„Fridays for Future“ Hannover hat den Auftritt von Ronja Maltzahn beim Klimaprotest am Freitag abgesagt – weil sie Dreadlocks hat. Das Bistum Hildesheim übt Kritik an dieser Entscheidung.
Dass die Musikerin als weiße Person Dreadlocks trage, sei nach Auffassung der Diözese kein Grund, sie nicht auftreten zu lassen, heißt es von der Bischöflichen Pressestelle. „Die Bewertung der Sängerin allein aufgrund ihrer Frisur ist überzogen und intolerant.“ Die Kritik betreffe allein das Verhalten der hannoverschen Ortsgruppe von „Fridays for Future“ („FFF“) gegenüber Maltzahn. Für den Klimaschutz trete das Bistum Hildesheim ebenso ein wie „FFF“. Das katholische Bistum hatte die Menschen dazu aufgerufen, sich an dem globalen Klimastreik zu beteiligen.
„Nettes Telefonat“ mit den Klimaaktivisten
Auf ihrem Instagram-Account hatte die Künstlerin aus Bad Pyrmont am Mittwoch von der Konzert-Absage berichtet. Daraufhin habe es viele Kommentare unter dem Eintrag gegeben, auch viele Presseleute hätten angerufen, so Maltzahn. Weiter sagte sie, dass sie mit den „FFF“-Aktivisten ein nettes Telefonat geführt habe, „in dem sie sich entschuldigt haben für den unsensiblen Tonfall“ in der schriftlichen Absage. „Ich möchte an dieser Stelle noch mal ganz klar sagen, dass ich keinen Konflikt anzetteln möchte.“ Die Sängerin unterstrich in ihrer Videobotschaft, dass sie die Werte von „Fridays for Future“ teile. Sie wünsche nicht, dass die Organisation schlecht gemacht und Opfer eines Shitstorms werde. „Ich möchte euch alle dazu einladen, auf eine respektvolle Art und Weise miteinander ins Gespräch zu kommen“, sagte sie.
Ist die Absage diskriminierend?
Die Klimaaktivisten hatten die Absage damit begründet, dass sie „gerade bei diesem globalen Streik auf ein antikolonialistisches und antirassistisches Narrativ setzen“. Weiter heißt es auf der Webseite von „FFF“ Hannover, dass weiße Menschen keine Dreadlocks tragen sollten, „da sie sich einen Teil einer anderen Kultur aneigneten, ohne die systematische Unterdrückung dahinter zu erleben“. Die Begründung, die auch im Instagram-Post der Sängerin zu lesen war, ergänzen die Aktivistinnen und Aktivisten folgendermaßen: „Außerdem bekommen wir als weiße Menschen für dieselbe Frisur Komplimente, für die Schwarze Menschen rassistisch angefeindet werden. Deshalb haben schwarze Widerstandssymbole […] auf weißen Köpfen nicht zu suchen.“ Auf der Instagram-Seite von Maltzahn wurde diese Entscheidung vielfach kritisiert, einige Kommentatoren sahen ihrerseits rassistische Muster und kritisierten die Begründung als diskriminierend.
Ronja Maltzahn bedauert die Absage
Maltzahn schrieb daraufhin auf ihrem Instagram-Kanal, dass sie sich darauf gefreut habe, „ein Zeichen für Frieden und gegen Diskriminierung mit unserer Musik setzen zu dürfen“. Es sei schade, aufgrund von äußerlichen Merkmalen ausgeschlossen zu werden. Der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte sie, sie befürworte es sehr, zu schauen, wo es in unserer Gesellschaft überall Diskriminierung gebe. Es sei aber auch wichtig, den Kontext dabei nicht außer Acht zu lassen. Ihre Inspiration, Dreads zu tragen, komme aus alternativen Kreisen, so die Sängerin. Maltzahn hatte im vergangenen Jahr den Panikpreis der Udo Lindenberg Stiftung für Nachwuchskünstler gewonnen. Im Juli wird sie mit Lindenberg beim Hermann Hesse Festival auftreten.
„FFF“ entschuldigen sich – bleiben aber bei Absage
Im Zuge der schriftlichen Absage hatten „FFF“ der Musikerin angeboten, doch noch bei dem Klimastreik am Freitag aufzutreten – wenn sie sich bis dahin ihre Haare abschneidet. Dann „würden wir dich natürlich auf der Demo begrüßen und spielen lassen“, hieß es in dem Schreiben. Dafür baten die Aktivistinnen und Aktivisten mittlerweile um Entschuldigung. Dieser Vorschlag sei ein Eingriff in die Privatsphäre der Künstlerin gewesen, der so nicht hätte passieren dürfen, teilten „Fridays for Future“ Hannover auf ihrer Internetseite mit. „Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass Frauen in dieser sexistischen Gesellschaft häufig aufgrund ihres Aussehens zurechtgewiesen werden und sich nicht frei so kleiden und zeigen können, wie sie wollen, war die Nachricht grenzüberschreitend formuliert.“ Gleichzeitig blieben sie aber bei ihrer Absage an Maltzahn. Dreadlocks seien durch die Versklavung schwarzer Menschen in die USA gebracht worden, wo sie später in Bürgerrechtsbewegungen schwarzer Menschen zum Widerstandssymbol geworden seien. „Wenn eine weiße Person also Dreadlocks trägt, dann handelt es sich um kulturelle Aneignung, da wir als weiße Menschen uns aufgrund unserer Privilegien nicht mit der Geschichte oder dem kollektiven Trauma der Unterdrückung auseinandersetzen müssen“, schrieb die Gruppe in der Begründung zur Absage.
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