Der Druck auf Mathias Döpfner wächst. Nach den Enthüllungen der »Financial Times« flammt die Debatte neu auf, ob der Axel-Springer-Chef als Verlegerpräsident noch tragbar ist.
Deutschlands Zeitungsverleger diskutieren erneut darüber, ob Mathias Döpfner als ihr oberster Repräsentant noch zu halten ist. Der Chef des Medienhauses Axel Springer ist seit 2016 Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV). Am Dienstag hatte die »Financial Times« (»FT«) berichtet, dass über das Fehlverhalten des im Oktober geschassten »Bild«-Chefredakteurs Julian Reichelt bei Springer wohl mehr bekannt war, als der Verlag bisher zugegeben hatte.
Bei einer BDZV-Delegiertenversammlung am kommenden Montag, deren Thema die Neuausrichtung des Verbands ist, wird vermutlich auch die Personalie Döpfner zur Sprache kommen. Als erster Verlag stellt sich nun die Funke Mediengruppe (»WAZ«, »Hamburger Abendblatt«, »Hörzu«) öffentlich gegen den Präsidenten. »Bereits im vergangenen Oktober haben wir festgestellt, dass wir die Äußerungen und das Verhalten von Herrn Döpfner dem Amt eines BDZV-Präsidenten für nicht angemessen halten. Die Wirkung auf Journalist*innen und Öffentlichkeit ist fatal«, heißt es in einem Statement des Essener Unternehmens gegenüber dem SPIEGEL. »Die neuesten Berichte über die Vorgänge bei Axel Springer haben uns in unserer Auffassung leider bestärkt. Eine Einordnung von Herrn Döpfner liegt uns auch vier Tage nach der Veröffentlichung des Financial Times-Artikels nicht vor. Um den Verband und die Branche, die er vertritt, zu schützen, halten wir nach wie vor eine Neuaufstellung der ehrenamtlichen Strukturen für unerlässlich.«
Zweite Debatte innerhalb weniger Monate
Im November hatte das BDZV-Präsidium schon einmal über die Personalie Döpfner diskutiert. Damals ging es um eine Textnachricht, die der Manager an den Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre geschickt hatte und die in der Berichterstattung um Reichelt öffentlich geworden war. Döpfner bezeichnete Reichelt darin als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland, der noch mutig »gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat« aufbegehre. Fast alle anderen seien zu »Propaganda-Assistenten« geworden. Döpfner hatte den Inhalt zunächst als Ironie verteidigt und sich später entschuldigt. Nach einer mehrstündigen Sitzung sprach das BDZV-Präsidium sich dafür aus, an ihm festzuhalten.
Der Fall Reichelt hatte den Springer-Verlag im vergangenen Jahr zum Beben gebracht. Mehrere Frauen gaben in einem Compliance-Verfahren gegen den damaligen »Bild«-Chef schwerwiegende Vorwürfe zu Protokoll, wie der SPIEGEL zuerst berichtete. Die Rede war von Machtmissbrauch, Vermischung von beruflichen und privaten Beziehungen zu Mitarbeiterinnen, der Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen.
Wie die »Financial Times« nun berichtete, soll Springer nach Ende des Verfahrens gegen Reichelt einen externen Anwalt mit einer »Gegenuntersuchung« beauftragt haben, die vermeintliche Drahtzieher ins Visier nehmen sollte.
Der »FT« zufolge soll Döpfner die Vorwürfe gegen Reichelt intern zunächst abgetan haben. In SMS schrieb der Vorstandsvorsitzende des Konzerns von einer »Verschwörung«. In Gesprächen habe er sich über eine »blinde Hass-Agenda« beklagt: »Das hat nichts mit Sexismus zu tun. Das hat nichts mit #MeToo zu tun«.
Papier zur Modernisierung des Verbands
Laut »Financial Times« vermutete Döpfner ideologische Gegner hinter den Vorwürfen gegen Reichelt: »Wir sind die letzten Bastionen der Unabhängigkeit und der Regierungskritik, und deshalb werden wir von der linken Blase, die ihre Ansichten mit großer Intoleranz verfolgt, bestraft«, zitiert das Blatt aus privaten Gesprächen.
Die Funke Mediengruppe hat für die BDZV-Delegiertenversammlung am kommenden Montag ein Papier zur Modernisierung des Verbands vorgelegt, das dem SPIEGEL vorliegt und über das der Branchendienst Horizont als erster berichtet hatte.
Darin wird die Verschmelzung aller Medienverbände (BDZV, VDZ, BVDA, VDL) zu einer gemeinsamen Interessensvertretung angeregt. Zur Causa Döpfner heißt es darin: Nach der Präsidiumssitzung am 24.11.2021 gehe man davon aus, »dass Herr Döpfner den gesamten Vorgang wahrheitsgemäß dargestellt hat und dieser vollständig und abschließend durch die Compliance-Abteilung von Axel Springer aufgearbeitet wurde«.
Daran gibt es nach der »FT«-Enthüllung nun offenbar erhebliche Zweifel.
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