Sendung mit Laschet

„War ein Fehler“: Maaßen-Vorwurf bringt Anne Will nach Talk in Bedrängnis – sie löscht ihren Tweet

12.05.2021
Lesedauer: 7 Minuten

Der Laschet-Auftritt bei Anne Will rückt in den Hintergrund. Der Antisemitismus-Vorwurf gegen Hans-Georg Maaßen wiegt schwer. Die Moderatorin entschuldigt sich.

Update vom 11. Mai, 09.30 Uhr: Der Sonntagabend-Talk bei Anne Will sorgt auch in der neuen Woche für Schlagzeilen. Auslöser für die erneuten Diskussionen sind die Antisemitismus-Vorwürfe gegenüber CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen. Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer warf dem Ex-Verfassungsschutzchef vor, antisemitische und rassistische Inhalte zu verbreiten. Einen Beleg für ihre Anschuldigungen blieb die 25-Jährige schuldig. Einen Tag nach der Sendung bemühte sich Talk-Gastgeberin Anne Will um Quellen für die Antisemitismus-Vorwürfe. Auf Twitter teilte sie Inhalte des Blogs „Union Watch“ – und kassiert heftige Kritik dafür.

Anne Will teilt Inhalte des „Union Watch“-Blogs – Entschuldigung folgt wenig später

Nach eigenen Angaben berichtet der Blog über die Schwesterparteien „CDU, CSU und ihre Skandale“. Will teilte auf Twitter einen Beitrag des Blogs, der Neubauers Antisemitismus-Vorwurf gegen Hans-Georg Maaßen bekräftigt. Mit ihrem Tweet löst Anne Will heftige Kritik aus. „Ein Kanal, der sich ‚Union Watch‘ nennt und die Übergänge zwischen CDU/CSU und rechtem Terror für fließend hält, ist keine seriöse Quelle“, kritisiert etwa NZZ-Journalist Marc Felix Serrao auf Twitter.

Will reagiert auf die Kritik – und löscht den Tweet. Wenig später folgt die Entschuldigung der 55-jährigen Journalistin: „Ich habe heute früh einen Thread geteilt. Das war ein Fehler. Ich bitte um Entschuldigung“. Aus der Welt ist der Zwist trotzdem nicht. Jetzt meldet sich „Union Watch“.

Anne Will zu öffentlicher Entschuldigung aufgefordert

Die Macher des „Union Watch“-Blogs reagierten am gestrigen Montag. In einem offenen Brief fordern sie Anne Will zu einer öffentlichen Entschuldigung auf. Die Talk-Gastgeberin habe mit der Löschung ihres Tweets dem Ruf des Blogs „massiv geschadet“. Die Macher hinter „Union Watch“ klagen, dass Will den Blog als „unseriöse Quelle“ diskreditiere. Nach eigenen Angaben nutzte „Union Watch“ eine Vielzahl an Quellen, um die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Hans-Georg Maaßen zu untermauern. Bislang blieb eine neuerliche Entschuldigung Anne Wills aus.

Erstmeldung vom 10. Mai: Das Thema des „Anne Will“-Talks im Ersten könnte auch „Armin Laschet“ heißen. Doch Will greift zum provokanteren Titel, fragt „Kann die Union noch Kanzleramt?“ und startet ihre Sendung mit einem 25 Minuten langen Laschet-Interview.

Bloß ein Warmlaufen für den Unions-Kandidaten, wie sich im Laufe der Sendung herausstellen wird. Die wirkliche Herausforderung kommt wenig später mit der „Fridays for Future“-Aktivistin Luisa Neubauer. Sie nimmt sich den CDU-Parteivorsitzende mit bissigem Ton zur Brust und macht als Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen keinen Hehl aus ihrer offensichtlichen Antipathie gegen die politische Haltung der Union. Vor allem beim Thema Klimaschutz und AfD setzt Neubauer Laschet die Pistole auf die Brust und verdeutlicht, wo die junge, engagierte Wählerschaft politisch steht.

„Anne Will“ – diese Gäste diskutierten mit:

  • Armin Laschet (CDU) – Ministerpräsident von NRW, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat
  • Luisa Neubauer (Bündnis 90/ Die Grünen) – „Fridays for Future“-Aktivistin
  • Prof. Dr. Ursula Münch – Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing
  • Martin Machowecz – Redaktionsleiter der „Zeit im Osten“

Doch zunächst das Gespräch mit Will. Laschet kann in dem professionellen Talk zeigen, wieviel Polit-Profi in ihm steckt. Die erste Herausforderung meistert er gut: Sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Anne Will: „Wo bleibt das Wahlprogramm?“ Laschet: „Die CDU hatte verabredet, so wie in den letzten drei, vier Wahlkämpfen unser Wahlprogramm sehr spät zu machen, um auch auf aktuelle Entwicklungen Antworten geben zu können.“ Es wird im Juni ein „ambitioniertes Wahlprogramm“ geben, verspricht Laschet. Und: Gemeinsam mit der CSU!

Anne Will: „Wird Merz Minister?“ Laschet wehrt ab: „Der Wähler findet es nicht witzig, wenn alle sich unterhalten, wer was wird.“ Dann geht’s um Söder. Will: „Erweist es sich als Fehler, dass die Union mit Ihnen und nicht mit Markus Söder antritt?“. Laschet: „Ich habe schon viele Umfragen erlebt“ – er erinnert an die letzte NRW-Wahl. Auch dort hatte man ihm den Wahlsieg im Vorfeld abgesprochen. Anne Will rührt weiter in der Wunde: „Sie gelten als Kandidat des Hinterzimmers …“ Laschet ruhig: „Der Bundesvorstand, fünfzehn Landesverbände, Mittelstandvereinigung, Sozialflügel, Junge Union … Alle waren mit großer Mehrheit der Meinung: Wir haben die größten Chancen mit meiner Kandidatur!“.

Laschet reagiert überraschend gelassen bei Söder-Fragen von Anne Will

Laschet findet, am Ende sei die Frage entscheidend: „Wem trauen wir zu, die Folgen dieser Pandemie zu bewältigen?“ Und zählt auf: „Wirtschaftliche Folgen, das Insolvenzrecht endet, die Kurzarbeit endet. Viele Defizite in der digitalen Verwaltung.“ Laschet selbstbewusst – mit subtilem Seitenhieb gegen Grünen-Kandidaten Annalena Baerbock, die sich schon mehrfach für ihre fehlende Regierungserfahrung rechtfertigen musste: „Ich werde einbringen, was ich als Regierungschef eines großen Industrielandes seit Jahren mache.“

Doch zu früh gefreut für Laschet, der zufrieden in die Runde schaut. Anne Will gibt den Stab an Luisa Neubauer weiter. Die Aktivistin – so scheint es – ist nicht als Gast in der Runde eingeplant, sondern eher für die Rolle der Bad-Cop-Fragestellerin vorgesehen – und alles andere als zimperlich …

Zunächst stellt Neubauer resolut klar, wieso ihre Bewegung die CDU vor dem Bundesverfassungsgericht verklagte und das Klimaschutzgesetzes der Bundesregierung kippte. Neubauer: „Wir haben geklagt, weil über Jahre und Jahrzehnte Deutschland und die CDU ökologische Krisen produziert und nicht abgewendet haben“. Dass die Union das Gesetz nachbesserte und nun auf Klimapartei mache, schmeckt dem Grünen-Mitglied überhaupt nicht.

Es klingt fast der Vorwurf der Heuchelei durch, wenn Neubauer Laschet entgegenwirft: „Auch jetzt werden wieder nur Klimaziele gesetzt, die dem Pariser Abkommen nicht gerecht werden.“ Es fehle eine klare Haltung zu Energiebudgets, Deutschland müsste das Ziel – Netto-Null-Emissionen – eher bis 2030 oder 2035 erreichen und nicht 2050, wie von der Union vorgegeben. Laschet versucht einen Kompromiss, sagt, man müsse „in den Zielen ambitiöser werden“, stellt aber auch klar, dass er den Blick für die Wirtschaft nicht verlieren will. Sein Argument: „Es nützt dem Klimawandel nichts, wenn die Industrie nach China abwandert und dort weitaus klimaunfreundlicher betrieben wird.“

Neubauer gerät mit Laschet vor laufender Kamera bei „Anne Will“ aneinander

„Wow!“, so Neubauer zynisch und wirft Laschet versäumte Möglichkeiten im letzten Jahrzehnt an den Kopf, in dem schon längst auf grüne Industrie umgestaltet hätte werden können. Stattdessen sei u.a. der Kohleausstieg „verschleppt“ worden, befindet Neubauer. Laschet spielt den Ball zurück: Die Grünen vor ihm hätten die „falsche Prioritätenreihenfolge“ gehabt, weil sie aus der Kernenergie und nicht aus Kohle rausgewollt und das in der NRW-Regierung mitgetragen hätten.

Prof. Ursula Münch springt überraschend Neubauer zur Seite: Themen wie Breitbandausbau und Bürokratisierung wären auch schon „vor der Pandemie“ erkennbar gewesen. Die Politikwissenschaftlerin will wissen: „Warum ist da in den letzten 15 Jahren nichts geschehen?“. Maßnahmen und Aufgaben seien nicht vorgegeben worden. Prof. Münch: „Daran hat es bisher katastrophal gefehlt“.

Der Journalist Martin Machowecz gibt dagegen Laschet Schützenhilfe: „Die CDU muss eine Versöhnung herstellen, um auch Leute vom Land einzubinden, die Auto fahren und ein Mal im Jahr in den Urlaub fliegen wollen.“ Klimaschutz funktioniere nur mit einer breiten Unterstützung in der Gesellschaft, so Machowecz. Das ginge nicht nur mit „hippen Großstädtern, die das sowieso schon alles klasse finden.“

AfD: Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer wirft Laschet Antisemitismus vor

Nächstes Konflikt-Thema: Die steigenden Umfragewerte der AfD – vor allem in den östlichen Bundesländern. Laschet macht für seine Partei deutlich: „Es wird sich jeder die Zähne ausbeißen, wenn es um die Frage der AfD geht. Mit denen wird nicht geredet, nicht gesprochen, nicht kooperiert und nicht koaliert.“ „Sie legitimieren rassistische, antisemitische, identitäre und übrigens auch wissenschaftsleugnerische Inhalte, verkörpert durch Hans-Georg Maaßen“, behauptete Neubauer. „Das hätten Sie ganz klar verurteilen müssen.“

Laschet – der sich im Vorfeld vom ehemaligen Verfassungschef distanziert hatte – stellt die Vorwürfe deutlich in Frage: „Er ist nicht Antisemit und er verbreitet auch keine antisemitischen Texte. Wenn er es täte, wäre es ein Grund zum Parteiausschluss! Da bin ich streng.“ Laschet fordert von Neubauer Belege für ihre Behauptung. Anne Will eilt ihr zur Hilfe: „Schauen wir uns noch an“, verspricht sie rasch. „Versuchen wir zu belegen. Ich weiß es jetzt aus dem Hut auch nicht.“

Das war Wahlkampf pur – aber statt Show-Bühne für Laschet eher knallhartes Casting-Show-Programm.

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