Ungeachtet des tödlichen Bootsunglücks im Ärmelkanal haben erneut Menschen versucht, illegal nach Großbritannien zu gelangen. Premier Johnson wirft Frankreich mangelnden Einsatz vor und erhöht den Druck auf Paris.
Nach dem tragischen Bootsunglück mit vielen Toten im Ärmelkanal weisen sich Frankreich und Großbritannien gegenseitig die Schuld zu. Die britische Regierung erhöht nun den Druck auf Paris, die Überfahrten zu verhindern. Premierminister Boris Johnson forderte unter anderem ein gemeinsames Abkommen zur Rückführung von Migranten.
Das könne der »größte einzelne Schritt sein«, um das Geschäftsmodell krimineller Schlepperbanden zu zerstören, schrieb der konservative Politiker am Donnerstagabend auf Twitter. Eine entsprechende EU-Regelung über die Rückführung von Asylsuchenden kann Großbritannien seit dem Vollzug des Brexits nicht mehr in Anspruch nehmen. Johnson veröffentlichte zudem am Abend einen dreiseitigen Brief an Macron mit weiteren Vorschlägen, darunter die Forderung nach gemeinsamen Patrouillen an französischen Stränden.
My letter to President Macron. pic.twitter.com/vXH0jpxzPo
— Boris Johnson (@BorisJohnson) November 25, 2021
Am Mittwoch war ein Boot im Ärmelkanal vor der französischen Stadt Calais gekentert. Dabei starben mindestens 27 Menschen. Wie die BBC unter Berufung auf französische Ermittler berichtete, handelt es sich bei den Opfern um 17 Männer, sieben Frauen und drei Kinder. Der französische Innenminister Gérald Darmanin sagte, zwei Menschen hätten überlebt. Sie stammten aus Somalia und dem Irak.
Die französischen Behörden nahmen fünf mutmaßliche Menschenschmuggler fest. Mindestens ein Verdächtiger kam aus Deutschland, wie Darmanin sagte. »Der Schleuser, den wir heute Nacht festgenommen haben, hatte deutsche Kennzeichen. Er hat diese Schlauchboote in Deutschland gekauft.«
Johnson warf Frankreich mangelnden Einsatz vor. Sein Sprecher wies auf die 62 Millionen Euro hin, mit denen Großbritannien die Kontrollen am Ärmelkanal unterstützt. Das Geld sei dafür gedacht, Migranten aufzuhalten, sagte der Sprecher. Das ehemalige Kabinettsmitglied Robert Jenrick sagte, es stehe in der Macht des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, das Problem zu beenden.
Laut Johnson ist für Sonntag ein Treffen zwischen den Innenministerinnen und Innenministern von Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Belgien und der Niederlande geplant, um über die Situation am Ärmelkanal zu beraten.
Frankreich will Küste verstärkt überwachen
Frankreich hat derweil angekündigt, die Überwachung seiner nördlichen Küste zu verstärken. »Ich sage es ganz klar und deutlich, dass unsere Sicherheitskräfte Tag und Nacht mobilisiert sind«, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag während eines Besuchs in der kroatischen Hauptstadt Zagreb.
Er versprach eine »maximale Mobilisierung« der französischen Streitkräfte, mit Reservisten und Drohnen, die die Küste überwachen. Macron sagte, Frankreich sei lediglich ein Transitland für viele Migranten, deswegen sei mehr europäische Zusammenarbeit nötig, um die illegale Einwanderung zu bekämpfen. Die britische Forderung, eigene Beamte nach Frankreich zu schicken, lehnen französische Politiker hingegen ab.
In diesem Jahr sind bereits etwa 26.000 Menschen an der englischen Küste angekommen – dreimal so viele wie im gesamten Vorjahr. Ungeachtet der jüngsten Tragödie haben sich erneut viele Menschen illegal auf den gefährlichen Weg nach Großbritannien gemacht. An der englischen Küste kamen am Donnerstag erneut Dutzende Migranten auf kleinen Booten an, wie britische Medien berichteten. asc/dpa