Ging es darum, deutsche Muslime gegenüber dem Staat zu repräsentieren, waren Aiman Mazyek und sein Zentralrat der Muslime bislang stets dabei. Nun aber zeigt das einwohnerstärkste Bundesland dem ZMD erstmals die kalte Schulter – ein Präzedenzfall?
Aiman Mazyek ist das Gesicht des deutschen Islams. Kein zweiter Muslim ist seit Jahren medial so präsent und politisch so vernetzt. Mit Kanzlerin Merkel gedachte er Arm in Arm der Opfer islamistischen Terrors. Mit dem damaligen Vizekanzler Gabriel reiste er schulterklopfend durch die islamische Welt. Mit diversen Bundespräsidenten plauderte er in Schloss Bellevue. Und kaum ein Dialog-Forum kam ohne ihn aus. Brauchte der Staat einen repräsentativen Muslim, waren Mazyek und der von ihm geführte Zentralrat der Muslime Deutschlands (ZMD) erste Wahl. Jedenfalls bislang.
Erstaunlich war das stets. Schließlich umfasst der Zentralrat nur wenige Zehntausend von bundesweit rund fünf Millionen Muslimen. Und immer prägten ihn laut Verfassungsschutz auch islamistische und türkisch-nationalistische Kräfte. Doch Mazyek war eben eine Marke. Kommunikativ. Charmant. Nie um ein verbindliches Wort verlegen. Und als Person eher im Lager konservativer Reformer als in dem der Islamisten beheimatet. Unbestreitbar hat er sich beispielsweise über Jahre für das Gedankengut eines Reformers wie Muhammad Asad eingesetzt – und damit bei manch ultrakonservativem Glaubensbruder Kopfschütteln ausgelöst.
Jetzt aber droht der Aachener abzustürzen. Dafür verantwortlich ist das Schulministerium in NRW. Es lehnt Mazyeks Zentralrat als Partner ab. In Kürze wird es die Mitglieder einer muslimischen Kommission vorstellen, die den islamischen Religionsunterricht an den Schulen im Land mitgestalten soll. In vergleichbaren Gremien saß bislang stets auch der ZMD.
Nun aber wird er ausgebootet, weil er nach Ansicht des Landes die Teilnahme-Kriterien nicht erfülle. Die reichen von der Unabhängigkeit vom Ausland bis zur Verfassungstreue. Auch missfällt es dem Land, dass die islamistische Organisation DMG aus dem Zentralrat noch nicht endgültig ausgeschlossen wurde. Und, dass die türkisch-nationalistische Organisation ATIB den ZMD stark prägt. Damit greift das Land eine zunehmend ZMD-kritische Stimmung unter Experten inner- und außerhalb des Verfassungsschutzes auf.
An derart prominenter Stelle wurde dem ZMD aber noch nie das Misstrauen ausgesprochen. Und das ist umso bemerkenswerter, als das Land NRW die anderen Verbände, denen man ähnliche Vorwürfe machen könnte, als Partner weiterhin akzeptiert. Hier wird offenbar bewusst auf den ZMD gezielt.
Deshalb versucht sich der Zentralrat derzeit vor Gericht, in die Kommission einzuklagen. Doch das bekümmert die Verantwortlichen im Schulministerium nicht. Sie sind sich ihrer Sache sicher und wollen die Kommissionsmitglieder bald vorstellen – ohne die Gerichtsentscheidung abzuwarten. Deswegen startete der ZMD eine zweite Klage, diesmal ein Eilverfahren. Der ZMD wollte dem Land verbieten, die Kommission vorzustellen, bevor über die erste Klage entschieden ist. Diesen Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht vergangene Woche ab, wie diese Zeitung erfuhr. Die wichtigsten Vertreter des deutschen Islam werden also in Bälde präsentiert – aber erstmals ohne Mazyek. Ist das der Anfang vom Ende oder gelingt dem cleveren Mazyek eine Wende?