Gunnar Schupelius – Mein Ärger

Früher war man sicher in Berlin, heute ist man es nicht mehr

10.09.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Die Karl-Marx-Straße in Neukölln: Hier stürzte sich ein junger Mann morgens um 7.30 auf ein Auto, um den Fahrer auszurauben Foto: Christian Lohse

Es gab eine Zeit, in der man sich sogar abends und nachts unbehelligt auf den Straßen der Stadt aufhalten konnte. Diese Zeit ist vorbei. Das ist das Problem.

Montag, 7.30 Uhr, Karl-Marx-Straße, Höhe Alfred-Scholz-Platz, Berufsverkehr ein ganz normaler Morgen. Autos halten an einer Ampel, die Fußgänger haben Grün.

Plötzlich geht ein junger Mann auf das erste Fahrzeug zu. Er hat schwarzes Haar, trägt einen hellen Hoodie und einen Rucksack. Mit viel Kraft versucht er, die Tür hinter der Fahrertür zu öffnen. Er zieht und zerrt und spuckt gegen das Fenster.

Da sich die Tür nicht öffnen läßt, geht er zur Heckklappe und versucht es dort. Am Steuer sitzt ein Berliner auf dem Weg zur Arbeit, IT-Spezialist, verheiratet, Vater zweier kleiner Kinder.

Er wird unruhig, hupt wiederholt. Da holt der Angreifer ein Messer aus dem Rucksack und fuchtelt damit herum. In diesem Moment springt die Ampel auf Grün, der Fahrer drückt aufs Gas.

Er erzählt mir von diesem Morgen in Neukölln: „Der junge Mann war sicherlich unter 18 Jahre alt. Er hatte überhaupt keine Angst, keine Skrupel, er ging routiniert auf mich zu. Er wollte in mein Auto rein, obwohl ihn zahlreiche Menschen beobachteten.“

Wie war das möglich mitten in Berlin? Solche Szenen sind aus anderen Ländern bekannt, nicht aus Deutschland. Er würde jetzt einen anderen Weg zur Arbeit nehmen, sagt mir der Mann, der knapp dem Messeranschlag entkam, er steht unter Schock. Was ist los in Berlin? fragt er mich.

Unter Schock stehen auch immer noch Kolja Kleeberg und Peter Wolf. Kleeberg, der bekannte Koch, geht am 26. Juni um 23 Uhr zu Fuß nach Hause. Auf der Kantstraße kommen ihm vier junge Männer entgegen. Sie verlangen sein Handy und sein Geld, sie schlagen ihn zu Boden, treten ihm gegen die Brust und schleudern ihn in einen Hauseingang. Er kommt ins Krankenhaus.

Am 5. September nachmittags stellte der TV-Produzent Peter Wolf an der Tiefgarage vor seinem Wohnhaus in Charlottenburg, nahe Wilmersdorfer Straße, eine teure Aktentasche mit wertvollen Unterlagen ab. Kurz darauf war sie weg. Zwei Zivilpolizisten stellten den Täter, einen bewaffneten Algerier ohne festen Wohnsitz.

Wieder ein anderer, der ungenannt bleiben will, erholt sich nur schwer von einem Überfall mittags in Spandau: Zwei Männer hielten ihm ein Messer an den Hals und nahmen ihm seine Armbanduhr ab.

Es gibt Leute, die sagen: Nach 20 Uhr gehen wir jetzt nicht mehr aus dem Haus. Und alle sagen: Das war doch früher nicht so. Früher konnte man doch unbehelligt durch Spandau oder auf der Kantstraße gehen oder morgens durch die Karl-Marx-Straße fahren. Damit ist es vorbei. Alle wissen, warum. Alle wissen, wer die Messer schwingt.

Egal welche Partei regiert: So kann es nicht weitergehen. Gebt uns unsere Stadt zurück!

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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