Antisemitismus-Skandal bei Deutscher Welle

Rundfunkrat-Chef spricht von „notwendigen Konsequenzen“

16.12.2021
Lesedauer: 4 Minuten
Dr. Karl Jüsten, Präsident des Rundfunkrates der „Deutschen Welle“ Foto: picture alliance / Flashpic

Nachdem der deutsche Auslandssender „Deutsche Welle“ (DW) wegen mehrerer Antisemitismus-Vorwürfe in der Kritik stand, meldet sich jetzt der Präsident des DW-Rundfunkrates Dr. Karl Jüsten zu Wort.

„Ich begrüße die Entscheidung des Intendanten, lückenlos die Vorfälle aufzuarbeiten und seinen Willen, auf Basis der Erkenntnisse notwendige Konsequenzen zu ziehen“, sagte Jüsten auf BILD-Anfrage.

Hintergrund: Die „Süddeutsche Zeitung“ deckte Ende November auf, dass sich Mitarbeiter der arabischen Auslandsredaktion der „Deutschen Welle“ offen judenfeindlich geäußert hatten. Der Sender trennte sich daraufhin von einigen Mitarbeitern und leitete auf Initiative des DW-Intendanten Peter Limbourg externe Untersuchungen ein, um die Vorwürfe aufzuarbeiten. Nach Informationen der „Deutschen Welle“ wird am Freitag der Distributionsausschuss des DW-Rundfunkrates über den Antisemitismus-Skandal beraten.

▶︎ Fakt ist: Das ist dringend notwendig. Denn der Skandal spitzte sich in den letzten Wochen zu, nachdem Recherchen von „Vice“ und BILD fragwürdige Kooperationen der DW mit antisemitischen Hass-Sendern aus Algerien, Libanon und den palästinensischen Autonomiegebieten offengelegt hatte.

Aufruf zu Messerattacken gegen Israelis

Der libanesischen Sender „Al Jadeed TV“ zeigte etwa Propaganda-Material der Hisbollah und stellte islamistische Terroristen als Märtyrer dar. Und auch der algerische Sender „Echorouk TV“ ist ein DW-Partner, der mit hochrangigen Hamas-Funktionären gegen Israel hetzt und den Holocaust leugnet, wie die „Vice“ aufdeckte.

Eine Delegation der „Deutschen Welle“ trifft die Führung des Nachrichtensenders „Ma’an News“ im Jahr 2015 in Bethlehem
Eine Delegation der „Deutschen Welle“ trifft die Führung des Nachrichtensenders „Ma’an News“ im Jahr 2015 in Bethlehem Foto: maannews.net

Zuletzt berichtete BILD über den palästinensischen Sender „Ma’an News“, der im Jahr 2015 zu Messerattacken gegen Israelis aufrief. Der Chefredakteur von „Ma’an News“, Nasser Al-Lahham, schrieb noch im Mai 2021 in einem Kommentar, dass der Zionismus „ein Fleck auf der Stirn der Menschheit“ sei, der „aus der Existenz verschwinden“ müsse.

Dennoch verteidigte die DW auf BILD-Anfrage den Sender. Lediglich mit dem jordanischen Sender „Roya TV“, der antisemitische Karikaturen veröffentlichte, kündigte der Auslandssender nach Bekanntwerden der Vorwürfe die Zusammenarbeit auf.

DW-Intendant soll Bescheid gewusst haben

Auch der DW-Chef Peter Limbourg steht in der Kritik. So zeigten BILD-Recherchen, dass sich Limbourg mit dem Chefredakteur des Messerattacken-Senders „Ma’an News“ traf und ihn als „einflussreiche und zuverlässige Informationsquelle“ bezeichnete.

Brisant: Recherchen der „Welt“ deckten auf, dass Limbourg bereits vor Jahren über fragwürdige Partner-Sender und hauseigene Redakteure, die sich antisemitisch äußerten, Bescheid gewusst haben soll. Limbourg soll etwa im Jahr 2018 einen Mitarbeitern-Brief erhalten haben, der massive Missstände in der arabischen Redaktion anprangert. Und auch über die Einstellung von Mitarbeitern, die sich judenfeindlich geäußert haben, soll es intern Konflikte gegeben haben.

Riesen-Zoff um „Vice“-Chef

Die Vice-Recherchen sorgten auch in der deutschen Medienbranche für Wirbel.

Nachdem die „Vice“ ihre Recherche über die antisemitischen Partner-Sender der DW veröffentlicht hatte, stellte ein Journalist der „Deutschen Welle“ den „Vice“-Chef Felix Dachsel in einem FAZ-Artikel an den Pranger.

Der Grund: Der arabische Ableger von „Vice“ („Vice Arabia“) soll selbst antisemitische Inhalte veröffentlicht haben, weswegen der DW-Journalist Dachsel „Doppelmoral“ vorwarf und seine Antisemitismus-Kritik infrage stellte. Zudem verteidigte er seinen Auftraggeber.

▶︎ Fakt ist aber: Die „Vice Deutschland“ ist ein privat geführtes Unternehmen, das unabhängig agiert und – im Gegensatz zur steuerfinanzierten und zentral-verwalteten „Deutschen Welle“ – keinen Einfluss auf die Beiträge von ausländischen „Vice“-Ablegern hat.

Vice-Chef Felix Dachsel sagt auf BILD-Anfrage dazu: „Es ist absolut berechtigt, dass auch wir kritisch hinterfragt werden, daraus ziehen wir Konsequenzen. Die Hoffnung des Kollegen, dass wir die Recherchen zu seinem Auftraggeber einstellen, können wir allerdings nicht erfüllen.“

CDU-Politiker fordert „systematische Aufarbeitung“

Und auch aus der Politik hagelt es Kritik an der „Deutschen Welle“. „Die DW hat unübersehbar ein strukturelles Problem mit israelfeindlichem Antisemitismus. Als steuerfinanzierter Auslandssender Deutschlands darf es weder eine Beschäftigung von Mitarbeitern noch eine Zusammenarbeit mit Sendern geben, die Terror verherrlichen und den Staat Israel am liebsten ausradieren würden.“

Und: „Art und Umfang der Vorfälle beschädigen auch die Reputation Deutschlands und auch deshalb ist jetzt eine systematische Aufarbeitung geboten“, sagte der Extremismus-Experte der CDU Christoph de Vries auf BILD-Anfrage.

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