Krieg in Nahost

Biden nennt Gazabesetzung »einen großen Fehler« – Bulldozer zerstören Eingang der Schifa-Klinik

16.11.2023
Lesedauer: 6 Minuten
Zerstörung in Rafah: Auch im Süden des Gazastreifens setzt Israel seine Offensive fort Foto: Hatem Ali / AP

Der US-Präsident stellt klar, dass er keine Soldaten nach Gaza schicken werde – eine Besetzung vonseiten Israels lehnt er ebenfalls ab. Und: Israel rückt offenbar weiter auf dem Gelände des Schifa-Krankenhauses vor. Der Überblick.

»Haltet durch, wir kommen«: Mit diesen Worten in Richtung der Hamas-Geiseln im Gazastreifen hatte US-Präsident Joe Biden diese Woche für Verwirrung gesorgt. Die Aussagen waren als Hinweis auf einen möglichen Einsatz des US-Militärs im Gazastreifen verstanden worden. Nun hat Biden klargestellt: Er werde alles in seiner Macht Stehende tun, um die von der islamistischen Terrororganisation im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln zu befreien. Dies bedeute aber nicht, das US-Militär dorthin zu entsenden, erklärte der US-Präsident vor Reportern.

Biden sagte außerdem, er habe dem israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu klargemacht, dass eine Zweistaatenlösung der einzige Ausweg für den israelisch-palästinensischen Konflikt sei. Auch wäre eine israelische Besetzung des Gazastreifens »ein großer Fehler«.

Der US-Präsident äußerte sich zudem zur israelischen Offensive rund um das Schifa-Krankenhaus und andere Kliniken in Gaza. Biden sagte, die Hamas begehe Kriegsverbrechen, indem sie ihr militärisches Hauptquartier in einem Krankenhaus untergebracht habe. Er sei zuversichtlich, dass die US-Geheimdienste diese »Tatsache« stützten. Israels Armee behauptet, die Hamas würde unter Krankenhäuser Verstecke unterhalten – die Hamas bestreitet dies.

»Nicht realistisch«, dass Israel seine Offensive einstelle

Biden sagte, Israel sei mit einer begrenzten Anzahl von bewaffneten Truppen in das Schifa-Krankenhaus, das größte des Gazastreifens, eingedrungen. »Wir haben darüber gesprochen, dass sie unglaublich vorsichtig sein müssen«, sagte er mit Blick auf die Offensive. Israel habe die Pflicht, so vorsichtig wie möglich vorzugehen. Angesichts der Drohungen hochrangiger Hamas-Vertreter, Israel erneut anzugreifen, und ihrer »schrecklichen« Aktionen in der Vergangenheit sei es jedoch »nicht realistisch«, von Israel zu erwarten, seine Militäraktionen einzustellen.

Biden und Netanyahu Mitte Oktober in Tel Aviv
Biden und Netanyahu Mitte Oktober in Tel Aviv
 Foto: Evelyn Hockstein / REUTERS

»Die Hamas hat bereits öffentlich gesagt, dass sie plant, Israel wieder anzugreifen, so wie sie es schon einmal getan hat, als sie Babys die Köpfe abgeschnitten hat«, sagte Biden. Damit wiederholte er eine Behauptung, die er bereits im vergangenen Monat aufgestellt hatte. Dabei hatte das Weiße Haus bereits klargestellt, dass US-Beamte keine Beweise dafür gesehen hätten. Biden habe sich dabei auf Nachrichtenberichte über solche Aktionen bezogen.

Am Mittwoch sagte Biden, Israel bringe nun Brutkästen und weiteres Material, um den Menschen in Gaza zu helfen. Auch gäbe Israels Militär Ärzten, Krankenschwestern und anderem Personal die Möglichkeit, sich »aus der Gefahrenzone zu begeben«.

Israel erklärte am Mittwoch, seine Truppen hätten bei einer Durchsuchung des Schifa-Krankenhauses Waffen und Kampfausrüstung der Hamas gefunden. Die Hamas wies die Meldung als »Lügen« zurück.

Israelische Bulldozer sollen Eingang des Schifa-Krankenhauses zerstört haben

Nach Hamas-Angaben habe das israelische Militär Teile eines Eingangs des Schifa-Krankenhauses mit Bulldozern zerstört. »Israelische Bulldozer haben Teile des Südeingangs zerstört«, erklärte das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium. Die israelische Armee teilte auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP mit, dass derzeit ein Einsatz auf dem Krankenhausgelände stattfinde. »Heute Abend führen wir einen gezielten Einsatz im Schifa-Krankenhaus aus. Wir rücken weiter vor«, sagte der zuständige Generalmajor Jaron Finkelman im Telegram-Kanal der Armee.

Bereits am Mittwoch hatte es einen israelischen Militäreinsatz in dem Krankenhaus gegeben. Anschließend zog die Armee Soldaten und Panzer ab, um sie rund um das Gelände neu zu positionieren. Der Angriff auf die Klinik im Rahmen des Kriegs zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas hatte international heftige Kritik ausgelöst.

Ein mit der AFP in Kontakt stehender in dem Krankenhaus eingeschlossener Journalist berichtete, dass Soldaten in die Luft schossen und junge Männer aufforderten, sich zu ergeben, als sie in der Nacht das Krankenhaus stürmten.

Nach Angaben der Uno sollen sich rund 2300 Menschen in dem Gebäudekomplex aufhalten, wo verheerende Zustände herrschen. Nach Angaben Israels hat die Hamas in Tunneln unter dem Krankenhausgelände ein Kommandozentrum eingerichtet – eine Einschätzung, die von den USA geteilt und von der Hamas zurückgewiesen wird.

US-Uno-Botschafterin verlangt Schutz von Patienten

Nach der Annahme einer Gazaresolution mit der Forderung nach tagelangen Feuerpausen hat sich auch die US-amerikanische Uno-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield zur Situation rund um die Krankenhäuser in Gaza geäußert und die Verantwortung Israels in dem Krieg betont. »Ich möchte klarstellen: Die Vereinigten Staaten wollen keine Feuergefechte in Krankenhäusern, wenn unschuldige Menschen, hilflose Menschen, kranke Menschen versuchen, medizinische Versorgung zu bekommen«, sagte Thomas-Greenfield. Patienten müssten geschützt werden.

Zudem erinnerte Thomas-Greenfield daran, dass die Konfliktparteien das Völkerrecht achten müssten, auch Israel. »Die Maßnahmen der Hamas verringern nicht die Verantwortung Israels, unschuldige Menschen in Gaza zu schützen. Letzten Endes läuft alles auf ein klares, dringendes Ziel hinaus: die Rettung unschuldiger Leben.«

Die USA hatten beim Votum über einen Resolutionsentwurf auf ein Veto verzichtet und sich enthalten. Auf dem Weltsicherheitsrat lag immenser Druck, nach Wochen der Verhandlungen um eine gemeinsame Position zu handeln. Bis zum Mittwoch waren Entwürfe unter anderem aber an den Vetos der USA auf der einen Seite sowie Russlands und Chinas auf der anderen Seite gescheitert.

Israel beschießt offenbar Hisbollah-Ziele im Libanon

Neben dem Einsatz in Gaza beschießt Israels Armee zurzeit nach eigenen Angaben auch Hisbollah-Stellungen im Libanon. Nachdem eine Panzerabwehrrakete auf die Ortschaft Schlomi im Norden Israels abgefeuert worden sei, habe das Militär die Abschussrampe der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah, von der die Rakete abgefeuert wurde, angegriffen, teilte die israelische Armee am frühen Donnerstagmorgen mit. Darüber hinaus hätten die Streitkräfte mehrere Beobachtungsposten, weitere Abschussrampen, ein Waffenlager und Einrichtungen der Hisbollah attackiert.

Seit dem Wiederaufflammen des Gazakonflikts kommt es an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der libanesischen Hisbollah-Miliz. Auf beiden Seiten gab es bereits Todesopfer. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanonkrieg im Jahre 2006. Israel warnte die Hisbollah, der libanesischen Hauptstadt Beirut drohe ein ähnliches Schicksal wie Gaza, sollten die Angriffe andauern.

Am 7. Oktober waren Hunderte Hamas-Kämpfer nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.

Daraufhin begann Israel, Ziele im Gazastreifen massiv anzugreifen. Nach Angaben der Hamas, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden seitdem rund 11.500 Menschen in dem Palästinensergebiet getötet. 

col/Reuters/dpa/AFP

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