Grüne Kulturstaatsministerin

So verteidigt Claudia Roth das Verbot der russischen Propaganda-Medien

03.03.2022
Lesedauer: 5 Minuten
„Der russische Präsident wird seinen Kurs nicht ändern“, sagt WELT-Russlandkorrespondent Christoph Wanner zu Putins Reaktion auf Bidens Rede. Der Kremlchef kontrolliere und zensiere mittlerweile die russischen Medien. Krieg zu erwähnen werde derzeit nicht geduldet. Quelle: WELT

Die EU hat Russlands Staatsmedien RT und Sputnik verboten. Kulturstaatsministerin Roth (Grüne) findet das richtig, da die Sender „zentrale Instrumente in einem vermeintlichen Informationskrieg“ seien. Manche Medienpolitiker sehen den Schritt kritisch – auch in Roths Fraktion.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) hat das im Zuge der Sanktionen gegen Russland verhängte Verbot der russischen Staatsmedien RT (früher Russia Today) und Sputnik in Europa verteidigt. „Bei Russia Today und Sputnik handelt es sich aus Sicht des Putin-Regimes um zentrale Instrumente in einem vermeintlichen Informationskrieg. Auch in Bezug auf den blutigen Angriffskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine“, sagte Roth WELT.

So seien inzwischen auch die letzten unabhängigen Medien in Russland verboten worden. „In aller Brutalität liegt nun offen, dass und wie Putin einen Feldzug gegen die Idee und Grundprinzipien der Demokratie führt.“

Roth wies darauf hin, dass der deutsche Ableger RT DE in der Bundesrepublik keine Sendelizenz habe, sondern illegal über Internet und Satellit ausstrahle. Die zuständige Medienanstalt Berlin-Brandenburg will daher ab Freitag ein Zwangsgeld von 25.000 Euro verhängen. Da Russia Today und Sputnik Wirtschaftsunternehmen des russischen Staates seien, habe die EU sich zudem zu Sanktionen entschlossen, sagte Roth. „Die wirtschaftlichen Sanktionen der Europäischen Kommission unterstützen so unser konsequentes medienrechtliches Vorgehen gegen RT DE. Das ist auch eine Frage der europäischen Solidarität mit den Ländern, die anders als wir sich weniger gegen Fake-News geschützt haben.“

Claudia Roth (Grüne): „Wir schränken auch nicht die Arbeit einzelner Journalisten ein“
Claudia Roth (Grüne): „Wir schränken auch nicht die Arbeit einzelner Journalisten ein“
Quelle: dpa

Die Grundsätze zum Schutz unabhängiger und vielfältiger Medien werde von dem Verbot der Tätigkeit der beiden russischen Medienunternehmen nicht angetastet, stellte Roth klar: „Wir schränken auch nicht etwa die Arbeit einzelner Journalistinnen und Journalisten ein, diese ist unter Wahrung der journalistischen Sorgfaltspflichten selbstverständlich weiter möglich.“

Die EU hatte den Beschluss zum Verbot der beiden Sender im Rahmen der Sanktionen gegen Russland gefasst. Kabel- und Satellitenbetreiber dürften die Programme nicht mehr in der EU ausstrahlen; Internet-Anbieter müssten den Zugriff auf die Webseiten der Medien blockieren, heißt es darin. Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will die EU damit „die Propaganda-Maschinerie des Kremls auf Eis legen“. Die Maßnahme muss nun von den Medienregulierern der EU-Staaten umgesetzt werden.

„Konterkariert unsere Argumentation von einem freien Europa“

Unter Medien- und Menschenrechtsexperten des Bundestags ist das Vorgehen der EU allerdings umstritten. Die Sorge ist groß, mit dem Bann der Staatssender letztlich dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Hände zu spielen. „Ein generelles EU-Sendeverbot für RT und Sputnik ist in der aktuellen Situation sicherlich ein effektives Mittel, um im Informationskrieg Putins gezielt gegen einzelne Verbreitungsformen vorzugehen“, sagt etwa Thomas Hacker, medienpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die Frage sei jedoch, ob es wirklich klug sei.

„Ein EU-Verbot wird natürlich vom Gegner automatisch als Zensur gewertet und schwächt unsere Argumentation als freie demokratische Welt“, so Hacker. „Wenn wir politisch diesen Schritt gehen, dann liefern wir auch Argumente für das Kreml-Regime, uns als Feinde des russischen Volkes zu diskreditieren – das muss uns bewusst sein.“

„Russland wird wieder die Zensurkeule schwingen, was unsere Argumentation von einem freien Europa konterkariert“, fürchtet auch Peter Heidt, menschenrechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die Deutsche Welle und andere Auslandssender bekämen nun sicherlich keinen Zugang mehr zu Russland, „um durch freie und demokratische Berichterstattung überhaupt noch in die russische Zivilgesellschaft wirken zu können“. Dennoch sei es „dringend geboten“, wegen des Sendens ohne Lizenz ein Bußgeld gegen RT DE zu verhängen, stellte Heidt klar.

Gegen die Sanktionen ist auch Jürgen Braun, menschenrechtspolitischer Sprecher der AfD im Bundestag. „Wenn man eine freiheitliche Gesellschaft mit Meinungsfreiheit haben will, dann muss man auch ertragen, dass es verschiedene Stimmen und Positionen gibt“, meint Braun. „Wie will man Putin dafür kritisieren, dass er unabhängige Radio- und Fernsehsender verbietet, wenn man selbst relativ unbedeutende Kanäle wie RT und Sputnik abstellt? Diese Aktion schwächt unsere Glaubwürdigkeit.“

Grünen-Medienpolitikerin Tabea Rößner nannte Sperrungen oder Verbote von Medienangeboten ein „sehr scharfes Schwert“.„Auch wenn der Wunsch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine nachvollziehbar ist, Propaganda-Sender des Kremls europaweit zu sperren oder einzuschränken, unterliegen solche weitreichenden Entscheidungen gerade aufgrund unserer Historie einer staatsfernen Medienregulierung. Dabei sollte es bleiben“, sagte Rößner WELT. „Staatlich verordnete Verbote können willkürlich wirken und dem Vertrauen in journalistische Medien und ihrer Unabhängigkeit großen Schaden zufügen.“

Das Verbot sei „konsequent und richtig“, sagte hingegen die medienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Christiane Schenderlein (CDU). „Der Krieg wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Desinformation und Falschinformationen geführt.“

Der SPD-Medienpolitiker Helge Lindh sagte WELT, Putins Desinformationskampagne nehme es sich bereits seit Jahren zum Ziel, Demokratien zu spalten und zu destabilisieren. „Das Gift der Propaganda, Desinformation und Lüge ist gerade in Kriegszeiten tödlich“, sagte Lindh. „Eine freie Gesellschaft muss das nicht aushalten. Sie darf das nicht aushalten, muss wehrhaft sein, wenn sie frei bleiben will.“

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