Vor Landtagswahlen

„Blau ist keine gute Wahl“ – Marktbetreiber rebellieren gegen Edeka-Kampagne

30.08.2024
Lesedauer: 4 Minuten
Die Edeka-Anzeige wurde in einer großen Tageszeitung geschaltet Quelle: Hans-Thomas Frisch/dpa

Eine Edeka-Werbung schlägt hohe Wellen. Gezeigt wurden Obst und Gemüse in allen Farben, nur nicht in Blau. „Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl“, heißt es dazu – eine Anspielung auf die AfD-Parteifarbe. Einige Händler reagieren entsetzt. Ein AfD-Abgeordneter erstattete Anzeige.

Mit einer auffälligen Anzeige sorgt Edeka kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen für Diskussionen. Unter dem Titel „Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht“ hatte die Supermarktkette in großen Zeitungen und sozialen Netzwerken indirekt vor der Wahl der AfD gewarnt, deren Parteifarbe Blau ist. Umfragen zeigen, dass die AfD in beiden Bundesländern um die 30 Prozent liegt.

In der Edeka-Werbung sind Obst- und Gemüsesorten wie Gurken, Brokkoli, Bananen, Kirschen und Erdbeeren zu sehen, begleitet von der Botschaft: „In der Obst- und Gemüseabteilung herrscht die bunte Vielfalt.“ Und weiter: „Die Evolution hat uns gelehrt: Blau ist keine gute Wahl.“ Die AfD wird als „größte Bedrohung einer vielfältigen Gesellschaft“ bezeichnet.

„Ich bin Lebensmitteleinzelhändler, kein Politiker“

Doch die Kampagne sorgt für Ärger in der Edeka-Familie, einem genossenschaftlichen Verbund, zu dem auch selbstständige Kaufleute gehören. Zahlreiche Marktbetreiber können sich nämlich mit der Kampagne nicht identifizieren. Sebastian Becker, Betreiber des Edeka Centers in Zerbst (Sachsen-Anhalt) schrieb auf Facebook: „Ich bin Lebensmitteleinzelhändler, kein Politiker und werde mich deshalb mit meinem Markt auch nicht in solche Themen einmischen!“ Becker stellt klar, dass sein Markt für alle offen sei und er sich als unabhängiger Einzelhändler von der politischen Botschaft distanziere.

Auch andere Betreiber schrieben dazu, wie Heiko Grunert vom E-Center Aschersleben (Sachsen-Anhalt): „Wir verstehen uns als Lebensmittel-Supermarkt und nicht als politische Plattform!“ Und weiter: „In der Demokratie ist das Volk der Souverän und wird seine Wahl treffen!“

Edeka-Bienek aus Halberstadt (Sachsen-Anhalt) äußerte sich ebenfalls kritisch. Man lehne die Anti-AfD-Kampagne ab und betone, dass ihre Supermärkte für alle Menschen offen seien, unabhängig von politischen Präferenzen.

Das Team von „Nah und Gut“ Schmidt in Bockau (Sachsen) teilte mit, man wolle sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Kunden mit frischen Produkten und gutem Service zu versorgen. „Warum sich Edeka zu politischen Themen äußert, können wir weder nachvollziehen noch unterstützen und distanzieren uns hiermit klar davon. Mit solchen Maßnahmen werden unsere Existenz und Arbeitsplätze gefährdet.“ Insgesamt arbeiten in den Edeka-Märkten rund 400.000 Menschen.

Zahlreiche andere Märkte, meist aus Sachsen-Anhalt, folgten dem Beispiel.

Nicht der erste politische Werbespot

Die Reaktionen auf die kritischen Stellungnahmen der Marktbetreiber in den sozialen Medien fielen unterschiedlich aus: Einige werfen den Betreibern vor, dem Rechtsextremismus Raum zu geben.

Tatsächlich bedankte sich Torben Braga, stellvertretender Sprecher des AfD-Landesvorstands Thüringen, auf X ironisch für die „fleißige Unterstützung“ durch die Kampagne. Zugleich erinnerte er Edeka daran, dass auch deren „Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten“ zur AfD-Anhängerschaft gehören könnten.

Der hessische AfD-Landtagsabgeordnete Frank Grobe erklärte auf X zudem, er habe Strafanzeige gegen Edeka gestellt, da in der Anzeigenkampagne „#AfD-Mitglieder und Wähler als ,unverträglich‘ und ,natürliche Feinde gesunder Vielfalt‘ bezeichnet“ wurden.

Außerdem kramten etliche User ein altes Edeka-Werbeplakat hervor: Es zeigt einen Mann, der Heidelbeeren in seinen Händen hält. Dazu lautete die Botschaft: „Erst richtig süß, wenn sie blau sind: unsere Heidelbeeren. Ein frischer Snack ohne schlechtes Gewissen …“

Edeka ist mit politischer Positionierung nicht zum ersten Mal in den Schlagzeilen geraten: Schon vor einigen Jahren veröffentlichte der Konzern ein Video mit der Botschaft „Wir lieben Vielfalt und stehen auf gegen rechts“. Darin waren Kunden zu sehen, die in fast leeren Supermarktregalen umherirren. Die Botschaft: „Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem es nur deutsche Produkte gibt.“ Auch damals spaltete die Kampagne die Gemüter.

Zudem hatte ein Edeka-Marktbetreiber mit Filialen in Sachsen und Thüringen Anfang des Jahres auf Einkaufsprospekte den Spruch: „Für Demokratie – gegen Nazis“ drucken lassen. Nach einem Boykott-Aufruf in den sozialen Netzwerken für die Supermärkte musste sich der Betreiber entschuldigen.

Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nach Veröffentlichung noch einmal aktualisiert.

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