Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein – Angehörige der Opfer fassungslos
Koblenz (Rheinland-Pfalz) – In der Todes-Flut im Ahrtal starben 135 Menschen. Schuld daran? Angeblich niemand! Fast drei Jahre nach der Katastrophe werden die Ermittlungen gegen Ex-Landrat Jürgen Pföhler (65, CDU) und den Technischen Einsatzleiter Michael Z. (54) eingestellt.
Es war ein gigantisches Ermittlungsverfahren mit 30 000 Seiten Akten. 11 000 Notrufe mussten ausgewertet werden. Mario Mannweiler, Leitender Oberstaatsanwalt in Koblenz in Rheinland-Pfalz, sprach von einem „Maximal-Ereignis“, das so nicht vorhersehbar war. Er erklärte am Donnerstag: „Nach umfassender Abwägung aller Ergebnisse ist nicht nachweislich, dass sich der damalige Landrat und der technische Einsatzleiter strafbar gemacht haben.“ Deshalb sei eine Verurteilung nicht wahrscheinlich.
Porsche-Landrat Pföhler, der in der Flut-Nacht fast komplett abtauchte, drohte eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen. Jetzt hat er einen „Freispruch erster Klasse“.
„Das ist ein Justiz-Skandal!“
Opfer-Anwalt Christian Hecken, der mehrere Hinterbliebene vertritt, zu BILD: „Die Einstellung der Ermittlungen ist ein Justiz-Skandal. Beispielsweise im Fall von Johanna Orth, die in Bad-Neuenahr-Ahrweiler in einer Erdgeschoss-Wohnung ertrank, steht fest, dass sie bei rechtzeitiger Warnung hätte gerettet werden können.“
Der Anwalt kündigt bereits an, dass er im Namen seiner Mandanten Beschwerde gegen die Entscheidung einlegen werde.
Das Todes-Drama in der Flut-Nacht
Rückblick: In der Nacht vom 14. auf 15. Juli 2021 wurden 135 Menschen von bis zu 10 Meter hohen Wassermassen in den Tod gerissen. Das jüngste Opfer war 4, das älteste 97. Über 9000 Gebäude wurden ganz oder teilweise zerstört, 17 000 Bewohner verloren ihr Hab und Gut.
Ex-Landrat Jürgen Pföhler ließ sich in der Nacht nur ein Mal bei der Einsatzleitung im Keller der Kreisverwaltung blicken – gegen 19.20 Uhr gemeinsam mit Ex-Innenminister Roger Lewentz.
Landrat ging nicht mehr ans Telefon
Danach war er offenbar nicht einmal mehr für Kreisbrandinspektor Z. am Handy zu erreichen. Mit seiner Geliebten telefonierte der Porsche-Landrat aber noch 13 Mal.
Gegen 22.30 Uhr soll er dann noch seinen roten Porsche Cayman aus einer Garage in Bad Neuenahr gerettet haben. Katastrophen-Alarm wurde aber erst um 23.09 Uhr ausgelöst. All das wurde im Flut-Untersuchungsausschuss des Landtags bekannt.
Das reicht offenbar nicht einmal für einen Prozess!
Christoph Arnold, Anwalt des ehrenamtlichen Feuerwehr-Chefs Michael Z., zu BILD: „Die Einstellung des Verfahrens gegen meinen Mandanten ist zutreffend. Er und alle anderen Feuerwehrleute haben alles ihnen Mögliche getan, um Leute zu retten. Mehr konnten sie mit den beschränkten Möglichkeiten nicht tun.“
„Opfern gilt unser tiefstes Mitgefühl“
Oberstaatsanwalt Mannweiler betonte zu Beginn: „Wir müssen uns zwingen, emotionslos, objektiv und nüchtern die Sach- und Rechtslage einzuordnen. Nicht, ob jemand charakterlich versagt hat.“
Mannweiler weiter: „Uns ist bewusst, welch unsägliches Leid die Katastrophe verursacht hat und wir wissen um viele menschliche Schicksale. Den Opfern und ihren Angehörigen gilt unser tiefstes Mitgefühl.“
Hinterbliebene der Opfer sind fassungslos. Ralph und Inka Orth, deren Tochter in der Todes-Flut starb, wollten als Nebenkläger erreichen, dass die Schuldigen für das „massive Staatsversagen“ zur Rechenschaft gezogen werden. Sie wollen nach BILD-Informationen weiter kämpfen!