Eine Studie, bei der die Zuschauer des erzkonservativen US-Senders Fox News Geld dafür erhielten, CNN zu gucken, gibt Aufschluss über den Einfluss der Medien auf die Ansichten der Menschen.
Fox-News-Zuschauer leben häufig in einem eigenen Universum: Der erzkonservative US-Sender macht ihnen weis, dass eine Verschwörung aus ausländischen Mächten, Wahlfirmen und Politikern der Demokraten Donald Trump 2020 den Wahlsieg gestohlen hat, dass lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, transgender und queere Menschen auf einem Kreuzzug sind, um Kinder so zu „erziehen“, dass sie selbst LGBTQ werden, dass Covid-19 Männer weiblicher und schwächer macht und mit dem Wurmmittel Ivermectin behandelt werden kann, dass der Klimawandel nichts mit den Menschen zu tun hat und dass Impfen gefährlich, Wladimir Putin aber eher harmlos ist.
Fox-News-Fans gucken für 15 Dollar pro Stunde CNN
Zwei Politikwissenschaftler in den USA wollten wissen, was geschieht, wenn man diese Zuschauer aus ihrem Universum herausholt. Im September 2020, zum Höhepunkt des Präsidentschaftswahlkampfes zwischen Trump und seinem Nachfolger Joe Biden, bezahlten David Broockman von der University of California in Berkeley und Joshua Kalla von der Yale University eingefleischten Fox-News-Zuschauern 15 Dollar pro Stunde dafür, sich einen Monat lang bis zu sieben Stunden in der Woche das Programm des Konkurrenzsenders CNN anzusehen. Mithilfe von Echtzeit-Quizfragen zur Berichterstattung und Anschluss-Befragungen nach den Sendungen wurde sichergestellt, dass die 304 Teilnehmer – allesamt streng konservative Anhänger der Republikaner – tatsächlich CNN guckten. Eine Kontrollgruppe von 459 Fox-News-Zuschauern behielt parallel ihre üblichen Fernsehgewohnheiten bei.
Was Broockman und Kalla dabei herausfanden, haben sie nun in einer Studie mit dem Titel: „Die vielfältigen Auswirkungen von parteiischen Medien auf die Überzeugungen und Einstellungen der Zuschauer: Ein Feldexperiment mit Fox News-Zuschauern“ veröffentlicht. Obwohl gewohnheitsmäßige Fox-Zuschauer größtenteils sehr parteiisch seien, habe die Änderung ihres Medienkonsums „vielfältige Auswirkungen auf ihre faktischen Überzeugungen, Einstellungen, Wahrnehmungen der Wichtigkeit von Themen und allgemeinen politischen Ansichten“ gehabt, schreiben die Wissenschaftler.
Ein Großteil der Nachrichten im September 2020 drehte sich um Polizeigewalt gegen Afroamerikaner und die Black-Lives-Matter-Proteste, um den Präsidentschaftswahlkampf und die Behauptung von Trump und den Republikanern, Briefwahl führe zu mehr Wahlbetrug und um den Kampf gegen die Corona-Pandemie. Wie sich die Ansichten der Versuchsteilnehmer zu diesen Themenbereichen veränderten, hat der Bloomberg-Kolumnist Matthew Yglesias aus der Studie herausgefiltert:
Demnach glaubten die Zuschauer, die zu CNN gewechselt waren, verglichen mit denen, die weiterhin Fox News schauten:
- mit fünf Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit, dass Menschen unter Long-Covid leiden
- mit sechs Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit, dass viele ausländische Staaten das Virus besser unter Kontrolle haben als die USA
- mit zehn Prozentpunkten geringerer Wahrscheinlichkeit, dass die Anhänger von Joe Biden froh sind, wenn Polizisten erschossen werden
- mit 13 Prozentpunkten geringerer Wahrscheinlichkeit dass, wenn Biden gewählt würde, „viel mehr Polizisten von Black-Lives-Matter-Aktivisten erschossen werden“.
- Und mit mit sieben Prozentpunkten höherer Wahrscheinlichkeit befürworteten sie die Briefwahl.
„Das sind bedeutsame Unterschiede, auch wenn die Gruppe, die zu CNN wechselte, in ihrer Sicht der amerikanischen politischen Landschaft sehr weit rechts blieb“, schreibt Yglesias. Zumal das Experiment nur einen Monat gedauert habe und Trump jahrelang CNN und andere ihm nicht genehme Medien als angebliche Fake News diskreditiert hatte.
Broockman und Kalla zufolge sind die festgestellten Effekte zum Teil auf eine Verzerrung zurückzuführen, „die wir als parteiische Filterung der Berichterstattung bezeichnen, bei der parteiische Sender selektiv über Informationen berichten, was dazu führt, dass die Zuschauer eine unausgewogene Faktensammlung erlernen“. Dementsprechend seien die CNN-Konsumenten auch zu dem Schluss gekommen, dass Fox News negative Informationen über Präsident Trump verheimliche. In ihrer Studie stellen die Autoren fest, dass sowohl CNN als auch Fox News eine „enorme Filterung der Informationen vornehmen, die sie den Zuschauern präsentieren“.
„Parteiliche Medien verschaffen ihrer Seite nicht nur einen Wahlvorteil – sie können auch eine Herausforderung für die demokratische Rechenschaftspflicht darstellen“, schreiben die Wissenschaftler. „Wie kann ein Wähler einen Politiker für ein Fehlverhalten zur Rechenschaft ziehen, wenn er nicht weiß, dass dieses Fehlverhalten stattgefunden hat? Oder wie können die Wähler einen parteilosen Politiker für eine gute Leistung belohnen, wenn das von ihnen gewählte Mediennetzwerk sie nicht darüber informiert?“
Die Meinungsänderungen der CNN-Nutzer waren allerdings nur von kurzer Dauer. In seiner Analyse des Berichts stellt der Korrespondent der „Washington Post“, Philip Bump, fest, dass sie „zurückgingen, als die behandelten Teilnehmer in erster Linie zu ihren früheren Sehgewohnheiten zurückkehrten“. Kurz gesagt: Die Fox-Zuschauer änderten ihre Ansichten, als sie einen Blick auf die Realität außerhalb ihrer Informationsblase werfen konnten. Doch als sie sich wieder Fox zuwandten, kehrten sie auch in ihr altes Universum zurück.