Philosoph reagiert auf Kritik

Richard David Precht reagiert auf Querdenker-Vorwürfe

26.11.2021
Lesedauer: 8 Minuten
Richard David Precht im Juni 2021 in Köln. (Archivfoto) © Christoph Hardt/Imago Images

In ihrem Podcast „Lanz&Precht“ sprechen Markus Lanz und Philosoph Richard David Precht über den angeblichen „Impfdruck“. Precht reagiert nun auf die Kritik.

Update vom Donnerstag, 18.11.2021, 21.30 Uhr: Der Philosoph Richard David Precht reagiert auf die Kritik, die er nach dem Podcast mit Markus Lanz erhalten hat. Ihn habe die Entrüstung überrascht, denn seine Haltung zur Impfung von Kindern habe er bereits „vor Monaten“ im Fernsehen geäußert. Damals habe es keine großen Reaktionen gegeben. „Ich habe im Podcast ausdrücklich betont, keine Handlungsempfehlungen zu geben. Jeder muss selber wissen, ob er seine Kinder impft. Ich habe nur gesagt: Ich würde es nicht tun“, sagte er dem Wochenmagazin Zeit.

Seine Formulierung sei „lax“ gewesen, das räume er ein, auch wolle er künftig vorsichtiger sein. Aber: „Es dürfte nicht viele Leute in diesem Land geben, die sich so sehr mit Querdenkern und Neuen Rechten angelegt haben wie ich in Büchern und Essays. Dass es Journalisten fertigbringen, mich in einem Atemzug mit denen zu nennen, ist unfassbar“, äußert Precht in der Zeit.

Markus Lanz und Richard David Precht: „Querdenkern“ nach dem Mund geredet

Erstmeldung von Sonntag, 30.10.2021, 18.00 Uhr: Frankfurt – Schon der Einstieg in die neunte Folge des neuen Podcasts Lanz&Precht spart nicht mit einer klaren Aussage. Vorangestellt werden dieser Folge nämlich drei Statements, welche die Stoßrichtung des Gesprächs vorwegnehmen. Philosoph Richard David Precht: „Es ist nicht die Aufgabe des Staates, jedermanns Krankheitsrisiko nach allen Regeln der Form auszuschließen oder zu verunmöglichen.“

Dann ZDF-Talker Markus Lanz: „Was wir erleben ist, es wird ein Druck aufgebaut. An vielen verschiedenen Stellen. 2G, 3G, die Debatte um Joshua Kimmich. Da wird dieser Druck aufgebaut, der in Richtung quasi einer Impfpflicht geht. Und gleichzeitig sind alle immer furchtbar darum bemüht, zu sagen: ‚Es gibt aber keine Impfpflicht‘“.

Richard David Precht am 18. Juni 2020 in Markus Lanz.
Richard David Precht am 18. Juni 2020 in Markus Lanz.
© teutopress GmbH/imago images

Anschließend wieder Precht, der die Argumente der Impfgegner:innen und der Anhängerschaft der „Querdenken“-Szene de facto gleichsetzt mit den vielen Stimmen aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, die zum Impfen aufrufen: „Es gibt Leute, die hören das Wort Impfen und denken sofort: ‚Das ist der Teufel.‘ Und es gibt Leute, die hören das Wort Impfen und sagen sofort: ‚Alles unbedenklich.‘ Ja, und beide Pole sind totaler Quatsch“.

Markus Lanz und Richard David Precht reden von „Druck“ und einer angeblichen „Impfpflicht“

Nachdem dieser Teaser den Sound der Podcast-Folge gesetzt hat, folgt die Einleitung und darauf rund 50 Minuten, in denen sich Precht und Lanz zu bedeutenden Teilen über die aktuelle Impfdebatte auslassen. Precht etwa berichtet, sich das Thema „Kimmich mal genauer angeguckt“ zu haben. „Bestürzt“ sei er gewesen, „über den Druck, der da gegenwärtig über Joshua Kimmich aufgebaut wird“. Nicht nachvollziehen könne er das und halte es für „moralisch ausgesprochen fragwürdig.“

Lanz nimmt den Faden auf und findet, dass es für beide an der Zeit sei, einmal „ausführlich über Corona“ zu sprechen. Lanz sagt, er habe „das Gefühl, Corona ist zurück“. Nicht „in einem medizinischen Sinne“, denn da sei es ja nie weg gewesen, aber „in einem politischen, in einem gesellschaftlichen Kontext“ sei die Pandemie „plötzlich wieder auf der Agenda“, was der Fall Kimmich „eindrucksvoll bestätigt“ habe.

Nun entspannt sich eine Debatte, in der Precht zunächst daran erinnert, in einem seiner Bücher die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gutgeheißen zu haben – um genau diese anschließend in vielen Punkten zu kritisieren. Da nun jeder Impfwillige sich habe impfen lassen können, befindet Precht, fiele die „eigentliche, alte Begründung für die Corona-Maßnahmen weg“.

Richard David Precht wendet sich im Gespräch mit Lanz dagegen, Kinder gegen Corona zu impfen

Doch nicht nur das. Precht sagt, dass er „Kinder sowieso niemals impfen lassen“ würde, weil „ein im Aufbau begriffenes Immunsystem mit diesem Impfstoff da zu bearbeiten, also das würde ich niemals tun“. Denn: „Es geht nicht darum, dass jeder Deutsche geimpft ist und das Corona-Virus im nächsten Jahr aus der Welt ist.“ Der Staat habe „überhaupt keine rechtliche Basis“, so etwas „einzufordern“.

Daraufhin nimmt Precht Impfgegner:innen in Schutz, auf die „Druck aufgebaut“ werde und nennt sie in Anspielung auf die bundesweite Impfkampagne sarkastisch „Leute, die jetzt diese wunderbare Statistik negativ beeinträchtigen“. Schließlich hätten Impfgegner:innen „Gründe, die sie sich ja vielleicht gar nicht leicht gemacht haben“. Sein Appell: „Diese Entscheidung muss jeder mit sich selbst frei entscheiden können, ohne dass da ein gesellschaftlicher Druck aufgebaut wird.“ Lanz: „Das stimmt.“

NameMarkus Josef LanzRichard David Precht
BerufTalkmaster ZDFPhilosoph, Honorarprofessor
Alter52 Jahre (16. März 1969)56 Jahre (8. Dezember 1964)
GeburtsortBruneck, SüdtirolSolingen

Und so geht es weiter. Auch wenn Lanz anschließend auf eine Fürsorgepflicht zu sprechen kommt und erwähnt, dass es „Hinweise“ darauf gebe, dass Corona für Kinder nicht „so harmlos“ sei, „wie es im ersten Moment wirkt“, stimmt er mit Precht weitgehend überein. Zunächst erwähnt Lanz noch Long Covid, Precht unterbricht: „Wie hoch ist der Prozentsatz?“ Lanz antwortet, dass er nicht wisse, wie hoch das Risiko von Corona-Langzeitfolgen sei, nur um kurz darauf zu mutmaßen, „ich nehme an, signifikant viel kleiner“.

Impfungen gegen Corona: Markus Lanz zitiert Studien, Precht spricht von „Gentechnik“

Philosoph Precht antwortet mit Medienschelte. „Die Medien“ nämlich, würden sich „sofort darauf stoßen, wenn das in ganz großem Stil der Fall wäre“. Lanz schwankt zu diesem Zeitpunkt noch. Er betont, dass der Prozess einer Corona-Erkrankung durch eine Impfung in einer „kontrollierteren Form“ ablaufen würde. Precht widerspricht: „Die Nebenwirkungen einer Impfung können wir genauso wenig abschätzen, wie die Gefährlichkeit oder die Wirkung des Coronavirus“.

Lanz will einhaken: „Dafür gibt‘s doch wissenschaftliche Studien.“ Precht widerspricht und stellt sogar wissenschaftliche Forschung von Corona-Impfstoffen für Kinder infrage. Lanz betont, dass Impfstoff-Langzeitfolgen in der Geschichte der Impfstoffforschung („und es gibt wirklich keine einzige Impfung, bei der das jemals anders war“) stets in den ersten Monaten aufgetreten seien. Precht: „Das habe ich oft genug gehört. Wer weiß das eigentlich?“ Lanz: „Na ja, weil das relativ gut erforscht ist – und ich glaube sogar richtig gut erforscht ist.“

Precht nennt das Impfen daraufhin „Gentechnik“: „Vom solchen gentechnischen Impfstoffen, Markus, haben wir keine einzige Langzeitwirkungsstudie.“ Einen wissenschaftlich fundierten Nachweis seiner Behauptung liefert er nicht. Lanz: „Mhm.“ Deswegen, so findet Precht, sei die Corona-Impfung nicht mit Masern- oder Pocken-Impfungen zu vergleichen.

Richard David Precht spricht von einem Pranger für Ungeimpfte, Markus Lanz stimmt zu

Lanz wendet ein, dass Mitglieder der wissenschaftlichen Community „völlig am Rad drehen“ würden, wenn behauptet werde, dass über Langzeitfolgen keine Forschungsergebnisse vorlägen. Precht: „Die definieren den Begriff Langzeitwirkung anders. Das ist ein Trick.“ Er stellt infrage, dass sich das Immunsystem von Kindern im Vergleich zu Ungeimpften ähnlich gut aufbauen würde, wenn es zuvor „manipuliert“ worden sei.

Podcast „Lanz&Precht“

Verfügbar in der Mediathek des ZDF.

Nun übernimmt Lanz das Wort und kritisiert, dass Impfungen „völlig kritiklos“ empfohlen würden, „völlig unkritisch, so muss man sagen“. Zwar nennt der ZDF-Talker das Risiko einer Corona-Erkrankung „ungleich höher“ als das einer Impfung. Precht beteuert: „Ich bin kein Impfgegner“, und dass er es richtig finde, sich gegen Corona impfen zu lassen. Dann kommt das „Aber“: „Aber soweit zu gehen, um Kinder zu impfen, oder Druck auf Menschen auszuüben.“ Lanz: „Das ist jetzt der entscheidende Punkt.“ Precht: „Du wirst an den Pranger gestellt von dieser Gesellschaft, weil du die Entscheidung für dich anders abgewogen hast, als es die Regierung gerne hätte.“ Lanz gleich drei weitere Male: „Das ist der entscheidende Punkt.“

Auf Twitter sorgen die Aussagen von Precht und Lanz über Corona und Impfungen für Entrüstung

Später sagt Markus Lanz, der schon im Frühjahr mit Kritik an Corona-Maßnahmen aufgefallen war, noch: „Wenn du in einen gesunden Körper eines gesunden Kindes einfach mal irgendeine Substanz reinspritzt, ich verstehe, dass dann Leute sagen: ‚Das fällt mir schwer.‘ Das kann ich völlig nachvollziehen.“ Und Lanz sagt auch: „Der üble Verdacht, der entsteht, ist ein anderer.“ Nämlich: „Der Verdacht, der entsteht, ist, wir benutzen sozusagen Kinder, um die Tatsache wieder wettzumachen, dass es Impfunwillige Erwachsene gibt.“ Weil: „Die Kinder, die wehren sich nicht.“ Precht: „Sehe ich genau so.“

Auf Twitter lösen die Aussagen von Precht und Lanz gemischte Reaktionen aus. Zustimmung gibt es vor allem aus dem Lager der „Querdenker“ und Impfgegner:innen. Dafür herrscht Befremdung bis Entsetzen aus Reihen weniger für Verschwörungstheorien offener Menschen. Einer schreibt: „Es tut mir sehr leid, aber wir haben #Lanz und #Precht ab Minute 20 für die gute Sache verloren.“ Ein anderer schreibt: „In Ausgabe 9 von Lanz&Precht erklärt Precht u. a., niemals ein Kind U12 impfen lassen zu wollen und sagt, dass die langfristigen Folgen einer Impfung genauso unklar wären, wie die einer Corona-Infektion. Verblendetes, gefährliches (und grob fahrlässiges) Halbwissen.“

Damit nicht genug. Ein weiterer Twitter-User schreibt: „Und Ihr solltet euch die aktuelle Folge von ‚Lanz und Precht‘ geben. Dort erwartet euch der komplette intellektuelle Untergang von Richard David Precht. Er redet skeptisch übers Impfen und hat vom Thema offensichtlich überhaupt keine Ahnung. Lanz‘ Leistung dabei ist episch. Er baut ihm immer wieder Brücken, damit er zu zurückhaltenderen, rationaleren Urteilen kommen könnte, aber Precht ist zu eitel, um darüber zu gehen, sondern springt mit einer Arschbombe noch tiefer in den Dreck.“ (Mirko Schmid)

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