Ist das Verbrennen des Korans ein Straftatbestand oder Meinungsfreiheit? Damit musste sich nach WELT-Informationen nun die Hamburger Staatsanwaltschaft in einem Fall befassen. Das Ermittlungsergebnis sei „kein Bekenntnis pro Iran, sondern eine strafrechtliche Entscheidung“.
Die mutmaßliche Tat liegt beinah zwei Jahre zurück: Am 6. August 2022 gegen 18 Uhr sollen drei Beschuldigte bei einer angemeldeten Versammlung direkt vor der Blauen Moschee an der Außenalster in Hamburg einige Seiten aus einem Koran herausrissen, angezündet und schließlich zu Boden geworfen haben. Während Unterstützer dieser und ähnlicher europaweiter Aktionen den Vorfall unter dem Verweis auf die Meinungsfreiheit rechtfertigen, verurteilt der Iran den offenen Anti-Islam-Protest als „provokative Aktion“. Zumindest strafrechtlich hat die Hamburger Staatsanwaltschaft nach WELT-Informationen nun eine Entscheidung getroffen.
„Die Ermittlungen gegen insgesamt drei Beschuldigte sind abgeschlossen, und die Staatsanwaltschaft hat wegen des Verdachts der gemeinschaftlichen Beschimpfung von Glaubensbekenntnissen Ende Februar 2024 Strafbefehle beim Amtsgericht beantragt“, teilte eine Sprecherin der Anklagebehörde am Dienstag auf Anfrage mit.
Demnach sollen die drei Beschuldigten zur Tatzeit vor dem Islamischen Zentrum Hamburg (IZH) mit weiteren Personen an der Versammlung teilgenommen haben, die sich gegen das IZH und die in der Blauen Moschee durchgeführten Gottesdienste richtete. In der Folge soll es – in Gegenwart der Gottesdienstbesucher – zu der Koran-Verbrennung gekommen sein.
Das als extremistisch eingestufte IZH, das die Blaue Moschee an der Außenalster betreibt, wird seit langem vom Verfassungsschutzbericht beobachtet, da es sich nach Angaben der Behörde mit seinen islamistischen Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richtet. So gilt das Islamische Zentrum Hamburg als wichtiger Außenposten des iranischen Regimes in Deutschland und Europa. Im Zusammenhang von Ermittlungen gegen das IZH ging die Polizei im November 2023 in einer bundesweiten Razzia gegen den Verein und fünf weitere Vereinigungen vor.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg stützt sich im Fall der Koran-Verbrennung vom 6. August 2022 auf den Paragrafen 166 des Strafgesetzbuches. Darin heißt es: „Wer öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (Paragraf 11 Absatz 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Deutschland ist einer der wenigen europäischen Staaten, der Religionsgemeinschaften durch einen solchen Paragrafen schützt. Das bedeutet jedoch nicht, dass Beschimpfungen von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen grundsätzlich unter Strafe gestellt werden, sondern lediglich Beleidigungen, die dem öffentlichen Frieden schaden. Ansonsten ist hierzulande die Meinungsfreiheit im Grundgesetz, Artikel 5 verankert, wonach „jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“.
Petition: Verbrennen von Schriften des Islams unter Strafe stellen
Diese Gemengelage wiederum hatten Bürger hierzulande zum Anlass genommen, um nach der Koran-Verbrennung in Hamburg eine inzwischen abgeschlossene Online-Petition ins Leben zu rufen. „Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in Deutschland, dieser Fall ist mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes jedoch nicht zu rechtfertigen“, schreiben die Initiatoren und ergänzen: „Im Gegenteil, der öffentliche Frieden wird durch solche Anfeindungen gefährdet.“ Die etwa 4,5 Millionen Muslime in Deutschland „möchten ihren Glauben in Frieden und Sicherheit ausleben können, so wie das Grundgesetz es durch die Religionsfreiheit garantiert“. Folglich müsse das öffentliche Verbrennen von Schriften des Islams unter Strafe gestellt werden.
Der Petitionsausschuss des Bundestages befasste sich im vergangenen Jahr mit der Online-Petition und entsprach dem Anliegen – allerdings mit Verweis auf Paragraf 166 des Strafgesetzbuches. Demnach sei das öffentliche Verbrennen etwa des Korans abhängig von den Umständen des Einzelfalls bereits nach geltendem Recht strafbar, lautet die Beschlussempfehlung. Diese Rechtslage sei sachgerecht und angemessen.
Neben Deutschland war es in jüngster Vergangenheit insbesondere in Schweden und Dänemark zu Koran-Verbrennungen gekommen. Mittlerweile hat auch das dänische Parlament ein Verbot solcher Aktionen beschlossen. Das Gesetz verbietet es künftig unter anderem, religiöse Texte öffentlich zu verbrennen, zu besudeln oder mit Füßen zu treten. Untersagt ist es ferner, religiöse Texte zu zerreißen, zu zerschneiden oder zu zerstechen. Bei Verstößen drohen Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis.
Im Fall der Hamburger Koran-Verbrennung hatte der Iran den deutschen Geschäftsträger, also den stellvertretenden Botschafter, kurz nach dem Vorfall im August 2022 zu einem Gespräch im Außenministerium in Teheran einbestellt. Dabei machte der Iran die Bundesregierung für den Vorfall verantwortlich und forderte eine „umgehende und konsequente“ Reaktion.
Wie es aus dem Umfeld der Hamburger Staatsanwaltschaft gegenüber WELT heißt, handelt es sich bei den Ermittlungen in der Sache „ausdrücklich nicht um ein Bekenntnis pro Iran, sondern um eine strafrechtliche Entscheidung“. Die Ende Februar von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragten Strafbefehle sind nach Angaben der Sprecherin der Anklagebehörde „noch nicht rechtskräftig“.
Wie verhält sich das Amtsgericht?
Daraus ergeben sich derzeit verschiedene Möglichkeiten: Wenn die Schuld der Beschuldigten wahrscheinlich und die beantragte Strafe angemessen ist, kann der Richter beziehungsweise die Richterin direkt die Strafe aussprechen. Das Amtsgericht könnte den Antrag der Staatsanwaltschaft aber auch ablehnen, die Anpassung des Antrags anregen, weitere Ermittlungen anordnen oder eine mündliche Hauptverhandlung anberaumen.
Der schriftliche Strafbefehl würde den Angeklagten zugestellt. Innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung könnte Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden. Dann käme es zu einer Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, das den Strafbefehl erlassen hat. Andernfalls wird der Strafbefehl rechtskräftig und die Strafe vollstreckt.
Wie das Amtsgericht hinsichtlich der Koran-Verbrennungen vom 6. August 2022 in Hamburg verfahren wird, war zunächst nicht bekannt.