Auch das Wort „Linksextremismus“ findet sich nicht in dem neuen Koalitionsvertrag, den SPD, Grüne und Linke geschlossen haben.
Der Koalitionsvertrag trägt nach Ansicht der Linken-Landesvorsitzenden Katina Schubert „auch eine linke Handschrift“. So wird es nach ihren Worten auch eine „linke Rechtspolitik“ geben. „Wir wollen die Knäste und Gefängnisse noch schöner und besser machen“, sagte Schubert am Montag bei der Vorstellung des Regierungsprogramms.
Von solch blumigen Formulierungen abgesehen, haben die Linken, die künftig das Justizressort besetzen werden, einige für sie wichtige Punkte durchgesetzt. In der Justiz soll zum Beispiel mehr Diversität einziehen. Die Geldwäsche-Aufsicht im Nicht-Finanzsektor (zum Beispiel Scheinfirmen) und die Taskforce Geldwäsche am Landgericht soll weiter ausgebaut werden. Der Senat soll sich auch weiter mit Nachdruck dafür einsetzen, dass die Meldepflicht der Notare erweitert und die Befugnisse der Aufsichtsbehörden gestärkt werden. Dies würde einen neuen Anlauf für eine entsprechende Bundesratsinitiative bedeuten. Zudem sollen die Finanzämter für Fahndung und Strafsachen gestärkt werden wie auch die Abteilung 3 des Landeskriminalamtes, die unter anderem Wirtschaftskriminalität verfolgt, und die entsprechende Hauptabteilung 4 der Staatsanwaltschaft.
„Ich finde den Koalitionsvertrag sehr gelungen“, sagt Sebastian Schlüsselburg, bisheriger Sprecher für Rechtspolitik und Datenschutz der Linken. „Es gibt keine Sieger und Besiegten.“ Ob er selbst den bisherigen Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) beerben wird, ist noch unklar. Auch die Bezirksvorsitzende der Linken in Pankow und stellvertretende Berliner Landesvorsitzende, Sandra Brunner, wird dafür gehandelt. Die Richterin am Berliner Sozialgericht hat als Frau gute Chancen. Über Personalfragen wird in der Linkspartei aber öffentlich noch nicht gesprochen. Zunächst sollen der Mitgliederentscheid und der Landesparteitag abgewartet werden.
In den Gefängnissen soll der Anteil der Inhaftierten, die nach zwei Drittel der Haftzeit entlassen werden, erhöht werden. Besser als eine Inhaftierung sei die Vermeidung von Haft, heißt es im Vertrag. Ersatzfreiheitsstrafen sollen seltener verbüßt und Angebote der gemeinnützigen Arbeit statt Strafe verstärkt werden. Schwarzfahren soll entkriminalisiert werden.
Organisierte Kriminalität statt Clankriminalität
Einige Worte kommen im Koalitionsvertrag nicht vor: zum Beispiel „Linksextremismus“. „Wenn wir die aktuelle Studienlage anschauen, wissen wir, dass das mit Abstand größte Problem vom Rechtsextremismus, aus dem Reichsbürger- und dem verschwörungstheoretischen Spektrum ausgeht“, sagt Schlüsselburg. „Links- und Rechtsextremismus gleichzusetzen würde das faktenbasierte Lagebild verzerren.“ Schlüsselburg, dem Linksextremisten im Februar wegen der Räumung eines Obdachlosencamps die Scheiben seines Wahlkreisbüros einschlugen, schränkt aber ein: „Für uns ist jegliche Extremismusform, die sich der Gewalt bedient, ein Problem.“
Auch das Wort „Clankriminalität“ findet sich in dem Papier nicht. Von diesem Begriff hielt auch der bisherige Grünen-Justizsenator nichts. Auch die Linken wollen ihn nicht. Die Linken sehen vor allem in der Organisierten Kriminalität das große Problem.
Als „Clankriminalität“ erfasst die Polizei Straftaten von Angehörigen „ethnisch abgeschotteter Strukturen“. Die Linken und Grünen finden die Art der Verfolgung diskriminierend – etwa die gemeinsamen Gewerbekontrollen von Polizei, Ordnungs- und Finanzämtern.
Neuköllns neue Ordnungsstadträtin Sarah Nagel (Linke) setzt da schon neue Akzente. Denn sie findet Gewerbekontrollen stigmatisierend. „Unser Ziel ist, dass man diese Gewerbekontrollen einfach anders gestaltet. Sie können tagsüber stattfinden und erst einmal ohne Polizei und auf eine respektvolle Art und Weise“, sagte sie der Tageszeitung „nd.Der Tag“.
Erst am vergangenen Donnerstag hatten Polizisten und Ordnungsamtsmitarbeiter in Neukölln Shisha-Bars und Spätkaufgeschäfte kontrolliert. Dabei richteten sich die Ermittlungen auch gegen einige Betreiber, die mit arabischstämmigen Großfamilien Geschäfte machen sollen. Die Beamten stellten knapp 50.000 Euro, deren Herkunft unklar war, sicher. Ein Lokal an der Schierker Straße wurde aufgrund zahlreicher Verstöße geschlossen. Zwei Drogendealer wurden vor den Geschäften festgenommen. Dreimal wurden Waffen gefunden, und einmal entdeckten die Ordnungshüter illegales Glücksspiel, drei Glücksspielautomaten wurden versiegelt. Die Beamten fanden zwei gefälschte Impfpässe, vier gefälschte amtliche Ausweise und deckten 17 gewerberechtliche Verstöße auf, unter anderem gegen den Jugendschutz und die Spielverordnung. Sie fanden in je einem Lokal ein E-Bike, einen E-Roller und ein Fahrrad, die als gestohlen gemeldet waren. Aufgedeckt wurden auch mindestens eine illegale Beschäftigung und ein illegaler Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.