Die Entscheidung, sich den umstrittenen Podcast-Star Joe Rogan exklusiv zu sichern, bringt Spotify schon wieder neuen Ärger ein. Als Reaktion schrumpft der Streaming-Dienst Rogans Archiv – und will sich freikaufen.
Der Gegenwind für Spotify lässt nicht nach. Nur eine Woche, nachdem Podcaster Joe Rogan wegen unqualifizierten Äußerungen zur Corona-Pandemie unter Kritik kam, steht nun der nächste Skandal an. Rogan soll in einigen Ausgaben seines seit 13 Jahren bestehenden Podcasts „The Joe Rogan Experience“ rassistische Begriffe und Vergleiche benutzt haben. Der Streaming-Dienst stellt sich demonstrativ hinter ihn. Und versucht gleichzeitig, durch Gesten seine Kritiker zu beschwichtigen.
Aufmerksamkeit bekam der Rassismus-Vorwurf durch den Rückzug der Musikerin India Arie. Im Rahmen der Kontroverse um Neil Youngs lautem Abschied von der Plattform hatte sie bei Instagram ihre eigenen Gründe genannt, Young zu folgen – und ein gutes Dutzend Video-Ausschnitte gezeigt, die Rogan zumindest einen höchst fragwürdigen Umgang mit rassistischen Begriffen bescheinigen: Immer wieder benutzt er in verschiedenen Gesprächen unverblümt das N-Wort. Was noch als fehlende Sensibilität gegenüber der Wucht des Wortes gewertet werden könnte, wird durch einen Vergleich in einer anderen Sendung schon deutlich anders gewichtet: Rogan verglich das Aussteigen aus dem Bus in einem vorwiegend von Schwarzen bewohnten Stadtteil lachend mit einem Besuch auf dem Planet der Affen.
Reumütiger Joe Rogan
Am Sonntag meldete sich dann Rogan selbst zu Wort. Und zeigt sich reumütig. „Ich wünschte, eine Menge Scheiß, den ich in älteren Episoden des Podcasts sagte, hätte ich nicht oder anders gesagt“, heißt es schon in der Beschreibung. Die Benutzung der rassistische Beleidigung sei nicht abwertend geschehen, sondern im Gespräch über schwarze Komiker wie Richard Pryor, die das Wort regelmässig nutzten, erklärt Rogan im Video. „Ich glaubte, im Kontext könnten die Leute es einordnen.“
Heute würde er es anders sehen, beteuert er. Statt den rassistischen Begriff zu reproduzieren, hätte er stattdessen „das N-Wort“ sagen sollen. Den Vergleich mit dem Planet der Affen habe er noch schneller bereut. Er habe ihn selbst sofort danach als rassistisch erkannt und das auch in der Show ausgesprochen. Die Episode sei aber schon länger nicht mehr abrufbar, weil ihm der Verlauf des Gesprächs nicht gepasst habe.
So reagiert Spotify
Auch zahlreiche weitere Folgen sind verschwunden: Mehr als 70 Sendungen der „Experience“ waren letzte Woche überraschend aus dem Archiv von Spotify gelöscht worden, zusätzlich zu über 40 älteren Episoden, die schon beim Umzug zu Spotify aussortiert worden waren. Tatsächlich seien die zusätzlichen Folgen auf Wunsch Rogans gelöscht worden, bestätigte Spotify-Chef Daniel Ek nun in einem internen Memo des Unternehmens, das verschiedenen Medien vorliegt.
In der nächtlichen Mitteilung richtet er sich direkt an die Mitarbeiter. „Ich kann nicht in Worte fassen, wie sehr es mir leid tut, in welchem Ausmaß die Kontroverse um die ‚Joe Rogan Experience‘ immer wieder Auswirkungen auf euch hat“, bittet er um Verzeihung. „Einige von Joe Rogans Aussagen sind nicht nur unglaublich verletzend – ich möchte auch klarstellen, dass sie nicht die Werte dieser Firma widerspiegeln“, so der Spotify-Chef.
Kein Rauswurf
Rauswerfen will er den Star-Podcaster aber nicht. „Ich glaube nicht, dass die Antwort sein sollte, Joe zum Schweigen zu bringen“, erklärt er. Das Unternehmen wolle zwar klare Grenzen für Inhalte setzen, „aber Stimmen ganz zum Schweigen zu bringen, kann einen schnell zu weit gehen lassen.“ Stattdessen solle man lieber von Fall zu Fall entscheiden, schlägt Ek vor.
Dass es damit nicht getan wäre, scheint aber auch ihm klar zu sein. Die Debatte um freie Meinungsäußerung bei Spotify ist nicht neu, der Streamingdienst hat etwa immer wieder mit Vorwürfen zu kämpfen, nicht genug gegen Musik rechtsradikaler Bands auf der Plattform zu unternehmen. In Bezug auf Rogan will Ek aber nun ein Zeichen setzen: Spotify werde 100 Millionen Dollar in die Unterstützung marginalisierter Gruppen und Minderheiten stecken, versprach er.
Rogan ist für Spotify zu wichtig
Die Zahl ist natürlich kein Zufall: Sie entspricht genau der Summe, die Spotify allen Berichten zufolge vor knapp zwei Jahren für die Exklusivrechte an Rogans Podcast auf den Tisch legte. Dass der Konzern sich Rogan nun noch einmal dieselbe Summe zusätzlich kosten lässt, taugt aber auch als Symbol dafür, wie wichtig der umstrittene Podcaster für das Unternehmen ist. Schließlich hätte man ihn für 100 Millionen weniger auch einfach für die Tür setzen können.
Doch Rogan ist einer der wichtigsten Bausteine der neuen Ausrichtung des Konzerns. Spotify hat erkannt, wie wichtig Podcasts als Medium geworden sind – und dass die Audio-Sendungen nicht statt, sondern zusätzlich zu Musik gehört werden. Im Klartext heißt das, solange Spotify die wichtigste Bühne für Podcasts bleibt, kommen nicht nur mehr Nutzer hinzu. Die vorhandenen verbringen auch noch mehr Zeit auf der Plattform. Und die Abrufcharts lassen keinen Zweifel: Keinem anderem Podcast gelingt das so sehr wie Joe Rogans.
Quellen:Joe Rogan (Instagram), Los Angeles Times, The Verge, Twitter