Ein millionenschweres Finanzpaket sollte angeschlagenen Zeitungen und Radios zugutekommen. Regierung und Parlament hatten einem entsprechenden Gesetz bereits zugestimmt. In einer Volksabstimmung lehnte es aber die Mehrheit der Schweizer ab, ebenso wie Tabakwerbung und ein Tierversuchsverbot.
Die Schweizerinnen und Schweizer haben am Sonntag ein umstrittenes neues Gesetz zur Medienförderung abgelehnt. Laut einer ersten Hochrechnung, die das Schweizer Radio und Fernsehen in Zürich verbreiteten, stimmten 56 Prozent der Stimmberechtigten gegen das Millionenpaket für die Medien.
Regierung und Parlament in Bern hatten einem entsprechenden Gesetz bereits zugestimmt. Jetzt ist es aber gescheitert. Die Gelder sollten vor allem finanziell angeschlagenen Zeitungen und Privatradios zugutekommen. Nur so könne künftig gewährleistet werden, dass über alle Regionen des viersprachigen Landes berichtet wird, hieß es aus der Regierung. „Das ist wichtig für die Bevölkerung und die direkte Demokratie.“ Parteien links der Mitte und große Teile der Medien hatten sich für das Medienpaket starkgemacht.
Die Gegner des Medienpakets fanden sich im bürgerlichen Lager und bei der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei. Sie erzwangen mit einer Unterschriftensammlung das Referendum. Sie warnten, dass der Staat mit dem neuen Gesetz die freien Medien „kaufe“ und somit einen Stützpfeiler der Demokratie einreiße.
Subvention für Zustellung von Zeitungen
Das Medienpaket sollte 151 Millionen Schweizer Franken jährlich (143 Millionen Euro) umfassen und wäre aus den Einnahmen der bestehenden Radio- und Fernsehabgabe sowie über den Bundeshaushalt finanziert worden. Mit einem Großteil sollte die Zustellung von Zeitungen subventioniert werden.
Die bereits bestehende Zustellermäßigung sollte mit dem Maßnahmenpaket erhöht und auf mehr Zeitungen, auch mit größerer Auflage, ausgedehnt werden. Außerdem war eine Erhöhung der Unterstützung für private Lokalradios und das Regionalfernsehen geplant, auch einheimische Online-Medien hätten gefördert werden können.
Die Schweizer Zeitungen (Tages-, regionale Wochen- und Sonntagspresse) nahmen im Jahr 2000 mit Inseraten noch mehr als zwei Milliarden Franken (1,9 Milliarden Euro) ein, im Jahr 2020 lag die Summe unter 500 Millionen Franken (473 Millionen Euro).
Mehrheit der Schweizer für Tabak-Werbeverbot
Die Schweizer haben am Sonntag zudem für ein weitgehendes Tabak-Werbeverbot gestimmt. Ersten offiziellen Ergebnissen zufolge stimmten 54 Prozent der Wähler und zugleich eine Mehrheit der Kantone für die Volksinitiative „Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung“.
„Wir sind extrem zufrieden“, sagte Stefanie de Borba von der Schweizer Krebsliga der Nachrichtenagentur AFP. „Die Leute haben verstanden, dass die Gesundheit wichtiger ist als wirtschaftliche Interessen.“
In der Schweiz ist anders als in den meisten anderen Industrieländern bislang Tabakwerbung außer im Fernsehen und Radio erlaubt. Kritiker führen dies darauf zurück, dass einige der größten Tabakkonzerne ihren Sitz in der Schweiz haben. Die Volksinitiative verlangt, dass Werbung für Tabakprodukte überall dort verboten wird, wo sie für Kinder und Jugendliche sichtbar ist – etwa auf Plakaten, in Kinos oder im Internet.
Nein zu radikalem Tierversuchsverbot
Tierversuche bleiben in der Schweiz weiterhin erlaubt. Nur 21 Prozent der Schweizer sprachen sich in einer weiteren Volksabstimmung am Sonntag gegen den Vorschlag von Tierschützern aus, solche Experimente in der Verfassung als Quälerei und Verbrechen einzustufen. Bei einer Annahme wäre die Schweiz das erste Land weltweit geworden, das Tierversuche bedingungslos verboten hätte. Auch der Import von neuen Medikamenten, die mit Tierversuchen entwickelt wurden, sowie die Forschung am Menschen wären untersagt worden.
Einer Statistik der Regierung zufolge starben 2020 in der Schweiz mehr als 550.000 Tiere bei Laborversuchen, darunter 400.000 Mäuse und Ratten, fast 4600 Hunde, 1500 Katzen und 1600 Pferde. Auch Primaten, Kühe, Schweine, Fische und Vögel wurden während und nach Versuchen getötet.
Die Befürworter der Initiative vertraten die Meinung, dass Medikamente auch ohne Tierversuche entwickelt werden können. Die Regierung und das Parlament lehnten den Vorschlag dagegen ab. Forschung und Entwicklung würden sehr stark eingeschränkt und Arbeitsplätze gefährdet, so die Begründung. Die Schweiz habe schon jetzt eines der strengsten Gesetze für Tierversuche.
Aufatmen dürfte auch die Schweizer Pharmabranche, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes. Die Konzerne Roche und Novartis gehören weltweit zu den führenden Arzneimittel-Herstellern. Die im Großraum Basel konzentrierte Industrie, die mit rund einem Drittel der Warenexporte der Wachstumsmotor des Landes ist, drohen aber noch andere Gefahren wie etwa der Ausschluss der hiesigen Universitäten aus Forschungsprogrammen der Europäischen Union oder Steuererhöhungen.
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