„Wir bitten weiße Menschen von einer Bewerbung abzusehen“

Berliner Beratungsstelle gegen Diskriminierung überarbeitet Anzeige

26.08.2021
Lesedauer: 3 Minuten
Studierende an der Berliner Humboldt-Universität während einer Vorlesung. FOTO: LIESA JOHANNSSEN/IMAGO

Einer studentischen Beratungsstelle der Humboldt-Universität wird Rassismus vorgeworfen. Grund war eine Stellenausschreibung.

Aufregung an der Berliner Humboldt-Uni: Ausgerechnet eine studentisch betriebene Stelle gegen rassistische Diskriminierung sieht sich nun selbst einem Rassismusvorwurf ausgesetzt. Auslöser ist ein Satz in einer Stellenausschreibung. „Wir bitten daher weiße Menschen, von einer Bewerbung für diese Beratungsstelle abzusehen.“

Man habe die Erfahrung gemacht, dass die Beratung am besten funktioniert, wenn „der/die Berater:in Schwarz oder als Person of Color positioniert ist“. Die Beratungen fänden „aus parteilicher Perspektive statt. Parteilich bedeutet hier eine Beratung, die sich an den Bedürfnissen der ratsuchenden Person orientiert, um einen Raum zu schaffen, in dem sich Betroffene von rassistischer Diskriminierung wohlfühlen können, ihre Erfahrung zu teilen.“

So stand es in der Ausschreibung der Stelle im Referent:innenrat. Im Netz löste das heftige Kritik aus: Von Doppelmoral und einer Bewerbung mit der Farbschablone schrieben Facebook- und Twitter-User. „Wir sind dabei, die Anzeige zu überarbeiten. Wir bedauern die uneindeutige Formulierung“, hatte der Rat daraufhin erklärt. Am Abend veröffentlichte er dann die neue Version.

Nun heißt es: „In der Beratungsarbeit hat sich gezeigt, dass dies Menschen am besten gelingt, die aus Perspektive der eigenen Betroffenheit von rassistischer Diskriminierung beraten können. Daher möchten wir insbesondere Personen, die rassistische Diskriminierungserfahrungen machen, dazu ermutigen, sich auf die Stelle zu bewerben.“ Die Bitte an weiße Menschen, von einer Bewerbung abzusehen, findet sich dort nicht mehr.

Stelle unterliegt nicht Rechtsaufsicht der Universität

Die Leitung der Humboldt-Uni stellte zunächst klar, dass die Stelle nicht in der Rechtsaufsicht der Universität liegt. Studierendenparlament und Referent:innenrat seien eigenständige Arbeitgeber, sagte Pressesprecher Hans-Christoph Keller. Es sei ausdrücklich nicht im Sinne der Humboldt-Universität, Menschen zu diskriminieren.

Die Hochschule erklärte später dazu: „Wir verstehen uns als Ort der Meinungspluralität, der gegenseitigen Wertschätzung und des Respekts.“ Die Leitung der Universität fordere die Studierendenschaft deshalb auf, die Stellenausschreibung zu überprüfen.

„Rassismus darf nicht mit Rassismus vergolten werden“, sagte Adrian Grasse, forschungspolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, am Nachmittag. Für ihn sei klar, dass die „in krasser Weise diskriminierende“ Anzeige sofort vom Netz genommen werden müsse.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sieht einen gewissen Spielraum in Stellenausschreibungen. Bei Beratungsangeboten könnten durchaus Personengruppen gezielt angesprochen werden, so Bernhard Franke, derzeit kommissarischer Leiter der Stelle. Vorstellbar wäre das, wenn beispielsweise eine Frauen-Beratungsstelle für Opfer männlicher Gewalttäter Frauen explizit ermutigt, sich zu bewerben. „Allerdings dürfen auch in solch einem Fall bestimmte Bewerbende nicht von vornherein ausgeschlossen werden“.

Andere Formulierung hätten Streit vielleicht verhindert

Ob die Stellenausschreibung aus der Humboldt-Uni tatsächlich gegen das Diskriminierungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes verstoßen hat, ist für den Rechtswissenschaftler Franke noch nicht geklärt. Demnach dürfen Hautfarbe, ethnische Herkunft, Geschlecht, Alter, Religion oder Weltanschauung Behinderung oder der sexuellen Identität bei Stellenausschreibungen keine Rolle spielen. Das Gesetz sehe aber auch Ausnahmen vor. Ob eine solche hier vorliegt, könnten im Streitfall nur die Arbeitsgerichte klären.

„Wir begrüßen die Bewerbung von Menschen, die von Rassismus betroffen sind“. Mit so einem Satz statt der Ausgrenzung von „Weißen“ wäre die Aufregung um die Ausschreibung wohl vermieden worden, meint Lorenz Blumenthaler von der Amadeu-Antonio-Stiftung. Er sieht einen massiven Vorteil, „wenn dort Menschen sitzen, die wissen, wovon sie reden.“ Betroffene könnten sich so besser öffnen.

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