutschland nicht legal betrieben werden.“
Fakt ist: Ende 2023 formulierte die Europäischen Kommission Bedingungen, für die Nutzung von Geldtransferagenten. Darin heißt es, dass Hawala-Provisionen „förderfähig“ seien, wenn die Hilfsorganisationen nachweisen können, dass es keine alternative Zahlungsmethode gab und das Risiko von Missbrauch minimiert wurde.
Dabei verwenden europäische Sicherheitsbehörden seit Jahren große Mühen darauf, die organisierten Täterstrukturen zu zerschlagen. Zollkriminalamt, Bundespolizei und die Landeskriminalämter führen regelmäßig Kontrollen mit internationalen Partnerbehörden durch, um Hawaladare zu überführen. Dabei stellen die Ermittler häufig an Flughäfen oder auf Autobahnen große Bargeldbeträge sicher, deren Herkunft ungeklärt ist.