Die Pannenwahl zum Berliner Abgeordnetenhaus liegt über ein halbes Jahr zurück und die Prüfung der Einsprüche dauert fort. Neue Dokumente aus den Wahllokalen offenbaren indes das Ausmaß des Fiaskos und begründen einen neuen Verdacht: Marcel Luthe, Jurist, Politiker und Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof, spricht mit „Cicero“ über Wahlmanipulation, Befangenheit und den desolaten Zustand der Demokratie.
Herr Luthe, nach und nach kommen immer mehr Pannen bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl ans Licht: Es kam zu massiven Verzögerungen im Ablauf, Stimmzettel fehlten oder wurden falsch ausgegeben. Welche Probleme gab es Ihrer Kenntnis nach noch?
Nun ja, die Liste ist lang: Es fehlten zum Beispiel nicht nur Stimmzettel, es wurden teils vorsätzlich falsche Stimmzettel an Wähler ausgehändigt. Dazu kommt, dass noch bis weit nach 18 Uhr, also nach dem eigentlichen Abstimmungszeitraum, in den Wahllokalen abgestimmt wurde. Nachweislich haben auch Minderjährige an der Wahl teilgenommen, weil keine Kontrolle stattfand, wer nur für die Kommunalwahl wahlberechtigt war. Ganz zu schweigen von der unsicheren Verwahrung der Stimmzettel Tage vorher und den immens langen Wartezeiten vor und in den Wahllokalen.