Stefan Aust

„Wir müssen sehr aufpassen, dass aus dem Lockdown nicht ein Knock-down wird“

04.04.2021
Lesedauer: 2 Minuten
WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust Quelle: Oliver Schulze/WELT

Bei der Corona-Bekämpfung setzen einige auf härtere Maßnahmen, andere arbeiten an Öffnungsstrategien. WELT AM SONNTAG-Herausgeber Stefan Aust plädiert für eine differenzierte Beurteilung der Lage und warnt vor den Gefahren einer Überbürokratisierung.

WELT AM SONNTAG: Ausgangssperren in Hamburg und Hannover, die Bremen ablehnt, Öffnungsideen in anderen Bundesländern – laut einer Umfrage kennen nur 17 Prozent der Befragten alle derzeit geltenden Corona-Regeln. Wie sehen Sie diese Gemengelage?

Stefan Aust:  Wir müssen gerade sehr aufpassen, dass aus dem Lockdown nicht ganz bald ein Knock-down wird. Es ist ja prinzipiell richtig, dass sich die einzelnen Regionen nach ihrer jeweiligen Infektionslage ausrichten, auch wenn das dann zu einer Uneinheitlichkeit führt. Kritischer sehe ich, wonach die Lage bemessen wird – nämlich vor allem nach dem Inzidenzwert, der auch durch mehr Testungen nach oben geht, und weniger zum Beispiel danach, ob es überhaupt noch eine Übersterblichkeit gibt. Die Zahl der Todesfälle zum Beispiel hat zuletzt deutlich abgenommen, das wird sehr wenig besprochen. Stattdessen wird mit immer weiteren Anordnungen regiert. Aber es ist doch so: Wenn ein Tisch wackelt, ist es selten zielführend, ständig weiter an den Tischbeinen zu sägen in der Hoffnung, dass es irgendwann mal passt.

WELT AM SONNTAG: Auch in anderen europäischen Ländern ist die Lage ähnlich. Ist diese Entwicklung ein schwerer Rückschlag für die gesamte EU, weil es auf anderen Kontinenten besser läuft?

Aust:  Die Pandemie zeigt, dass große Einheiten, die von sehr unterschiedlichen Strukturen geprägt sind, schwerer zu führen sind. Wir erleben das in der Form einer Überbürokratisierung und sehen gleichzeitig, dass pragmatische Lösungen in kleinen Einheiten wie etwa in Tübingen schneller zum Ziel führen.

WELT AM SONNTAG: Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass daraus langfristig etwas gelernt wird?

Aust:  Das Verharren in solchen Strukturen ist in aller Regel sehr beständig und die Lernfähigkeit eher wenig ausgeprägt. Ich befürchte, dass wir das wieder erleben werden.

Stefan Aust ist Herausgeber der WELT AM SONNTAG. Die Fragen stellte Jörn Lauterbach.

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