Mein Ärger

Das Grundgesetz muss auch gegen die Regierung verteidigt werden

23.05.2024
Lesedauer: 3 Minuten
Die Inschrift am Bundestag fasst es kurz zusammen: In der Demokratie geht alle Macht von den Wählern aus / Foto: picture alliance / imageBROKER

Unsere Verfassung garantiert nicht nur die demokratische Mitbestimmung, sondern das Recht jedes einzelnen Menschen, vor allem gegenüber dem Staat.

Vor 75 Jahren trat das Grundgesetz in Kraft. Bundesregierung und Bundestag laden deshalb drei Tage lang zu einem „großen Demokratiefest“ ins Regierungsviertel ein.

„Unser Grundgesetz hat 75 Jahre Freiheit, Frieden und Demokratie in Deutschland ermöglicht“, heißt es in der Einladung. Das sei eine „Erfolgsgeschichte“, aber „keine Selbstverständlichkeit“.

Stimmt beides: Nie zuvor in der Geschichte konnten Menschen in Deutschland so frei und sicher leben wie seit 1949 im Westen und seit 1990 im ganzen Land. Freiheit und Recht müssen immer neu verteidigt werden, das stimmt auch, denn sie haben viele Feinde.

Die Bundesregierung sieht die Feinde der Demokratie vor allem am äußeren rechten Rand des politischen Spektrums. Das ist eine sehr einseitige Deutung. Denn Freiheit und Recht müssen nicht nur gegen die Rechtsradikalen verteidigt werden, sondern insgesamt an fünf Fronten, die ich hier nennen möchte.

Erstens: Tatsächlich sammeln sich rechts außen Feinde der Demokratie, zum Beispiel bei den Reichsbürgern, die die Bundesrepublik als Staat nicht anerkennen wollen. Sie werden immer mehr, das ist ein großes Problem.

Zweitens: Seit den späten 1960er-Jahren wird der Staat auch von ganz links infrage gestellt oder sogar mit Gewalt bekämpft. Die radikalisierte Studentenbewegung wollte einen neuen Sozialismus, die „Rote Armee Fraktion“ (RAF) wollte diesen Sozialismus mit Mord und Totschlag herbeiführen. Hausbesetzer, Atomkraftgegner und viele andere kämpften ebenfalls gegen den demokratischen Staat.

Drittens: Der wachsende radikale Islam erkennt wesentliche Artikel des Grundgesetzes nicht an, nicht die Meinungs- und Religionsfreiheit, nicht die gleichen Rechte der Geschlechter, um nur Beispiele zu nennen. Immer mehr Islamisten, die in Deutschland leben, wollen den Staat vernichten und durch ein Kalifat ersetzen.

Viertens: Der Lockdown hat gezeigt, dass auch die Regierung zur Gefahr für das Grundgesetz werden kann, wenn sie leichtfertig Grundrechte außer Kraft setzt, so wie es in den Jahren 2020 und 2021 geschah. Die Bundesinnenministerin und der Präsident des Bundesverfassungsschutzes wollen die Meinungsfreiheit unterhalb der Strafgrenze einschränken, das ist eine Gefahr für Grundgesetz Artikel 5.

Fünftens: Auch die Gesetzgebung der EU ist eine Gefahr für unsere Demokratie: Rund 70 Prozent unserer Gesetze stammen aus EU-Richtlinien und nicht vom Deutschen Bundestag, der sie als Erfüllungsgehilfe automatisch übernimmt. Das ist nicht im Sinne des Grundgesetzes, das einzig und allein die Bürger, also das Volk, als höchste Instanz der Gesetzgebung kennt.

Das Grundgesetz muss also auch gegen die EU-Kommission verteidigt werden und gegebenenfalls gegen die Bundesregierung, wenn sie Grundrechte und demokratische Verfahren einschränken.

Das Grundgesetz garantiert nicht nur die demokratische Mitbestimmung, sondern das Recht jedes einzelnen Bürgers, vor allem gegenüber dem Staat.

Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de

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