Protest in München

3700 Menschen bei Corona-Demo – Hunderte zogen Richtung Innenstadt

16.12.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Corona-Protest auf der Ludwigstraße in München (Foto: Stephan Rumpf/SZ)

Impfpflicht-Gegner und Pandemieleugner haben am Abend in München protestiert. Sie bejubelten sich als „Bürgerrechtsbewegung“. Gegen Ende der offiziellen Kundgebung spitzte sich die Lage zu.

„Impfen macht frei“ steht auf einem Plakat, vom „Great Reset“ ist auf einem anderen die Rede. Vom „Krieg gegen Corona-Terror und die Pandemie der Hypnotisierten“ ist zu lesen, von einer „Position der Stärke“ zu hören, in der sich die Versammelten sehen. Bis zu 3700 Menschen sind nach Polizeiangaben am Mittwochabend in der Münchner Maxvorstadt einem weiteren Demonstrationsaufruf der Gruppierung „München steht auf“ gefolgt, Impfpflicht-Gegner, Pandemieleugner und Anhänger von Verschwörungsideologien.

Anfangs blieb es recht friedlich. Doch nach dem offiziellen Ende der Kundgebung eskalierte am Abend die Situation: Die Polizei konnte nicht verhindern, dass sich etwa 500 Demonstranten in verbotenen Demonstrationszügen in Richtung Innenstadt bewegten, wie sie in der Nacht mitteilte. Die Demonstranten riefen Parolen gegen eine ihrer Ansicht nach drohende „Diktatur“ und schwenkten dabei eine umgedrehte Deutschlandflagge, ein Reichsbürgersymbol. Eine weitere Gruppe von ebenfalls rund 500 Menschen, die sich in die Theresienstraße bewegte, habe gestoppt werden können. Am Abend war zunächst von bis zu 2000 Corona-Leugnern die Rede, die sich von der stationären Versammlung entfernt hätten. Gegen den Versammlungsleiter wird nach Polizeiangaben nun wegen der Durchführung einer nicht angezeigten Versammlung ermittelt.

Die ursprünglich genehmigte Kundgebung in der Ludwigstraße endete gegen 20 Uhr. Insgesamt wurden am Abend 28 Menschen festgenommen, unter anderem wegen Beleidigungen oder Körperverletzung. Mehr als 18 Demonstranten wurden wegen Verstößen gegen die Maskenpflicht angezeigt.

Schon im Vorhinein waren die Debatten hitzig gewesen: Soll man sich die Auflagen der Stadt gefallen lassen oder nicht? Denn die Demonstranten durften diesmal nicht durch die Straßen ziehen, sondern mussten sich stationär auf der Ludwigstraße versammeln. Der Anmelder hatte nach Angaben der Stadt eine Kundgebung im Mittelteil der Ludwigstraße akzeptiert, offenbar zähneknirschend.

Auf seinem Telegram-Kanal fachte er zunächst den Unmut seiner Anhänger gegen das „behördliche Kasperletheater“ an, um tags darauf dann zurückzurudern und die Teilnehmer zur Zurückhaltung und zur Abhaltung eines „Maskenballs“ aufzurufen: „Wenn ihr zu verzweifelt, zu zornig seid um da mitzumachen, ist es vielleicht besser nicht hinzugehen.“ Für ihn offenbar vor allem eine Frage der richtigen Taktik: „Es geht hier um niederschwelligen Protest dem sich möglichst viele anschließen können“, schreibt Melchior I. auf seinem Telegram-Kanal. „Der Mittwochsumzug ist nur ein Teil des Protests und Protest ist nur ein Teil des Widerstands.“

Am Montag hatten sich unter die Teilnehmer einer nicht angemeldeten Versammlung auf dem Marienplatz nach Angaben von Beobachtern auch die Anhänger der obskuren „SHAEF“-Internet-Sekte gemischt. Deren Anführer, ein Anfang Dezember in Baden-Württemberg festgenommener angeblicher „Major Jansen“ hatte im Messenger-Dienst Telegram „Feindeslisten“ publiziert und Todesurteile ausgesprochen.

„Die Stimmung in den einschlägigen Chatgruppen wird schärfer“

Auch an den Diskussionen über die Mittwochsdemonstrationen beteiligen sich Anhänger rechter Verschwörungstheorien, unter anderem mit dem Slogan „Let’s go, Brandon“, einem Erkennungszeichen militanter Trump-Fans. „Solange der Schnittlauch Ruhe gibt“, schrieb im Vorfeld der Kundgebung ein User über die Münchner Polizei, werde man das auch tun. „Aber sobald Gefahr im Verzug ist und diese ohne Grund auf einen losgehen ist es vorbei dann wird angegriffen.“ Man wolle der Polizei keine Unannehmlichkeiten machen, sagte dagegen nun ein Redner vom Podium.

Die Münchner Polizei war am Abend zunächst mit knapp 400 Beamten im Einsatz, Verstärkung stand aber bereit. Sie hatten die Aufgabe, die Einhaltung der Auflagen für die angemeldete Kundgebung zu überwachen: Abstand, FFP2-Maskenpflicht, kein Demonstrationszug, Verbot gelber Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“. Während der Kundgebung distanzierten sich die Veranstalter von antisemitischen Parolen, die auch an diesem Abend auf Plakaten zu sehen waren, neben verschiedenen Nationalflaggen und der Regenbogenfahne.

Die seit Mai 2020 auch in München entstandene Szene mache aktuell so stark mobil wie zuletzt im vergangenen Herbst, betont die von der Stadt geförderte Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (Firm) in einer am Mittwoch, wenige Stunden vor der Kundgebung veröffentlichten Stellungnahme. Der harte Kern der Szene freue sich über das neue „Fußvolk“, wie es jüngst in einem ihrer Videos hieß, gemeint seien die neu auf den Versammlungen erschienenen Teilnehmer. „Die Stimmung in den einschlägigen Chatgruppen wird schärfer,“ so ein Firm-Sprecher. „Es wird auch über illegale und gewalttätige Aktionen gesprochen.“

Die, die am Mittwochabend in München auf die Ludwigstraße gingen, bejubelten sich dagegen als „eine Bürgerrechtsbewegung, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat“.

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

eins × eins =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien