Michael Höfling

87 Prozent Verlust seit 1999 – der Verfall des Euro offenbart die Stärke des Goldes

19.03.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Gold ist ein Zufluchtsort für alle, die sich nach Stabilität sehnen, meint WELT-Redakteur Michael Höfling Quelle: picture alliance/Frank Hoermann/SVEN SIMON; Claudius Pflug

Im Schatten von Nvidia und Bitcoin steht der Goldpreis auf Allzeithoch. Das Edelmetall ist chronisch unterschätzt, hat es seinen Wert seit Menschengedenken behalten – während Währungen kamen und gingen. Privatanleger sollten auch deshalb einen sehr naheliegenden Fehler vermeiden.

Nvidia und Bitcoin – zwei Namen stehen stellvertretend für den spektakulären Start in das Börsenjahr 2024. Mit ihren Kursgewinnen im hohen zweistelligen Prozentbereich allein in diesem Jahr nähren die beiden Anlagevehikel den Traum vom schnellen Reichtum für jedermann am Finanzmarkt.

Da bleiben andere Meldungen verständlicherweise unter dem Radar, die bei genauerem Hinsehen mindestens ebenso bemerkenswert sind. Gold etwa eilt dieser Tage von Allzeithoch zu Allzeithoch. In Euro überschritt der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) gerade die magische Marke von 2000.

Das Edelmetall ist so etwas wie der „Anti-Bitcoin“. Es ist so überhaupt nicht hip, verdoppelt seinen Preis nicht binnen Monaten und ist in Zeiten von KI- und Digitalisierungs-Hype in Münz- und Barrenform vollkommen analog. Es taucht im Kontext zu Rechts- wie zu Linksextremismus auf, und sein Besitz wird gern in verschwörerischen Kontext gesetzt.

In der Palette der Anlageoptionen ist Gold so etwas wie der Langstreckenathlet, der immer unauffällig im Hauptfeld mitläuft und am Ende zur Überraschung aller doch die Medaillenränge erreicht und auf dem Treppchen steht: Wer Gold über die vergangenen zehn Jahre hielt, kommt in Euro gerechnet auf eine jährliche Rendite von mehr als 7,2 Prozent. Das ist für ein Investment, das eigentlich die Funktion hat, das Depot zu diversifizieren und zu stabilisieren, mehr als beachtlich. Und es relativiert zumindest ein wenig den häufig gehörten Einwand, man könne Gold nicht essen.

Wird das gelbe Metall die Renditen der vergangenen Jahre auch zukünftig liefern? Das kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Klar ist aber: Die Geschichte des Goldes ist im Kern eine Geschichte der Beständigkeit.

Seit Menschengedenken hat es seinen Wert behalten, während Währungen kamen und gingen. Von den alten Zivilisationen bis hinein in die moderne Ära war Gold ein Symbol für Reichtum und Stabilität. In einer Zeit, in der Vermögenswerte oft nur noch als Zahlen auf einem Bildschirm existieren, bietet Gold eine greifbare Verbindung zur Realität: Wer einmal einen größeren Barren in Händen hielt und vom Effekt seiner Dichte überrascht wurde, kann sich der Faszination des edlen Metalls kaum mehr entziehen.

Aber es gibt jenseits reiner Liebhaberei auch ganz handfeste Gründe, weshalb Anleger Gold – auch über die Funktion der Diversifikation hinaus – weiter in der eigenen Anlagestrategie berücksichtigen sollten. Die hängen in erster Linie mit der Entwicklung des Geldsystems zusammen.

Der Euro etwa ist 25 Jahre nach seiner Einführung zur Weichwährung verkommen, einst aufgelegte Regeln wie die Nichtbeistandsklausel („No Bailout“) oder das Verbot der monetären Staatsfinanzierung sind in den verschiedenen Krisen der vergangenen 15 Jahre der schnellen Symptombekämpfung zum Opfer gefallen.

Die komplett aus dem Ruder gelaufene Staatsverschuldung von Südländern wie Italien, Frankreich oder Griechenland wird nach einer „Modernisierung“ des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts jetzt „flexibler ausgelegt“. Heißt im Klartext: Die Mitgliedsländer können weiter wurschteln wie bisher, die EU entlässt sie aus der Verantwortung, zu Stabilität und nachhaltigem Wirtschaften zurückzukehren.

Das erhöht mittelfristig die Gefahr, dass sich eine überdurchschnittlich hohe Inflation im System festfrisst. Wer sich statt der Preiskurve „Gold in Euro“ den inversen Chart „Euro in Gold“ anschaut, der der Papierwährung 87 Prozent Verlust seit 1999 bescheinigt, dem dämmert, wie sturmreif der Euro in Wahrheit geschossen ist.

Hervorragende Gold-Bilanz – ein Misstrauensvotum

Insofern ist die glänzende Bilanz des Goldes vor allem ein Misstrauensvotum gegen Politik und Notenbanken, die in Krisen den eigentlich erforderlichen schmerzhaften Anpassungs- und Reformprozessen ausgewichen sind, indem sie sie mit immer mehr Geld zugeschüttet haben.

Die Versuchung, Geld aus dem Nichts zu schaffen, hat die Währungen entwertet und die Angst vor Inflation verstärkt. In einer solchen Landschaft wird physisches Gold zum Zufluchtsort für Anleger, die sich nach Stabilität sehnen.

In den USA und im gesamten Währungsraum des Dollar, in dem der Goldpreis festgestellt wird, liegen die Probleme ähnlich. Die öffentliche Verschuldung steigt immer schneller, hat sich allein seit Jahresbeginn um weitere 500 Milliarden Dollar von 34 auf 34,5 Billionen Dollar erhöht.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt entspricht dies bereits einer Quote von 120 Prozent – nur Japan und Italien haben laut IWF noch höhere Schuldenwerte. Auch hier gilt: Rückkehr zu nachhaltiger Haushaltspolitik praktisch ausgeschlossen, gerade im Wahljahr.

Die Anleiheflut, mit der die USA ihr Gemeinwesen finanzieren müssen, trifft dabei auf nachlassende Nachfrage von Notenbanken und anderen Großinvestoren. Denn die wollen ihre Abhängigkeit vom Dollar reduzieren, weil die hohe Schuldenlast dessen Stabilität aufweicht.

Damit deutet sich ein Folgeproblem an, das der Ökonom Thorsten Polleit dieser Tage beschrieben hat: Je länger und umfangreicher die schuldenfinanzierten Käufe des Staates angedauert haben, desto mehr Firmen und Arbeitnehmer hängen von ihm ab, und desto größer und schwerer wird auch die unausweichliche Anpassungskrise ausfallen, sollte die Neuverschuldung des Staates abnehmen, geschweige denn versiegen.

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