"Markus Lanz"

Afghanistaneinsatz „nicht unerfolgreich“ – ein Satz eines CSU-Politikers macht den Experten fassungslos

26.08.2021
Lesedauer: 5 Minuten
Die Gäste bei Markus Lanz (l): CSU-Generalsekretär Markus Blume, Linken-Parteivorsitzende Janine Wissler, Autor Emran Feroz, Journalist Robin Alexander (v.l. n.r.) © Screenshot ZDF

Der Afghanistaneinsatz ist gescheitert. Das sieht ein CSU-Politiker allerdings nicht so. Überhaupt scheinen noch viel zu viel falsche Vorstellungen zu kursieren. Gut, dass ein Afghanistan-Experte mit vielen Irrtümern aufräumte.

Da saß also dieser CSU-Politiker am Mittwochabend bei Markus Lanz und sprach davon, dass der gesamte Afghanistaneinsatz „nicht unerfolgreich“ gewesen sei. Die Idee sei die der Antiterrorbekämpfung gewesen. „Dieser Teil war ja durchaus erfolgreich“, befand Markus Blume und man fragte sich, was ist mit diesem Mann denn bitte los, wie kommt er denn auf solchen Fantasy-Kram? Zwei andere Gäste, Janine Wissler und Emran Feroz, konnten auch nur den Kopf schütteln. Und widersprachen heftig. „Es gab massenhaft Anschläge in den letzten Jahren in Afghanistan“, warf die Linken-Politikerin ein. Feroz, der kaum fassen konnte, was er da gerade gehört hatte, erinnerte Blume: „Die Taliban haben gerade Kabul erobert, kontrollieren fast das ganze Land und sind die am besten aufgestellte islamistisch-militante Gruppierung der Welt.“ Man muss wissen: Feroz hat selbst afghanische Wurzeln, kennt das Land gut und hat viele Kontakte dorthin. In bester Unkenntnis redete Blume dennoch weiter: „Es ist gelungen, den internationalen Terrorismus einzudämmen.“ Erneuter Einspruch von Feroz: „Auch das stimmt nicht.“ Al Kaida habe sich global ausgebreitet, agiere in Regionen weltweit wie im Jemen und Syrien. „Osama bin Laden würde sich heute freuen“, so der Journalist und Buchautor.

  • Robin Alexander, Journalist
  • Markus Blume, CSU-Generalsekretär
  • Emran Feroz, Autor
  • Janine Wissler, Linken-Parteivorsitzende

Überhaupt war Feroz für die Sendung ein großer Gewinn. Ein Kenner der Thematik, der deutlich machte: „Auf Kosten afghanischer Menschenleben wird seit Jahren Wahlkampf gemacht.“ Es würden nicht nur Menschen nach Afghanistan abgeschoben, die schwere Straftaten verübt hätten. „Man gilt ja schon als Straftäter, wenn man mit der S-Bahn schwarzfährt.“ Blume war sichtlich aufgebracht: „Sie können doch nicht jeden Straftäter bagatellisieren.“ Auch Lanz und Alexander zeigten sich irritiert und beharrten darauf, dass es sich bei abgeschobenen Afghanen ausschließlich um Kriminelle handle. Wissler stellte sich argumentativ an die Seite von Feroz und machte deutlich, dass sie Kenntnis habe über zahlreiche Fälle, in denen man junge Männer abgeschoben habe, die keine Straftäter waren: „Bei einem hieß es, sie sind jetzt 18 Jahre alt, sie werden abgeschoben.“ Dass Blume das fremd war, denn er wies das deutlich von sich, kann man kaum glauben. Denn beispielsweise 2018 legten Recherchen des ARD-Magazins Panorama offen, dass mindestens 50 der 69 „Seehofer-Afghanen“ weder Gefährder noch Straftäter waren, sondern bereits gut integriert, auch in den deutschen Arbeitsmarkt.

Das „Lanzsche Tribunal“ schießt sich auf Wissler ein

Ein anderer Blick zurück, in den Dezember 2016, geht zu einer Protestkundgebung auf dem Frankfurter Flughafen. Sprechchöre forderten: „Abschiebung ist Folter, Abschiebung ist Mord, Bleiberecht für alle, jetzt sofort.“ Unter den Demonstranten war damals auch Janine Wissler, die auch bei Lanz bekräftigte, dass sie sich immer für die Rettung von Flüchtlingen starkgemacht habe. Warum aber, so der Moderator, habe sie sich dann bei der heutigen Abstimmung im Bundestag über die Evakuierungsmission der Bundeswehr, und mit ihr die Mehrheit der Linken, bis auf wenige Ausnahmen, enthalten? Die Politikerin wurde zu dieser Frage gleich dreifach in die Mangel genommen. Neben Lanz schossen sich auch Blume und Alexander auf sie ein. Man kennt das ja, das Lanzsche Tribunal. So agierte er unter anderem auch bei einer anderen Linken-Politikerin, bei Sahra Wagenknecht. Und auch wenn jede Nachfrage berechtigt ist, so wünscht man sich, dass Lanz dieses „Schießen von allen Seiten“ irgendwann mal sein lässt, weil dadurch die Diskussionsebene verlassen wird und es nur noch darum geht, jemanden in die Enge zu treiben. Feroz machte en passant noch klar, dass er ohnehin die Rettungsaktion für eine Augenwischerei hält: „Es ist generell schockierend, dass in der deutschen Blase so getan wird, als würde man die Leute doch noch retten wollen.“

Warum also hat Janine Wissler das getan? Auch wenn die Linken im Bundestag bisher gegen alle Auslandseinsätze der Bundeswehr gestimmt haben und von Anfang an gegen den Einsatz des Militärs in Afghanistan waren, ist schwer nachzuvollziehen, warum hier, da es um Rettung von Menschenleben geht, nicht von der Strategie abgewichen wird. Wissler betonte mehrfach, dass sie, indem sie sich enthalten habe, auf keinen Fall gegen die Rettung gestimmt habe. Die Einwände, die sie anzubringen hatte, konnte sie aber wegen der Verbalwalze des Tribunals nicht deutlich genug machen. Wesentlich sei für sie, dass der Kreis der Menschen, die ausgeflogen werden sollen, viel zu begrenzt sei: „Es handelt sich explizit um designierte Personen, die gerettet werden sollen. Diese Eingrenzung halten wir für ein riesiges Problem.“ Besonders prangerte Wissler die ausgesetzten „Bleibeprämien“ an, die Menschen erhalten würden, wenn sie sich verpflichten, sich nicht retten zu lassen. Scharfe Kritik übte sie auch daran, dass das Mandat den Einsatz militärischer Gewalt umfasse, sollte es nötig sein, die zu evakuierenden Personen zu schützen.

Blume wendet sich heraus

Nun dürfte selbst dem größten Pazifisten klar sein, dass mit den Taliban kein Kuschelkurs möglich ist. Trotzdem, Blume überlegte derweil laut, wie „man mit den Taliban ins Gespräch kommen könne.“ Und tat sonst alles, um davon abzulenken, dass noch im Juni 2021 Union und SPD gegen einen Antrag der Linken und der Grünen gestimmt hatten, der die Rettung von Ortskräften in Afghanistan bereits in Gang bringen wollte. „War das ein Fehler?“, hatte Lanz am Vortag bereits Stephan Weil gefragt. „Natürlich war das ein Fehler“, hatte der SPD-Politiker zugegeben. Nicht so Blume. Der lenkte lieber immer wieder zu Wissler und warf ausgerechnet ihr vor, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. „Die Grünen und die Linken hatten doch damals Recht“, beharrte Lanz. Und hakte immer wieder nach. 

Blume wand sich heraus. Man habe es damals nicht so genau wissen können. Als später die Sprache auf den Kanzlerkandidaten der Union kam, konnte er immerhin ganz genau sagen: „Wir tun alles dafür, dass Laschet gewinnt.“ Er, wie man weiß, ein bekennender Söder-Fan, habe sogar in seinem Wahlkreis „Armin Laschet plakatiert“. Dass das überhaupt erwähnt werden muss, lässt ohnehin tief blicken. Zu den aktuellen Umfrageergebnissen sagte er: „Uns gefällt das auch nicht.“ Allein: „Wir dürfen als CSU unsere Möglichkeiten nicht überschätzen.“ Hört, hört. Solche Sätze von einem CSU-Politiker. Ausgerechnet. Ob sich da wohl Franz Josef Strauß gerade im Grab umdrehe, überlegte Robin Alexander lachend.

rw

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