Die Impfkampagne stockt, die Zahl der Neuinfektionen steigt wieder. Ethikrat-Mitglied Henn schlug deshalb eine Zwangsimpfung für Lehrer und Erzieher vor. Doch die Pädagogen wehren sich.
Für Kinder und Jugendliche, das machte Gesundheitsminister und CDU-Politiker Jens Spahn immer wieder deutlich, werde es keine Impfpflicht zur Voraussetzung am Unterricht geben. Doch was ist den Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern in Schulen und Kitas? Der Humangenetiker Wolfram Henn, Mitglied des Ethikrats, sprach von einer besonderen Verantwortung dieser Berufsgruppe, das Virus einzudämmen – und brachte eine Impfpflicht für Pädagogen ins Spiel.
Die Bildungsgewerkschaft GEW lehnt diese Idee jedoch ab, mit der vor allem Kinder unter zwölf Jahren geschützt werden sollen, da sie noch nicht selbst geimpft werden können. »Impfen ist die beste Möglichkeit, die Pandemie zu überwinden. Es bleibt aber dabei: Es ist die Entscheidung jedes/jeder Einzelnen«, sagte die GEW-Vorsitzende Maike Finnern. Die Debatte sei nicht nachvollziehbar, heißt es mit Verweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Und: »Wir sind gegen eine Impfpflicht. Nach unseren Rückmeldungen ist die Impfquote unter den Beschäftigten bereits sehr hoch«, sagte Finnern.
Auch Lauterbach gegen Impfpflicht für Lehrkräfte
Auch Lehrerpräsident Heinz-Peter Meidinger wies die Forderung zurück. »Nach unserem Kenntnisstand ist die Impfbereitschaft bei Lehrkräften sehr hoch, so liegt die Quote der bereits erstgeimpften Lehrkräfte in einigen Bundesländern bei nahe 90 Prozent«, sagte er der »Augsburger Allgemeinen«. Die Hauptinfektionsgefahr für die Kinder und Jugendlichen drohe also nicht von Erwachsenen und schon gar nicht von Lehrkräften, sondern von Gleichaltrigen.
Henn hatte seine Forderung mit einer besonderen »berufsbezogenen Verantwortung« von Lehrkräften und Kitapersonal begründet. Sie würden sich schließlich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegeben. Durch die Impfpflicht sollten so neben den Kindern auch deren Familien geschützt werden, in denen es etwa Krebspatienten geben könnte, die nicht geimpft werden können. Für Henns Sicht spricht, dass es seit 2020 in Schulen und Kitas bereits eine umfassende Impfpflicht gegen Masern gibt.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die vorgeschlagene Pflicht auch zu Corona-Impfungen dennoch kritisch. »Eine Impfung gegen Covid-19 muss die freiwillige Entscheidung jedes Einzelnen sein. Hier muss und wird die Politik zu ihrem Wort stehen. Das gilt auch für Lehrer und Erzieher«, sagte Lauterbach der »Rheinischen Post«.
Frankreich und Griechenland führen Impfpflicht im Gesundheitswesen ein
Auch für andere Berufsgruppen war bereits eine Zwangsimpfung diskutiert worden. Während in Deutschland die Debatte über eine Impfpflicht für Pflegekräfte zuletzt aber etwas abgeflaut ist, gehen Frankreich und Griechenland nun diesen Schritt – und führen Impfpflicht für Gesundheitspersonal ein. »Wenn wir jetzt nicht handeln, werden die Zahlen und die Einlieferungen in die Kliniken steigen«, sagte Präsident Emmanuel Macron am Montag. Ab Mitte September solle kontrolliert werden, ob das Personal geimpft sei, andernfalls dürfe es nicht mehr arbeiten und erhalte auch kein Geld mehr.
Griechenland kündigte ebenfalls am Montag an, dass sich Beschäftigte im Gesundheitssektor ab dem 1. September und in der Altenpflege ab sofort verpflichtend impfen lassen müssen. Künftig dürfen sich die Menschen auch nur noch in Innenräumen von Gastronomie- und Kulturbetrieben aufhalten, wenn sie gegen Covid-19 geimpft sind, wie Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bekannt gab.
Italien verlangt bereits seit Ende März von seinem Gesundheitspersonal eine Impfung.
apr/Reuters/dpa