Im November stellten 16.500 Menschen Asyl-Erstanträge in Deutschland. Zuletzt gab es vor mehr als vier Jahren einen zugangsstärkeren Monat. Das liegt auch an der Belarus-Route.
Die Asylanträge in Deutschland sind wieder stark angestiegen. Im November wurden mit 16.520 Erstanträgen so viele gestellt wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr. Zuletzt wurde dieser Wert laut der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im August 2017 (16.633) übertroffen. Davor war dies nur im März 2017 sowie zwischen Oktober 2014 und Dezember 2016 während der Migrationskrise der Fall.
Auch nach den Jahren 2014 bis 2017 blieb die Asylzuwanderung nach Deutschland im historischen und europäischen Vergleich hoch. In jedem Gesamtjahr wurde die 100.000er-Marke bei den Erstanträgen überschritten, selbst im Corona-Jahr 2020. Im Sommer kam zu den bekannten illegalen Migrationsrouten über Spanien, Griechenland und Italien eine neue über Belarus und Polen hinzu. Auch deswegen steigen die Asylantragszahlen wieder an.
Seit August registrierte die Bundespolizei mehr als 10.500 „unerlaubte Einreisen mit einem Bezug zu Belarus, derzeit mit fallender Tendenz“, wie die Behörde mitteilt. Von August (474) über September (1903) und Oktober (5285) hatte sich die Route rasant entwickelt. Im November blieben die Einreisen über Belarus laut Bundespolizei „mit insgesamt 2849 Feststellungen auf einem hohen Niveau“. Neben diesem „Hellfeld“ der Aufgegriffenen dürften es einige Migranten auch schaffen, zunächst unbemerkt einzureisen, wie an den übrigen Grenzabschnitten auch.
Laut Einschätzung der Sicherheitsbehörden stellen die über Belarus einreisenden Menschen in der Regel hierzulande Asylanträge, manche ziehen auch weiter, etwa in die Niederlande oder nach Frankreich. Nach dem geltenden, aber kaum eingehaltenen EU-Asylrecht müssten sie in Polen ihren Antrag stellen und würden nur nach Deutschland umverteilt, falls sie hier schon Angehörige haben oder unter sonstige Ausnahmeregeln fallen.
Weder finden die vorgesehenen Dublin-Rücküberstellungen nach Polen in nennenswerter Zahl statt, noch werden die Migranten an der unerlaubten Weiterreise gehindert. „Bei der deutsch-polnischen Grenze handelt es sich um eine Schengen-Binnengrenze, die grundsätzlich zu jeder Zeit und an jeder beliebigen Stelle überschritten werden kann“, teilt die Bundespolizei mit. Zurückweisungen seien „rechtlich nur dann zulässig, wenn die temporäre Wiedereinführung von Grenzkontrollen gegenüber der EU-Kommission notifiziert wurde. Dies ist an der deutsch-polnischen Grenze nicht der Fall.“
Während sich – durch den intensiven polnischen Grenzschutz und den erfolgreichen Druck der EU-Kommission auf Fluglinien, die Migranten aus dem Nahen Osten nach Belarus flogen – auf der Ostroute eine Entspannung abzeichnet, bleiben die Haupttreiber der starken Asylzuwanderung nach Deutschland bestehen: Die Weiterreise von in Italien, Spanien und Griechenland angekommenen Schutzsuchenden. Mit diesem Dauerzustand hatte sich die scheidende Bundesregierung zunehmend abgefunden. Weder wurden Zurückweisungen an den Grenzen ermöglicht, noch konnten die Überstellungen in die zuständigen Länder wesentlich gesteigert werden.
Seit Sommer 2020 beantragen auch zunehmend in Griechenland bereits anerkannte Flüchtlinge in Deutschland Asyl. Im zu Ende gehenden Jahr waren es bereits bis Ende Oktober 13.700, wie das BAMF WELT mitteilte. Auch sie werden aber nicht zurückgebracht. Wegen der schlechten Unterbringung in dem Mittelmeerstaat habe man 2021 bisher nur einen Migranten rücküberstellen können, sagte der scheidende Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Ende Oktober. Er hatte Griechenland erfolglos angeboten, mit bis zu 50 Millionen Euro die Unterbringung von Flüchtlingen zu finanzieren.