Steigende Mieten, weniger Wohnraum: Falls andere Maßnahmen scheitern, seien Enteignungen denkbar, sagt Robert Habeck. Das Grundgesetz sehe diese vor.
Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, kann sich unter bestimmten Bedingungen die Enteignung großer Wohnungskonzerne vorstellen. Wenn andere Maßnahmen keinen Erfolg zeigten, um für ausreichend günstigen Wohnraum zu sorgen, „muss notfalls die Enteignung folgen“, sagte Habeck der Welt am Sonntag. Das Grundgesetz sehe solche Enteignungen zugunsten des Allgemeinwohls grundsätzlich vor. „Es wäre doch absurd, wenn wir das nur anwenden, um neue Autobahnen zu bauen, aber nicht, um gegen die grassierende Wohnungsnot vorzugehen.“
Zunächst einmal solle Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) aber die Bundesimmobiliengesellschaft anweisen, ihre Grundstücke nicht meistbietend zu verkaufen, sondern an die Kommunen abzugeben, wenn diese darauf Sozialwohnungen bauten. Auch sprach Habeck sich für Maßnahmen gegen Bodenspekulanten aus.
Am Samstag hatten Tausende Menschen deutschlandweit für bezahlbaren Wohnraum demonstriert. Veranstalter war das Bundesweite Bündnis #Mietenwahnsinn. Es sprach von mindestens 55.000 Demonstranten in 19 Städten. In Berlin bezifferten die Veranstalter die Teilnehmerzahl auf 40.000, während die Polizei von mehr als 10.000 ausging. In Leipzig waren es dem Bündnis zufolge 2.500 Demonstranten, in München mehr als 1.500.
In Berlin startete zudem eine Unterschriftensammlung für ein Volksbegehren, mit dem die Initiatoren die Enteignung privater Wohnungsgesellschaften erreichen wollen. Die Initiatoren fordern eine Vergesellschaftung privater Wohnungsunternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen. Allein der Firma Deutsche Wohnen gehören rund 160.000 Wohnungen in Deutschland. „Die enormen Spekulationsgewinne der letzten Jahrzehnte finden keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr“, sagte Habeck.
Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) nannte die Wohnungsfrage „die soziale Frage unserer Zeit“. „Trotz einer beachtlichen Steigerung der Bautätigkeit bleibt die Wohnungsmarktsituation in den wirtschaftsstarken Regionen deutlich angespannt“, sagte Seehofer der Bild am Sonntag. Die Bundesregierung habe seit März 2018 aber mit zahlreichen Maßnahmen wie beispielsweise dem Baukindergeld gegengesteuert.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte die Forderung des Volksbegehrens vorab kritisiert. „Wohnen ist die neue soziale Frage, die kann man aber nicht sozialistisch beantworten“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Auch die SPD will keine Wohnungsgesellschaften enteignen, um gegen steigende Mieten vorzugehen. Das sagte die SPD-Bundesvorsitzende Andrea Nahles der Bild am Sonntag.