In Hamburg erhalten Bar- und Clubbesitzer, die ausschließlich Geimpften und Genesenen ihre Türen öffnen, künftig Vorteile. Das ist nicht nur unfair gegenüber denen, die weiter an 3G festhalten, kommentiert Axel Schröder. Das 2G-Modell könnte auch den sozialen Zusammenhalt schwächen.
Die epidemische Lage bleibt uns erhalten. Das ist aus Sicht der Bundesländer auch verständlich. Denn nach wie vor gibt es große geografische Unterschiede beim Infektionsgeschehen. Und ein Instrument, das den Ländern die Möglichkeit gibt, passgenaue Rechtsverordnungen für die jeweiligen Inzidenz- und Hospitalisierungswerte zu erlassen, geben sie nur ungern aus der Hand.
Tschentscher: 2G gleicht „Impfpflicht durch die Hintertür“
Vor allem aber ist noch längst nicht klar, wie die Länder ihren Spielraum beim Infektionsschutz nutzen werden. Hoffentlich nicht so wie der Hamburger Senat es erst gestern, mit der Einführung des 2G-Optionsmodells, getan hat. Schon ab Samstag dürfen Gastronomiebetriebe, Kinos, Schwimmbäder, Hotels, Fußballklubs oder Musikclubs das 2G-Modell anwenden. Dann werden nur noch Geimpfte oder Genesene reingelassen. Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher räumt ein: 2G gleicht einer „Impfpflicht durch die Hintertür“. Angesichts hoher Impfquoten und weniger Corona-Toten sei die Einführung von 2G schon verfassungsrechtlich geboten. Und es bestehe ja kein Zwang zur Einführung von 2G. Gaststätten und Bars könnten auch bei 3G bleiben, also Genesene, Geimpfte und Getestete Menschen einlassen. Von einer freien Entscheidung kann aber keine Rede sein.
Friss 2G oder stirb weiter langsam
Denn für alle, die an 3G festhalten, gelten nach wie vor strikte Regeln: also die Begrenzung der Gästezahl und – das ist besonders bitter – die Sperrstunde ab 23 Uhr, die einen wirtschaftlichen Betrieb unmöglich macht. 2G bedeutet dagegen die große Freiheit: Die Sperrstunde fällt und die Läden wären wieder fast voll. Für die durch drei Lockdowns finanziell gebeutelten Barbesitzer und Clubchefinnen bedeutet das: Friss 2G oder stirb weiter langsam. Der Senat verschiebt damit die Verantwortung für das 2G-Modell auf diejenigen, die es aus wirtschaftlicher Not anwenden müssen. Und wenn in einer feiernden Gruppe jemand nicht geimpft ist und es deshalb Stress am Eingang gibt, muss sich nicht der Senat, sondern die Barbelegschaft mit diesen Menschen herumschlagen.
Hamburger Senat missachtet STIKO-Empfehlungen
Dazu kommt: für Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, gibt es ausdrücklich keine Ausnahmen. Und nach einer sechswöchigen Schonfrist gilt das auch für Kinder zwischen zwölf und 17 Jahren. Der Hamburger Senat führt also einen indirekten Impfzwang ein, auch für Kinder und Jugendliche und missachtet dabei die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission. Die hat betont: Wenn junge Menschen sich gegen eine Impfung entscheiden, darf ihre gesellschaftliche Teilhabe nicht eingeschränkt werden. Und so könnte das Hamburger 2G-Modell nicht nur den sozialen Zusammenhalt in der Stadt schwächen. Fraglich bleibt auch, ob der Ausschluss von negativ getesteten Menschen wirklich den Infektionsschutz nach vorne bringt.
Axel Schröder, geboren 1971 in Uelzen / Niedersachsen, hat in Göttingen und Berlin Soziologie, Politik, Jura und Publizistik studiert. Nach Stationen bei der „taz“ und dem „Freitag“ arbeitet er seit 2003 als freier Hörfunkjournalist. Seit vier Jahren berichtet er als Landeskorrespondent von Deutschlandradio aus Hamburg.