Wettquoten

Buchmacher sehen Ukraine beim ESC vorne

15.03.2022
Lesedauer: 5 Minuten
Mitglied der ukrainischen Band Kalush Orchestra (bei einem Auftritt im August 2021 in Lwiw) : Hat »Stefania« Siegchancen? Foto: Alyona Nikolayevych / Ukrinform / IMAGO

Vom Nachrücker zum Topfavoriten: Das Kalush Orchestra, das die Ukraine beim Eurovision Song Contest vertritt, führt die Ranglisten der Wettbüros an. Die Bandmitglieder haben momentan ganz andere Sorgen.

Die Ukraine ist laut Buchmachern der Favorit auf den Sieg beim diesjährigen Eurovision Song Contest (ESC) in Turin. Internationale Wettanbieter sehen die ukrainische Band Kalush Orchestra, die mit dem Song »Stefania« antreten wird, vorne – und prognostizieren damit auch eine Solidaritätsbekundung Europas im Ukrainekrieg.

Der Anbieter Unibet etwa bot am Montag die Siegquote 2 an, zahlt also bei zehn Euro Einsatz im Falle eines Sieges der Ukraine 20 Euro aus. Mitte Februar war die Ukraine, die sich in einem der Halbfinals (10. und 12. Mai) noch für das Finale am 14. Mai qualifizieren muss, in einem Gesamtranking einiger Buchmacher noch im Mittelfeld positioniert.

Beim ukrainischen Vorentscheid war am 12. Februar zunächst die Sängerin Alina Pash als Kandidatin bestimmt worden. Die Wettbüros, deren Quoten auf dem Übersichtsportal Oddschecker archiviert werden, boten nach der Show eine Quote von 4/1 für einen Sieg der Sängerin. Doch wegen offener Fragen zu einer Reise der Sängerin auf die von Russland annektierte Halbinsel Krim im Jahr 2015 zog Pash am 16. Februar ihre Teilnahme zurück – die Quoten der Ukraine rutschten stark ab.

Nach Verkündung des Kalush Orchestra als Nachrücker am 22. Februar boten die Buchmacher Quoten um die 10/1 für Wetten auf einen ESC-Sieg von »Stefania«. Doch mit dem Kriegsbeginn änderten sich die Wettquoten schlagartig: Schon am 25. Februar boten einige Wettanbieter nur noch eine Gewinnquote von 2/1 für einen ukrainischen Sieg. Inzwischen gibt es namhafte Büros wie Coral oder Ladbrokes, die bei einer Quote von 6/5 also nur noch wenig mehr als den Einsatz bei einem ukrainischen ESC-Sieg auszahlen würden.

Kalush Orchestra: Beim ESC der Ukraine nutzen

Für die Topfavoriten der Wettbüros liegt der Song Contest aber noch in weiter Ferne. Der Frontmann des Kalush Orchestra, Oleh Psiuk, verteilt in der Westukraine mit einer 20-köpfigen Gruppe Arzneimittel und hilft Menschen, die vor dem Krieg fliehen. Einer seiner Bandkollegen dient in der Territorialverteidigung, berichtet er der Nachrichtenagentur Reuters.

Die starken Wettquoten lassen Psiuk derzeit kalt: »Ich kann mich darüber nicht freuen, während ich mich um meine Liebsten sorge. Der Krieg hat mich von meiner Freundin getrennt«, sagt er. Sie halte sich 300 Kilometer entfernt auf, sitze in einem Bunker und ständig seien Luftalarmsirenen zu hören.

Der Rapsong »Stefania«, den das Kalush Orchestra ins Rennen schickt, ist an eine Mutter gerichtet. Er enthält die Zeile: »Ich werde immer meinen Weg nach Hause finden, auch wenn alle Straßen zerstört sind.«

Im Moment üben die Bandmitglieder getrennt voneinander

Die ukrainische Delegation habe ihre Teilnahme bestätigt und rechtzeitig alle erforderlichen Unterlagen eingereicht, teilte die Produzentin des im Mai in Italien stattfindenden internationalen Musikwettbewerbs, Simona Martorelli, mit. »Das ist in Anbetracht der Situation absolut bewundernswert«, fügte sie hinzu.

Im Moment üben die Bandmitglieder getrennt voneinander, planen aber ein baldiges Treffen in Lwiw, um ihren Song »Stefania« gemeinsam zu proben. Die Künstler wollten versuchen, ein »Back-up-Video« aufzunehmen, das von allen zum Wettbewerb Eingeladenen verlangt wird, falls sie nicht live teilnehmen können, sagte Martorelli. »Hoffentlich schaffen sie es«.

»Unter welchen Umständen auch immer wir zum ESC reisen werden: Ich werde mich bemühen, der Ukraine von Nutzen zu sein«, sagt Oleh Psiuk. »Selbst wenn der Krieg in baldiger Zukunft zu Ende wäre, wird es nicht einfach werden, weil wir viel Zeit für den Wiederaufbau brauchen werden.«

Bei einem Sieg des Kalush Orchestra dürfte die Ukraine den Eurovision Song Contest 2023 ausrichten – so wie zuletzt 2017 nach dem Triumph der Sängerin Jamala, deren Song »1944« von der Deportation der Krimtataren zu Sowjetzeiten handelte. Sollte die Ukraine aber finanziell oder organisatorisch nicht in der Lage sein, ESC-Gastgeberin zu sein, könnte ein anderes Land als Ausrichter einspringen. Dies ist schon mehrfach vorgekommen, zuletzt 1980, als Israel nach dem zweiten Sieg in Folge nicht erneut die kostspielige Gastgeberrolle ausüben wollte. Damals sprang das niederländische Fernsehen ein und richtete den Wettbewerb in Den Haag aus.

Kalush Orchestra wollen bei ihrem Auftritt beim Song Contest in Turin die Botschaft verbreiten, dass es keine Garantien gebe: »Auch wir dachten nicht, dass uns so etwas passieren könnte«, sagt Psuk. »Wir müssen es so schnell wie möglich beenden. Wir wollen, dass endlich Frieden einkehrt in der Ukraine.«

Italien und Schweden mitfavorisiert

Der ESC ist schon jetzt stark vom Ukrainekrieg geprägt. Russland wurde nach der Invasion in die Ukraine durch den ESC-Veranstalter – das ist der Senderverbund EBU (Europäische Rundfunkunion) – vom diesjährigen Song Contest ausgeschlossen.

Bei den Wettquoten auf dem zweiten Platz liegen derzeit Mahmood & Blanco, die in Turin mit ihrem Song »Brividi« das Gastgeberland Italien vertreten. Die Sänger gewannen im Februar das traditionelle Musikfestival von Sanremo – und haben laut Buchmachern gute Chancen, den Erfolg von Måneskin zu wiederholen. Die Band hatte 2021 erst das Festival in Sanremo und dann auch den Eurovision Song Contest gewonnen.

Auf Platz drei lag Schwedens Starterin Cornelia Jakobs, die mit dem Song »Hold Me Closer« ins Rennen geht. Deutschlands Teilnehmer Malik Harris (»Rockstars«) befand sich am Montag unter den insgesamt 40 Nationen, die mittlerweile alle ihren ESC-Beitrag gemeldet haben, im Ranking auf Platz 24 (Unibet-Siegquote 151) von 40 Plätzen. Die Buchmacher lagen mit den ESC-Spitzenplätzen oft richtig. feb/dpa/AFP/Reuters

Das könnte Sie auch interessieren

Für Energiekonzern
01.12.2024
EU-Plan gescheitert
29.11.2024
ARD-Show "Die 100"
26.11.2024
Abstimmung über neue EU-Kommission
27.11.2024

Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

11 − 4 =

Weitere Artikel aus der gleichen Rubrik

ARD-Show "Die 100"
26.11.2024

Neueste Kommentare

Trends

Alle Kategorien

Kategorien