Helen Fares

Geschasste Moderatorin kritisiert den SWR – „Ja, wir wissen, was du so machst“

13.04.2024
Lesedauer: 5 Minuten
Helen Fares, hier im Jahr 2022 bei einer Veranstaltung in Berlin Quelle: picture alliance/Geisler-Fotopress/Frederic Kern

Der SWR habe gewusst, dass sie „Aktivistin“ sei, so die nach einem Boykottaufruf freigestellte Helen Fares. Sie erhebt zudem einen schweren Vorwurf: Die Medien hätten das Vertrauen vieler junger Menschen verloren, insbesondere jener mit Migrationshintergrund.

„GuMo an die Presse, danke für Euer Interesse, hier ist mein Statement, damit ich nicht 800 Interviews geben muss“ – so freundlich-flapsig beginnt ein Posting der Jornalistin und TV-Moderatorin Helen Fares, die nach einem Boykott-Aufruf gegen Israel ihr Engagement beim Sender SWR (Südwestrundfunk) verloren hatte.

Der Sender hatte dies damit begründet, dass die Moderatorin ihre Neutralitätspflicht verletzt hatte, WELT berichtete. In ihrem erneuten Statement vom Donnerstagabend macht die 29-Jährige dem Sender nun Vorwürfe und greift auch insgesamt die Medien und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an.

Die Stellungnahme ist auf Instagram zu lesen. Ebendort hatte Fares einen Videoclip aus einem Supermarkt online gestellt, in dem sie mittels einer Handy-App Produkte daraufhin checkte, ob diese womöglich aus Israel stammen oder von Israelis produziert werden. Fares, die sich auf Instagram „Ms Baklava“ nennt und mehr als 100.000 Follower hat, empfahl ihren Zuschauern die Nutzung der App namens „No Thanks“ als ein Mittel, um sich gegen Israel und dessen Krieg im Gazastreifen zu positionieren.

Das Video hatte für erheblichen Wirbel gesorgt. Kritisiert wurde nicht nur die Verfasserin, sondern auch generell Sender, die Moderatoren mit anti-israelischer Haltung eine Plattform geben. Auch Vorwürfe des Antisemitismus wurden laut.

„Rassismus an uns Palästinensersoldidarischen“

Fares selbst wirft dem Sender nun vor, sie quasi im Stich gelassen zu haben. Dem Südwestrundfunk (SWR) sei ihre politische Haltung und ihr Engagement immer bekannt gewesen, schreibt die in Leipzig aufgewachsene Deutsch-Syrerin. „Meine Moderationstätigkeit beim SWR Format ,Mixtalk’, das damit wirbt, ein diskursives Format zu sein, „in dem Diskussionen ohne Hass möglich sind“,, habe ich begonnen, nachdem ich schon viele Jahre aktivistisch tätigt war.“

Zudem habe sie bei einem Gespräch vor ihrer Vertragsunterzeichnung dem Sender noch einmal klar und deutlich gesagt: „Ich bin Journalistin UND Aktivistin, spreche unter anderem über Palästina und das wird sich niemals ändern.“ In dem telefonisch geführten Gespräch habe sie nach eigenen Angaben auch schon gewarnt, dass sie durch ihre Arbeit für den SWR „in die Schusslinie zwischen euch und denen, die den ÖRR (öffentlich-rechtlichen Rundfunk) abschaffen wollen“ geraten könnte.

Mehr noch, der „Rassismus an uns Palästinensersoldidarischen“ könnte womöglich auch dafür instrumentalisiert werden, um, Zitat, „Euch zu schaden“. Der Sender habe ihr darauf aber versichert „Ja, wir wissen ja, was du so machst“.

Nach dem schlagzeilenträchtigen Vorgang mit der Boykott-App aber habe sich der Sender von ihr distanziert, und das Arbeitsverhältnis beendet, „obwohl alle Beteiligten wissen, dass dieser Hass (…) eigentlich nur ein Instrument für die Diskreditierung der öffentlich-rechtlichen Medien war“.

Fares – sie selbst wirbt für sich mit den Worten „Menschenrechtsaktivismus, Journalismus, Psychologie, Moderation, Podcasts“ – wirft den Verantwortlichen also indirekt ein Einknicken vor dem öffentlichen Druck vor: „Ich empfinde Mitleid dafür, dass ein Team von so vielen Personen im SWR sich gezwungen sah, dem Druck der Rechten, in einem ohnehin schon stetig weiter nach rechts rückenden Klima in Deutschland nachzugeben.“

Pflicht, „Programm für alle“ zu machen

Dieser Vorgang, so die 29-Jährige weiter, sei ein fatales Signal in einer Zeit, in der die Demokratie ihrer Meinung nach unter Druck geraten sei. Vielen jungen, und insbesondere politisch aktiven Menschen sei eine solche Haltung kaum noch zu vermitteln.

Sie beobachte denn auch privat und dank der vielen E-Mails, die sie nach dem Eklat erreicht hätten, „wie schlaue, junge Menschen, mit und ohne Migrationshintergrund, die öffentlich-rechtlichen Medien längst aufgegeben haben“. Mittlerweile, so die Moderatorin weiter, glaubten viele nicht mehr daran, „dass der ÖRR tatsächlich seiner Aufgabe nachkommt, eine Säule der Demokratie zu sein, weil sie sich weder gesehen noch gehört, geschweige denn repräsentiert fühlen“.

Es sei aber doch die „Pflicht“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, „die Gesellschaft zu repräsentieren“ und „Programm für alle zu machen“, insbesondere, um denjenigen, „die Menschen wie mich in Deutschland nicht haben wollen“, zu zeigen: „Hier ist auch Platz für uns, für unsere Meinungen und Haltungen, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft entsprechen.“

„Boykotte sind eine friedliche Protestform“

Sie selbst gibt sich weiter kämpferisch. Ihr Posting schließt Fares mit den Worten: „So lange ich kann, werde ich laut sein – ob als Journalistin, Filmemacherin, Aktivistin oder Künstlerin. Ich werde laut sein für die, die es nicht können, heute vor allem für die über 30.000 Menschen in Gaza, die durch ein Militär getötet werden, das ich nicht bereit bin, durch meine Kaufkraft zu unterstützen.“

Des Weiteren erneuerte sie auch ihren Appell an ihrer Community, sich für das Schicksal der Palästinenserinnen und Palästinser im Gaza-Streiefen einzusetzen. „Die israelische Regierung bombardiert seit sechs Monaten Gaza. Über 30.000 Menschen wurden schon getötet, diesen Kriegsverbrechen muss ein Ende gesetzt werden und wir müssen ALLE dafür kämpfen.“ Bis Samstagfrüh wurde das Posting schon mehr als 12.000 Mal gelikt.

Darüber hinaus bedankte sich Helen Fares auch für die Unterstützung und gab ein Update zu ihrer Gefühlslage: „An alle, die besorgt und liebevoll nach mir fragen: Mir geht es gut. Ich weiß, wofür ich stehe, und das sind die Menschenrechte. Boykotte sind eine friedliche Protestform, die in jedem anderen Kontext als Protestform gesellschaftlich akzeptiert sind.“

krott

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