Selbstbestimmungsgesetz

Ampelplan: Alle Menschen sollen Geschlecht und Vornamen künftig selbst festlegen dürfen

30.06.2022
Lesedauer: 4 Minuten
Marco Buschmann (FDP), Bundesminister für Justiz (Archivbild). © Quelle: Carsten Koall/dpa

Trans Personen sollen mehr Rechte bekommen. Dazu soll nach Willen der Ampelregierung das Transsexuellengesetz durch ein „Selbstbestimmungsgesetz“ ersetzt werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) stellten nun die Eckpunkte des neuen Gesetzes vor.

Das bestehende Transsexuellengesetz soll durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt werden. Die Eckpunkte dieses neuen Gesetztes haben Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Donnerstag in Berlin vorgestellt. Noch in diesem Jahr soll der Gesetzentwurf dem Kabinett vorgelegt werden.

Die Abschaffung des Transsexuellen-Gesetz ist im Ampel-Koalitionsvertrag verankert. Demnach soll dann eine Änderung des Geschlechtseintrags beim Standesamt grundsätzlich per Selbstauskunft möglich werden. „Heute ist ein guter Tag für die Freiheitsrechte in unserem Land. Und für die Vielfalt“, sagte Familienministerin Paus. „Selbstbestimmt leben zu können, das ist fundamental für alle Menschen.“

Künftig einheitliche Regelungen für alle Geschlechter

Das bestehende Transsexuellengesetz verletze seit 40 Jahren die Rechte von Trans-Menschen. Sie gehörten zu einer besonders vulnerablen Gruppe in der Gesellschaft, würden oft Ziel von Anfeindungen werden. Die bislang noch notwendigen psychologischen Gutachten für die Anpassung des Geschlechtseintrages seien überflüssig. „Daher werden wir sie abschaffen“, so Paus. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz solle es künftig einheitliche Regelung geben, die auch für intergeschlechtliche Menschen gelte.

Es gehe zudem ausschließlich um die Änderung des Vornamens und des Personenstandes. Dazu reiche künftig eine Selbstauskunft. Für Minderjährige ab 14 Jahren ist die Zustimmung beider Sorgeberechtigten notwendig, andernfalls werde das Familiengericht hinzugezogen. Bis zum 14. Lebensjahr können nur die Eltern die Erklärung für die Kinder und Jugendlichen abgeben.

„Für eine erneute Änderung des Geschlechtseintrages gilt eine Sperrfrist von einem Jahr“, so Paus. Weiterhin werde es ein Offenbarungsverbot geben. Der alte Vorname und Geschlechtseintrag solle so nicht mehr ausgeforscht werden können, um „Zwangs-Coming-Outs“ zu verhindern.

„Wir lassen jedem Menschen die Würde zukommen, die er Kraft seiner Individualität verdient.“

Justizminister Marco Buschmann

„Es ist ja viel spekuliert worden im Vorfeld“, sagte Justizminister Marco Buschmann. Von Umerziehungsprogrammen sei die Rede gewesen. Dabei gehe es um etwas ganz anderes. „Wir lassen jedem Menschen die Würde zukommen, die er Kraft seiner Individualität verdient.“ Das Land werde dadurch freier, offener und moderner.“ Über viele Jahrzehnte haben wir diese Menschen wie Kranke behandelt“, so Buschmann. „Es ist nicht der statistische Normalfall – aber es ist normal, dass Menschen sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren.“ Die Debatte sei unter Fachleuten längst entschieden.

Die Neuerungen des Selbstbestimmungsgesetz fasste er folgendermaßen zusammen: „Volljährige Personen können eine Änderung künftig beim Standesamt bewirken. Dafür ist ihre eigene Erklärung entscheidend. Es findet keine Begutachtung mehr statt. Minderjährige können so eine Änderung auch bewirken, aber mit Zustimmung ihrer Eltern. Wenn es da zu Konflikten kommt, lösen wir das über das Familiengericht.“

Buschmann stellte außerdem klar, dass es nicht um geschlechtsangleichende Operationen gehe. Er könne die überzogenen Diskussionen daher nicht nachvollziehen. Und: „Immer wieder werde ich gefragt, ist das denn so wichtig. Es ist ja nur eine kleine Gruppe. Ich finde es wirklich falsch, so zu denken. Der Anspruch auf gleiche Freiheit und Würde hat jeder einzelne Mensch.“

Dem Standesamt gegenüber müsse die Person künftig den Wunsch und den ernstgemeinten Willen erklären, den Personenstand zu ändern. „Die Menschen sind allerdings niemandem Schuldig, ihre Motivlage zu erklären“, sagte Buschmann. „Ich will hier dem Eindruck entgegenwirken, dass es zu Jux und Tollerei kommt.“ Die Änderung gelte für mindestens ein Jahr, bei vielen Menschen sei die Entscheidung bereits im Vorfeld über Jahre gereift.

Missbrauch der leichteren Geschlechtsanpassung erwartet auch die Familienministerin nicht. „Es ist absurd zu denken, dass Menschen das leichtfertig tun werden“, sagte Lisa Paus. Auch Schutzräume für Frauen seien nicht gefährdet. „Gewalttätige Menschen kommen nicht ins Frauenhaus, grundsätzlich nicht.“ Auch der Kinderschutzbund und der Deutsche Frauenrat hätten sich hinter das Selbstbestimmungsgesetz. Das hatten die Verbände im Vorfeld dem RedaktionsNetzwerk Deutschland erklärt.

Positive Rückmeldungen von Frauenrat und Kinderschutzbund

Der Kinderschutzbund und der Deutsche Frauenrat begrüßten die Pläne der Ampel-Koalition. Die eigene Unsicherheit über die Geschlechtszugehörigkeit und die Konfrontation mit anderen beeinträchtige Kinder und Jugendliche, hatte Kinderschutzpräsident Heinz Hilgers dem RedaktionsnetzwerkDeutschland (RND) gesagt. „Diese Gemengelage kann hohe psychische Belastungen erzeugen und führt in einigen Fällen sogar zum Suizid.“

Das 40 Jahre alte Transsexuellengesetz wird von vielen Transmenschen als demütigend empfunden. Es sieht beispielsweise vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Dabei müssen sie sich oft sehr intime Fragen gefallen lassen.

Auch der Frauenrat unterstützt das Vorhaben. „Wir sind überzeugt davon, dass das Recht auf Selbstbestimmung ein Gewinn für die ganze Gesellschaft ist, ein Schritt hin zu mehr Freiheit, Vielfalt und Inklusion“, sagte Vorsitzende Beate von Miquel dem RND.

Mit dpa/epd

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