In der SWR-„Spätschicht“ wirft die Kabarettistin Lisa Fitz mit falschen und verzerrten Informationen zu Corona-Impfungen um sich. Ihre Daten gehen offenbar auf das Dokument einer rechtspopulistischen Politikerin zurück. Die Sendung wird nun aus der Mediathek entfernt.
Die Kabarettistin Lisa Fitz hat mit Aussagen zur Corona-Pandemie für Ärger gesorgt. Bei einem Auftritt in der SWR-Sendung „Spätschicht“ verbreitete Fitz am 10. Dezember falsche und verzerrte Informationen zu den Covid-19-Impfstoffen. Zudem kritisierte sie, dass sich Einschätzungen von Politikern und Wissenschaftlern im Lauf der Zeit geändert hätten.
So ließ sich Fitz etwa darüber aus, dass plötzlich der Schutz durch die doppelte Impfung „futsch“ sei. „Und dann wird geboostert und geroostert und geschustert. Nach Delta und Omikron kommt die Xanthippen- und die Zombie-Mutante aus Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Dings-was-weiß-ich-vergiss-es-dann. Hauptsache, die Panik bleibt frisch.“
Auch auf die Frage, wie hoch der Anteil der geimpften Bevölkerung sein müsse, ging Fitz ein. „Ich komme da nicht mehr ganz mit“, sagte sie. „Wenn 60 Prozent geimpft sind, hieß es, dann werden wir unser altes Leben zurückbekommen. Ja, wo ist es denn, das alte Leben?“
Tatsächlich waren Experten zu Beginn der Pandemie davon ausgegangen, dass eine Immunisierung von 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung notwendig sei, um eine sogenannte Herdenimmunität zu erreichen. Diese Schätzung bezog sich jedoch auf die ursprüngliche Virus-Variante. Sowohl die Delta- als auch die Omikron-Variante sind deutlich ansteckender.
Sie habe sich „da weiter informiert“, sagte Fitz – um dann eine Reihe von verzerrten Fakten aufzuzählen. So behauptete sie, das Europäische Parlament habe einen Fonds „für die Opfer der Covid-19-Impfstoffe beantragt“. Das ist jedoch falsch.
Korrekt ist, dass eine einzelne EU-Abgeordnete – Virginie Joron vom rechtsextremen Rassemblement National – einen Entschließungsantrag ins Parlament einbrachte, in dem sie einen solchen Fonds forderte. Einen Entschließungsantrag kann jeder Abgeordnete einreichen. Den von Joron lehnte das EU-Parlament laut „taz“ ab.
„Da waren die Folgen tödlich“, behauptet Fitz
Für 5000 Menschen sei dieser Antrag „leider zu spät“, behauptete Fitz weiter: „Da waren die Folgen durch die Covid-19-Impfstoffe tödlich.“ Auch hier dürfte sich Fitz auf den Entschließungsantrag von Virginie Joron berufen. Darin heißt es, dass „die Verabreichung von Covid-19-Impfstoffen für rund 5000 Personen in der Europäischen Union tödliche Folgen hatte“.
An dieser Stelle wird es etwas komplizierter. Denn die Zahl basiert – falsch gerundet – auf Dokumenten der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA). Aus diesen geht hervor, dass bis zum Sommer 2021 in der EU rund 453 Millionen Impfdosen verabreicht worden seien. Im selben Zeitraum seien 5781 Verdachtsfälle nach Impfungen gemeldet worden, die tödlich verlaufen seien.
Wichtig ist, dass es sich hierbei um Verdachtsmeldungen handelt. Es ist nicht klar, dass die Personen tatsächlich infolge der Impfung starben. Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur AFP, aus dem die „taz“ zitiert, hob im März hervor, dass Gerüchte zu mehreren Tausend Impftoten in Europa falsch seien: „Die echte Zahl an Menschen, die in zeitlicher Nähe einer Impfung gestorben sind, ist kleiner. Einen kausalen Zusammenhang dieser Todesfälle mit einer Covid-Impfung stellen die Zahlen nach Angaben der EMA ausdrücklich nicht dar.“
Der Bayerische Rundfunk zitierte eine Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts mit den Worten: „Ein Todesfall NACH Impfung bedeutet nicht zwangsläufig einen Todesfall DURCH Impfung. Das wird in den sozialen Medien leider häufig gleich gesetzt.“ Auch Lisa Fitz differenzierte in ihrem Auftritt nicht, sondern stellte die 5000 Toten fälschlicherweise als Fakt dar.
Eine Sprecherin des SWR sagte der „taz“, die Redaktion habe den „heiklen Beitrag“ nicht ablehnen wollen: „In der Abwägung von einem möglichen und erwartbaren Vorwurf der Zensur versus Meinungsfreiheit im öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben wir uns bewusst dazu entschieden, diesen Text zu senden, um die Pluralität der vorkommenden Meinungen in der ,Spätschicht‘ zu beweisen.“
Die Meinung dürfe „trotzdem hier stattfinden“
Andere Künstler würden die Themen Fake News und Impfskepsis in der Sendung aus einer gegenteiligen Perspektive besprechen. Florian Schroeder sagte demnach in seiner Anmoderation, den Öffentlich-Rechtlichen werde vorgeworfen, es gebe „immer die gleichen Meinungen, keine Vielfalt“. Die Meinung von Lisa Fitz teile er persönlich absolut nicht, sie dürfe „trotzdem hier stattfinden“.
Der Sender 3sat, auf dem die „Spätschicht“ ebenfalls läuft, scheint das anders zu sehen. Er strahlte das Programm nicht aus und stellte es auch nicht in die Mediathek. Ein Sprecher teilte der „taz“ mit: „Bei der ‚Spätschicht‘ handelt es sich um eine vom SWR für das Dritte Programm redaktionell verantwortete und produzierte Sendung, die regelmäßig in 3sat wiederholt wird.“
Am Sonntag entschied sich auch der SWR, die Sendung aus seiner Mediathek zu entfernen. „Die Kritik an dieser Ausgabe der ‚Spätschicht‘ trifft uns zu Recht“, sagte Clemens Bratzler, Programmdirektor Information, Sport, Fiktion, Service und Unterhaltung. Der Beitrag werde auch aus der ARD-Mediathek genommen.
Anliegen der Redaktion sei es gewesen, „unterschiedlichen und kritischen Meinungen auch zum sensiblen Thema Impfen Raum zu geben, was unter anderem durch die sehr klare Moderation von Florian Schroeder eingeordnet wurde“, erklärte Bratzler. „Die Meinungsäußerungsfreiheit gilt jedoch nicht unbegrenzt, sondern endet auch in einer Comedy- oder Satiresendung bei falschen Tatsachenbehauptungen.“ Die Aussage von Lisa Fitz zur Anzahl der Impftoten sei nachweislich falsch.
Der SWR grenzte sich auch von seiner ersten Stellungnahme vom Freitag ab, nach der die Äußerungen von Fitz von der Meinungsfreiheit gedeckt seien: „Meinungsfreiheit ist für uns ein hohes Gut. Dennoch war die erste Reaktion falsch, weil es hier eben nicht um eine Meinungsäußerung geht“, so Bratzler.gub/jr