Marc Felix Serrao

Ein CDU-Chef Helge Braun würde die Ära Merkel nur verlängern

11.11.2021
Lesedauer: 3 Minuten
Helge Braun, Chef des Bundeskanzleramts. Florian Gaertner / Imago

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Helge Braun gilt als kluger, angenehmer und besonnener Mensch. Das sagen in der CDU nicht nur Parteifreunde, die dem Chef des Bundeskanzleramts politisch nahestehen. Das sagen auch Leute, die das nicht tun, die seine Nähe zu Angela Merkel kritisch sehen und seine Arbeit, etwa als Bund-Länder-Koordinator in der Flüchtlingskrise oder als Pandemie-Stratege der Kanzlerin, für gescheitert halten.

Es gibt nicht viele Spitzenpolitiker, denen gelingt, was Braun gelungen ist: Kontrahenten zu haben, aber keine nennenswerten Feinde. Das spricht rein menschlich für den schwergewichtigen Mediziner aus Hessen; solche Typen tun jeder politischen Partei gut. Die Frage ist, auf welchem Posten sie guttun.

Ein Geschöpf der Gremien, nicht der Basis

Seit Tagen schon wabern Gerüchte über eine Kandidatur Brauns für den CDU-Vorsitz durch die Republik, neuerdings auch mit Datum: Am Freitag will der hessische Landesverband auf einer vorgezogenen Sitzung dem Vernehmen nach darüber beraten, ob er sein Mitglied Braun ins Rennen schickt – wenn der sich denn traut. Falls ja, dürfte sich einer besonders freuen, und das ist Friedrich Merz. Denn wenn es einen Kontrahenten gäbe, der Merz trotz seinen 65 Jahren wie einen Kandidaten des Aufbruchs und Neuanfangs aussehen liesse, dann der Hesse.

Helge Braun als Parteichef: Das wäre Angela Merkel in männlich und 18 Jahre jünger. Andere Christlichdemokraten mögen «Merkelianer» sein, weil sie den Kurs der Kanzlerin für Land und Partei richtig fanden; dem scheidenden Parteichef und krachend gescheiterten Kanzlerkandidaten Armin Laschet haftete das Etikett auch an, wenngleich in mancher Hinsicht zu Unrecht. Aber Braun hat Merkels Kurs nicht nur gut gefunden. Er hat ihn an ihrer Seite mitformuliert und dann im Herzen der Exekutive umgesetzt. Er war ihr Mann an der Spitze des Kanzleramts. Er wäre ihr Mann an der Spitze der Partei.

Man kann solche Karrieren theoretisch als Ausdruck politischer Kontinuität und Stabilität begreifen. Allerdings spricht die praktische Bilanz derjenigen, die mit Merkels Segen an die Spitze der CDU kamen, dagegen. Annegret Kramp-Karrenbauer mag eine tüchtige Verteidigungsministerin gewesen sein, aber als Parteivorsitzende ging sie ähnlich schnell unter wie nach ihr Laschet. Letzterer hatte die Mitglieder der CDU nicht erst in der heissen Phase des Wahlkampfs verloren, wo er sie am meisten gebraucht hätte. Er konnte sie nie für sich gewinnen.

Beide, Kramp-Karrenbauer und Laschet, waren Geschöpfe der Parteigremien, nicht der Basis. Braun wäre der Dritte in dieser Reihe, mit dem Unterschied, dass jetzt zum ersten Mal die Basis gefragt werden soll.

Koordinator von Merkels Flüchtlingspolitik

Auch inhaltlich könnte sich Merz für diesen Gegner nur bedanken. Deutschland hat an diesem Mittwoch fast 40 000 Corona-Neuinfektionen und 236 Todesfälle gemeldet. Die Pandemie-Politik der inzwischen nur noch geschäftsführenden Bundesregierung liegt in Scherben – massgeblich mitverantwortet vom Chef des Kanzleramts. Und an der Grenze zwischen Polen und Weissrussland erinnern Migranten, die «German! German!» skandieren, daran, dass die sogenannte Willkommenskultur der scheidenden Kanzlerin auch in der Gegenwart noch einen Migrationsdruck befördert, der den ganzen Kontinent erschüttert – massgeblich mitverantwortet vom Chef des Kanzleramts.

Friedrich Merz hat Schwächen, keine Frage. Und die Frage, gegen wie viele Parteifreunde er am Ende antreten muss, ist offen. Aber der Kontrahent Helge Braun wäre für seine Kandidatur ein wahrer Booster.

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