Die 23-jährige Franca Bauernfeind ist die neue Chefin des Studentenverbandes Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Ist ihr der Unibetrieb heute zu „woke“? Als Konservative an einer deutschen Universität stellt sie ein raues Meinungsklima fest. Und sagt, was Friedrich Merz für sie verkörpert.
WELT: Frau Bauernfeind, ist Angela Merkel (CDU) ein Vorbild für Sie?
Franca Bauernfeind: Angela Merkel weiß, wie man Politik macht, vor allem strategisch; aber die Fehlentscheidungen, die sie in den vergangenen Jahren getroffen hat, veranlassen mich nicht dazu, in ihr ein Vorbild zu sehen. Ich halte sie für eine gute Politikerin, weil sie weiß, wie sie ihre Interessen auch im Parlament durchsetzt und Debatten prägt.
WELT: Welche Fehlentscheidungen meinen Sie konkret?
Bauernfeind: Eine ist ganz klar der Umgang mit der Flüchtlingskrise, deren Lösung überwiegend als alternativlos präsentiert wurde; aber auch in der Corona-Politik hätte es meiner Meinung nach mehr Debatte gebraucht.
WELT: Die CDU bestimmt im Januar ihre neue Spitze – vermissen Sie eine Frau unter den Kandidaten?
Bauernfeind: Nein. Es ist kein Geheimnis, dass ich ein großer Gegner von Frauenquoten bin – übrigens generell von Quoten. Für mich steht das Leistungsprinzip immer im Vordergrund. Wenn wir nun als CDU diskutieren, ob wir mehr Frauen brauchen, auch in Führungspositionen, denke ich mir: Was ist denn mit Angela Merkel, Ursula von der Leyen oder Annegret Kramp-Karrenbauer?
Was ich allerdings durchaus als Problem sehe, ist, dass wir in der Breite der Partei bloß einen Frauenanteil von knapp über 20 Prozent haben. Doch dieses Problem löst auch keine Quote.
WELT: CDU-Vizechefin Silvia Breher sagte jüngst, das Amt des Parteichefs stehe für sie nicht zur Diskussion, weil es momentan nicht in ihre persönliche Lebensplanung passe; insbesondere wegen ihrer Kinder. Sie meinte, das sei auch das Problem der CDU. Viele Frauen in der Partei hätten komplett auf Karriere gesetzt. Sehen Sie das ähnlich?
Bauernfeind: Nein, das sehe ich nicht so. Das ist viel mehr eine Generationenfrage: In meiner Generation – ich bin 23 – wächst man mit einem anderen Selbstverständnis auf.
Man hat zum einen das Selbstbewusstsein, für eine Position zu kandidieren, ohne sich dabei auf sein Geschlecht reduzieren zu lassen; und auf der anderen Seite weiß man, dass es in den wenigsten Fällen einen Unterschied macht, ob nun der Mann oder die Frau zu Hause bleibt, wenn man ein kleines Kind hat.


Quelle: Martin U. K. Lengemann/WELT
WELT: Brechen Sie damit mit dem traditionellen Familienbild der CDU?
Bauernfeind: Ich breche nicht damit, aber in den Jahren, in denen ich Mitglied bin, habe ich solche Erfahrungen jedenfalls nicht gemacht.
WELT: Wem trauen Sie die grundlegende Erneuerung zu, die sich die CDU von ihrem neuen Vorsitzenden erwartet?
Bauernfeind: Als Delegierte zum Bundesparteitag tendiere ich persönlich zu Friedrich Merz und seinem Team.
WELT: Sie fühlen sich als junge Frau von ihm vertreten.Anzeige
Bauernfeind: Natürlich. Man darf Repräsentation nicht mit Repräsentativität verwechseln. Es geht nicht um Geschlecht oder Alter, sondern darum, ob dieser Mensch mit mir auf einer Wellenlänge ist. Also positiv, selbstbewusst, klare Kante, aber trotzdem kompromissbereit. Das verkörpert Friedrich Merz für mich.
WELT: Corona bringt auch für Universitäten Ungemach: Zumindest lokale Lockdowns scheinen nicht ausgeschlossen, strenge Regeln greifen mancherorts bereits: Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg etwa teilte mit, dass ungeimpfte und nicht genesene Studenten trotz negativen Corona-Tests nicht in den Hörsaal kommen dürfen. Ist das gerechtfertigt?
Bauernfeind: Nein, ist sie pauschal nicht. Uns als RCDS geht es darum, dass jeder den gleichen Zugang zu Bildung hat. Dafür muss 3G konsequent durchgesetzt werden, bevor man überlegt, eine 2G-Regel einzuführen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass regionale Erhebungen gezeigt haben, dass die Impfquote bei Studenten überdurchschnittlich hoch ist, sie liegt bei 80 bis 85 Prozent, wenn nicht noch höher.
Abgesehen davon muss man auch mitbedenken, dass ein hybrides System allein nicht das Gelbe vom Ei ist, was die Qualität angeht; insbesondere mit Blick auf die Koordination. Der sogenannte Digitalisierungsschub, der während der Pandemie oft propagiert wurde, entspricht überwiegend leider nicht der Wahrheit. Es reicht eben nicht, dass jeder Professor nun einen Webex-Zugang hat und dass das WLAN ein wenig ausgebaut wurde.
WELT: Was macht der RCDS für Studenten, die nun von der Präsenzlehre ausgeschlossen werden sollen?
Bauernfeind: Wir verstehen uns als Lobby für Studenten – innerhalb der CDU-Familie. Gerade auf Landesebene, wo auch die jetzt geltenden Corona-Maßnahmen beschlossen werden. Unabhängig von der CDU haben Studenten in der Corona-Krise kaum eine Rolle gespielt – das haben wir sehr oft kritisiert.
WELT: Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen RCDS und CDU vorstellen?
Bauernfeind: Wir sind eine Sonderorganisation der CDU und begleiten die Parteipolitik kritisch. Natürlich auch unterstützend, aber es gibt eben durchaus Punkte, die wir als Hochschulpolitiker anders sehen – das kommunizieren wir dann auch so.
WELT: Sind unsere Universitäten in den letzten Jahren zu „woke“ geworden?
Bauernfeind: Es ist leider inzwischen auch in Deutschland so, dass man beim Betreten eines Campus sehr schnell weiß, was man sagen sollte – und was lieber nicht. Es ist nicht so, dass man bedroht würde, aber es ist extrem unangenehm, eine Meinung zu vertreten, die dem Zeitgeist widerspricht. Etwa, dass man Klimapolitik nicht ohne Wirtschaftspolitik denken kann.
Das Debatten-Klima wird zusehends rauer, das beobachten wir als RCDS deutschlandweit schon seit längerer Zeit. Und eine neue deutschlandweite Allensbach-Umfrage bestätigt, dass etwa 40 Prozent der rund 1000 befragten Universitätsprofessoren das Gefühl haben, unter dem Druck des Meinungsklimas an Hochschulen zu stehen.
WELT: Fühlt man sich als Konservative an einer deutschen Universität noch wohl?
Bauernfeind: Ich würde nicht pauschal sagen, dass man sich unwohl fühlt, aber es ist bisweilen eine andere Welt – mit der muss man klarkommen. Und vor allem klarkommen wollen.