Von Simon Zeise

Baerbocks „wertegeleitete Außenpolitik“: Grünen-Gründungsmitglied tritt aus Partei aus

22.03.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Bildquelle: Kira Hoffmann/imago

Früher war Ulfried Geuter „stolz“ auf die friedliche Außenpolitik seiner Partei. Wegen des aggressiven Kriegskurses der Grünen ist er jetzt ausgetreten.

ch war einmal froh und stolz, ein Grüner zu sein“, erklärt Ulfried Geuter, der vor Jahrzehnten die einst pazifistische Partei mitgegründet hat. „Ich bin am 5. Oktober 1978 beim Gründungstreffen der Alternativen Liste für Demokratie und Umweltschutz, die 1980 in die neu gegründeten Grünen überging, Mitglied geworden. Länger als ich kann man also nicht Mitglied der Grünen sein“, schreibt Geuter, der die Begründung für seinen Austritt auf dem Internetportal Blog der Republik veröffentlicht hat.

Über 45 Jahre habe er sich der Partei zugehörig gefühlt. Doch die seien jetzt zu Ende: „Wie Antje Vollmer in ihrem letzten Essay schrieb, haben die Grünen ihre friedens- und umweltpolitischen Ideale geopfert ‚für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker‘. Daher trete ich aus.“

Baerbocks Kurs kennt nur eine Richtung: „Immer mehr und schlagkräftigere Waffen“

Politisiert worden sei er durch die Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg, sagt Geuter im Gespräch mit der Berliner Zeitung. Auch Anfang der 2000er habe ihm die Haltung seiner Partei noch imponiert: „Als sich die rot-grüne Bundesregierung gegen den vereinten Druck der konservativen Presse dafür entschied, nicht beim Angriffskrieg US-amerikanischer und britischer Truppen auf den Irak mitzumachen.“ Doch das ist lange her. „Heute, wo Anton Hofreiter und Annalena Baerbock das Wort in der grünen Außen- und Sicherheitspolitik führen“, könne er sich nicht mehr mit den Werten der Grünen identifizieren.

Denn mittlerweile hätten die Grünen ihren Gründungskonsens über Bord geworfen. Die aggressive Haltung der Partei zum Krieg in der Ukraine wollte Geuter nicht mehr mittragen. Das oberste Ziel grüner Außenpolitik sei „nicht mehr Kriege zu beenden und Leid zu vermeiden“. Vielmehr sei nur noch eine Richtung zu erkennen: „immer mehr und schlagkräftigere Waffen zu liefern“.

Grüne Außenpolitik ziele darauf ab, Frieden durch Sieg im Krieg zu erreichen. Das stecke dahinter, wenn Baerbock als Ziel ausgebe, dass die Ukraine den Krieg „gewinnen“ müsse. „Grüne Außenpolitik wird von diesem Ziel getrieben – und unterscheidet sich damit nicht von der Außenpolitik des einstmals glühenden George-Bush-Verehrers Friedrich Merz und der Rüstungslobbyistin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.“ Den letzten Ausschlag gegeben habe die Attacke von Anton Hofreiter gegen die „vernünftige Politik von Olaf Scholz, keine Taurus-Raketen liefern zu wollen“.

In der Partei hätten diejenigen außenpolitisch das Sagen bekommen, „die nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass der Westen, Europa und Nordamerika, die Rolle als Hegemon verloren hat“. Baerbock versuche die verlorene militärische und ökonomische Dominanz durch eine moralische zu ersetzen. „Daher reist sie als Lehrmeisterin durch die Welt und verkündet überall was geschehen ‚soll‘ oder ‚muss‘“, kritisiert Geuter. „Das nennt sich wertegeleitete Außenpolitik.“

Berliner Landesvorstand der Grünen: „Wir kommen inhaltlich nicht mehr zusammen“

Geuter war und ist kein aktiver Politiker. Er war als Reporter und Wissenschaftsjournalist tätig, bevor er sich als Psychotherapeut in Berlin niederließ und als Professor an der Universität Marburg lehrte. Aber auch wenn er kein Partei-Promi ist, hat sein Austrittsschreiben doch „erstaunlich große Resonanz“ hervorgerufen, sagt er. Viele Weggefährten hätten sich gemeldet, die seine Auffassung teilen. Einige haben es ihm gleichgetan und haben die Partei bereits verlassen. Andere wollen weiter bei den Grünen für eine Richtungsänderung in der Außenpolitik streiten.

Die Berliner Landesvorsitzenden haben seinen Abschied knapp zur Kenntnis genommen: „Wir bedanken uns für Deine langjährige Mitgliedschaft und bedauern, Dich als Mitglied zu verlieren, weil wir inhaltlich offensichtlich so verschieden stehen, dass wir da nicht mehr zusammen kommen“, antworteten sie ihm.

In der Schule habe Geuter einmal die alte römische Weisheit gelernt, dass man bei allem, was man tut, an das Ende denken soll. „Wo soll die Politik des Siegen-Wollens hinführen?“, fragt er sich. „Die bedingungslose Kapitulation Russlands, die Selenskyj verlangt, kann nur in einem epischen Krieg, einem Dritten Weltkrieg erreicht werden, der Europa oder sogar die Nordhalbkugel verwüsten könnte.“

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