Lush verkauft Körperpflegeprodukte und sorgt sich auch um die psychische Hygiene seiner Fans. Angeblich deshalb zieht sich die Kette nun von Plattformen wie Facebook und Instagram zurück. Ist das mehr als nur ein PR-Stunt?
Lush hat genug gesehen und gepostet: Als öffentlichkeitswirksame Protestaktion legt das Kosmetikunternehmen, das unter anderem für sogenannte Badebomben bekannt ist, mehrere seiner Social-Media-Kanäle still. Ab Freitag ziehe man sich bis auf Weiteres weltweit von Facebook, Instagram, Snapchat und TikTok zurück, teilt das Unternehmen mit – so lange, »bis diese Plattformen ein sicheres Umfeld für ihre Nutzer*innen bieten«.
»Leider entwickeln sich mehrere Social-Media-Plattformen immer mehr zu Plätzen, zu deren Besuch wir unsere Kund*innen niemals ermutigen würden«, wirft Lush den Onlinediensten vor und verweist auf die Enthüllungen der Facebook-Whistleblowerin Frances Haugen. Man sehe es als eigene Pflicht, »unsere Kund*innen vor den Folgen und Manipulationen sozialer Medien zu schützen, denen sie ausgesetzt sind, wenn sie über diese Plattformen mit uns kommunizieren«.
Weiter Warten sei keine Option, sagt Jack Constantine, Lushs Chief Digital Officer, dem SPIEGEL: »Irgendwann ist das Fass einfach voll.«
In Großbritannien gab es bereits einen ähnlichen Vorstoß
Lush kritisiert die sozialen Medien nicht zum ersten Mal. Schon 2019 hatte das Unternehmen in Großbritannien Accounts unter anderem bei Facebook und Instagram eingefroren. Damals hieß es, man sei müde davon, »mit Algorithmen zu kämpfen« und wolle kein Geld dafür zahlen, in Newsfeeds aufzutauchen.
Beim jetzigen Schritt wirkt die Begründung diffuser. Statt um sich selbst und seine Reichweite sorgt sich das Unternehmen nun angeblich um die psychische Gesundheit seiner Fans in den Netzwerken, die es mit solchen Postings umwirbt: »Ja es ist wahr, ein paar sehr luxuriöse Badebomben sind auf dem Weg zu uns, darunter nicht nur Neuheiten – sei gespannt.«
Es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen die Praktiken der Social-Media-Konzerne scharf kritisieren. Im Sommer 2020 etwa sorgte die Initiative »Stop Hate for Profit« dafür, dass Hunderte Firmen Facebook zumindest vorübergehend Anzeigengelder entzogen, damit das Netzwerk konsequenter gegen Hass- und Hetzkommentare vorgeht. Der finanzielle Druck, der ausgeübt wurde, hielt sich aber in Grenzen.
Facebook hat gerade noch ganz andere Probleme
Die Ankündigung von Lush dürfte in Mark Zuckerbergs Unternehmen keine Panik auslösen, sie ist einer von vielen Nackenschlägen in diesem Herbst. Im Zuge der sogenannten Facebook Files steht Meta, wie sich der Konzern hinter dem sozialen Netzwerk seit Kurzem nennt, seit Wochen medial in der Kritik.
Ganz kaltlassen dürfte die Initiative Meta aber auch nicht. Lush spricht viele Mädchen und jüngere Frauen an, das passt gut zu Instagram. Jene Plattform ist für Lush auch die wichtigste der vier, denen es nun den Rücken kehrt. Allein die deutschsprachigen Instagram-Kanäle von Lush haben rund 100.000 Follower, der Schritt des Unternehmens betrifft aber 48 Märkte weltweit.
Lush selbst inszeniert sich als Unternehmen, dem es vor allem um das Wohlbefinden seiner Kundinnen und Kunden geht, um Themen wie Tierwohl und Nachhaltigkeit. Die britische Firma stand in Deutschland aber auch schon wegen ihres Umgangs mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Kritik.
Das fordert Lush von den Unternehmen
Sein aktueller Vorstoß wirft die Frage auf, wie realistisch das Unternehmen seinen Einfluss auf seine Zielgruppe einschätzt: Bewahrt es wirklich irgendwen vor den Schattenseiten der sozialen Medien, indem es keine Gute-Laune-Botschaften oder Werbung mehr postet? Bei mehreren Milliarden Nutzerinnen und Nutzern allein der Facebook-Netzwerke darf man schließlich davon ausgehen, dass nur ein Bruchteil jener Menschen dort primär wegen eines Seifenherstellers aktiv ist.
Auf Anfrage des SPIEGEL fordert Lush-Manager Jack Constantine, die Techfirmen sollten aufhören, sich im Wesentlichen auf die Steigerung des Engagements durch Klicks und Shares zu konzentrieren. Es sei eine Masche, Nutzerinnen und Nutzer der Plattformen in kleine Nischen zu locken, so Constantine, »wo sie hängen bleiben und sich Inhalte ansehen, die nicht unbedingt gesund für sie sind«. Die Unternehmen sollten »sich das eingestehen und diese Methoden abschaffen«.

Foto: Richard Skins / Lush
Auf die Plattformen zurückkehren werde man erst, wenn man sehe, dass die Enthüllungen von Frances Haugen ernst genommen werden, sagt Constantine. Die Firmen müssten die Gesundheit der Menschen über die Anzahl der Likes stellen »und nicht kontinuierlich Inhalte verbreiten, die negative Auswirkungen haben, aber gut für das Engagement sind«. Er wünsche sich zum Beispiel neue Funktionen, die »fesselnde Algorithmen eindämmen«.
Seltsam wirkt angesichts solcher Begründungen, dass Lush auf einigen Kanälen wie Twitter und YouTube weiter vertreten bleibt. Vor allem Googles Videoplattform wird seit Jahren vorgeworfen, zu wenig gegen Verschwörungsmythen zu tun und Nutzerinnen und Nutzer durch ihre Empfehlungen an radikale Inhalte heranzuführen. Damit konfrontiert, sagt Constantine, Twitter und YouTube würden »die Algorithmen nicht dazu zwingen, eine Mentalität des geistlosen Scrollens zu schaffen«. Und auch, wenn Lush Twitter und YouTube vorerst weiter nutzen werde: Man wolle sorgfältig darauf achten, »wie wir sie nutzen«.
Der Idee, der Social-Media-Rückzug seines Unternehmens ließe sich auch als PR-Stunt fürs Weihnachtsgeschäft sehen, widerspricht Constantine. Kurzfristig werde der Rückzug Lush sogar Umsatz kosten, behauptet er, und spricht von zehn Millionen Pfund. Er sagt aber auch, er denke, »dass wir das letztendlich wieder reinholen können«.