Der Aquadom mit einer Million Liter Wasser und 1500 Fischen ist zerborsten. Zwei Personen wurden mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Laut Polizei gab es zunächst „keine Hinweise auf eine Straftat“. Ein Statikprofessor sagt, das Riesenaquarium wurde keiner TÜV-ähnlichen Prüfung unterzogen.
Ein Großaquarium im Sea Life in einem Hotel in unmittelbarer Nähe zum Berliner Dom ist zerstört, zwei Personen wurden verletzt ins Krankenhaus gebracht. Nach Angaben der Polizei platzte der freistehende Aquadom, ein 16 Meter hoher Behälter aus Acrylglas mit 1500 Fischen. Die meisten der Fische seien tot und müssten mit den Trümmern entsorgt werden, sagte ein Feuerwehrsprecher. Bauingenieure und das Technische Hilfswerk (THW) würden nun prüfen, ob das Hotelgebäude gesperrt bleiben müsse. Danach könnten erste Aufräumarbeiten beginnen. Nach Angaben der Polizei gab es zunächst „keine Hinweise auf eine Straftat“ im Zusammenhang mit dem spektakulären Fall.
Einige Dutzend Fische seien im unteren Bereich des zerborstenen Gefäßes lebend aufgefunden worden. Spezialkräfte hätten diese geborgen, sagte Feuerwehrsprecher James Klein. „Ich denke an der Zahl waren das etwa drei Bottiche“, so Klein. Es handele sich um Süß- und Salzwasserfische.
Die Salzwasserfische kommen demnach in die benachbarte Unterwasserwelt Sealife mit weiteren Aquarien. Die Süßwasserfische sollen am Samstag in Aquarien des Zoos gebracht werden. „Um sie heute nicht dem Stress auszusetzen“, erklärte der Sprecher. Darüber hinaus seien im Untergeschoss des Hotelgebäudes, in dem sich das Großaquarium in Form eines riesigen Glaszylinders befand, alle Fische gerettet worden. Es handele sich um zwölf Aquarien mit Salzwasserfischen. Diese seien ins Sealife gebracht worden, so Klein.
Sea Life betont Eigenständigkeit von Aquadom
Die Teams von Sea Life hätten den Teams vom Aquadom Unterstützung angeboten. „Unser Team arbeitet hart daran, alle verfügbaren Lebensräume vorzubereiten, um die schnellstmögliche Unterbringung von Aquadom-Tieren, die unsere Hilfe benötigen, zu unterstützen.“
Zugleich betonte Sea Life, der Aquadom sei „eine eigenständige Attraktion und ist nicht im Besitz des Sea Life Berlin, auch Wartung und Instandhaltung liegen nicht beim Sea Life Berlin“. Zwar sei der Besuch in dem Großaquarium in Eintrittskarten und Marketingaktivitäten enthalten gewesen, Besitzer sei aber die Firma Union Investment. „Wir vermarkten den Aquadom mit“, erklärte eine Sea Life-Sprecherin.
Die Eigentümerfirma des zerstörten Großaquariums Aquadom in Berlin hat sich „bestürzt über das Unglück“ gezeigt. Der Grund für das Zerbersten des riesigen Zylinders voller Wasser sei noch „völlig unklar“, sagte der Sprecher der Firma Union Investment, Fabian Hellbusch, am Freitag. „Wir versuchen uns derzeit in Abstimmung mit Polizei und Feuerwehr vor Ort ein genaueres Bild von der Lage und des entstandenen Schadens zu verschaffen“. Man müsse auch von „Glück im Unglück“ sprechen, wenn man bedenke, was alles hätte passieren können.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) besuchte den Ort des Unglücks am Freitag. „Das ist ein regelrechter Tsunami, der sich hier ergossen hat über die Hotelräumlichkeiten, die anliegenden Restaurants.“ Es sei großer Schaden entstanden. Es müsse nun geprüft werden, wie dieser habe entstehen können.
Statiker müssten jetzt die Sicherheit der Gebäude überprüfen. Viel Wasser sei in die Kanalisation gelaufen, viel aber auch in Keller und benachbarte Einrichtungen – etwa das DDR-Museum. Giffey rechnete mit „großen Abrissarbeiten“.
„Wie ein Kriegsgebiet“
Karin Wicki und Sandra Hoffmann, Hotelgäste aus der Schweiz, schilderten: „Es ist alles zerstört im Innenraum. Da liegen tote Fische. Die ganzen Möbel sind zerstört. Die Scheiben sind zerstört. Überall Scherben.“ Die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Weeser, die in dem Hotel übernachtet hatte, sagte, sie sei im Tiefschlaf geweckt worden und habe zunächst an etwas wie ein Erdbeben gedacht. Es habe aber nur einen kurzen Knall und ein „kurzes Beben des Gebäudes“ gegeben. Darum sei sie zunächst wieder eingeschlafen. Aus den Medien habe sie dann erfahren, was im Hotel passiert sei. Polizei und Feuerwehr hätten dann später die Gäste informiert.
Im Hotel sehe es „ein bisschen wie im Kriegsgebiet“ aus, beschrieb Weeser. „Es ist ein Bild der Verwüstung mit vielen toten Fischen und Scherben.“ Sie habe viele tote Fische gesehen. „Die, die vielleicht noch gerettet hätten werden können, waren erfroren.“
Manfred Rank, Geschäftsführer des Dachverbands der Deutschen Aquarienvereine, sagte WELT: „Man fragt sich aber schon, warum das geplatzt ist. Es ist ja auch gerade erst wiedereröffnet worden“, sagte Rank der WELT. Das sei sehr ungewöhnlich. Bei einem Aquarium dieser Größe sei meistens das Silikon die Schwachstelle und nicht das Glas.
Hinweise auf technischen Defekt
Die Polizei war am Freitagmorgen mit 100 Einsatzkräften im Hotel DomAquarée im Einsatz. Ein Sprecher der Feuerwehr teilte WELT mit, dass die Feuerwehr um 5 Uhr 43 alarmiert wurde. Das Aquarium sei „komplett zerstört“ und das Wasser „unkontrolliert“ in alle Bereiche geflossen. Auch die Feuerwehr war mit 100 Einsatzkräften vor Ort.
Ein Feuerwehrmann sagte WELT: „Wir können froh sein, dass das Aquarium nicht später am Morgen geborsten ist. Dann hätte es sehr wahrscheinlich Tote gegeben.“
Hinweise auf einen Anschlag gibt es laut Polizei nicht.
„Die Ermittlungen zur Ursache ist natürlich noch nicht abgeschlossen, erste Anzeichen deuten jedoch auf eine Materialermüdung“, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Nun gehe es darum, die Schäden zu erfassen und die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. So müssten Gebäude und Verkehrswege geprüft werden.
Nach Angaben der Feuerwehr wurde der Riesenbehälter auf einen Schlag zerstört. „Wenn das Aquarium defekt ist, dann platzt das schlagartig“, sagte ein Feuerwehrsprecher. „Das ist nicht ein kleiner Riss, aus dem das Wasser austritt, sondern das komplette Aquarium ist schlagartig geplatzt.“
Ein großer Teil des Wassers sei wohl durch die Türen im Erdgeschoss auf die Straße und dort in die Gullys gelaufen, teilte die Feuerwehr mit. In den Kellergeschossen habe man nicht viel Wasser gefunden. Das zerstörte Erdgeschoss wurde mit Rettungshunden nach Menschen abgesucht.
Aquadom erst vor zwei Jahren umfassend modernisiert
Wegen der schweren Beschädigungen mussten auch die Gäste des umgebenden Hotels das Gebäude verlassen, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Rund 350 Personen hätten sich noch in dem Hotel befunden.
Ein Video auf Twitter zeigte die Verwüstung in der Lobby des Hotels:
Der Aquadom im Sea Life war nach Angaben der Betreiber im Internet das „größte, zylindrische frei stehende Aquarium der Welt“, eine vielen Touristen bekannte Attraktion in Berlin. Es war ein Behälter aus Acrylglas, der 16 Meter hoch war und einen Durchmesser von 11,5 Metern hatte. Besucher konnten in einem Aufzug durch das Innere des Aquariums hindurch fahren.
In dem Becken lebten demnach etwa 1500 Fische aus über 100 verschiedenen Arten. Gefüllt war das Aquarium mit einer Million Liter Salzwasser. Das wären 1000 Kubikmeter Wasser mit einem Gewicht von 1000 Tonnen. Das Aquarium wurde den Angaben zufolge bis Sommer 2020 umfassend modernisiert.
In einem Flyer zur Modernisierung hieß es, nach 15 Jahren müssten die Dichtungen des 2004 eröffneten Aquadoms erneuert werden. Die Rede war von einer „Weltneuheit“: „eine eigens für diesen Zweck entwickelte Doppeldichtung, die besonders langlebig ist“.
Becken der Unterwasserwelt Sea Life in unmittelbarer Nähe des Aquadoms werden nun auf Schäden geprüft. Das Sealife besteht aus verschiedenen Aquarien und Becken mit Fischen im Erdgeschoss der anderen Seite des Gebäudes. Durch einen Tunnel können Besucher etwa durch ein großes Aquarium mit Haien und Rochen hindurchlaufen.
Statikprofessor: Keine TÜV-ähnlichen Prüfungen des Riesenaquariums
Das Aquarium wurde nach Kenntnis des Statikprofessors Jens Schneider von der Technischen Universität Darmstadt nicht regelmäßig einer TÜV-ähnlichen Untersuchung unterzogen. Schneider ist Experte für große Glas-Konstruktionen und kennt das jetzt zusammengebrochene Riesenaquarium. Vor dem Bau müsste die Konstruktion samt statischer Berechnungen zwar von den Behörden genehmigt werden. Es gebe jedoch keinen standardisierten regelmäßigen Prüfprozess, wie etwa bei Aufzügen, sagte Schneider auf Anfrage. Ob es eine individuelle Vereinbarung mit der Bauaufsichtsbehörde gibt, sei ihm nicht bekannt.
Über die genaue Ursache für das Auseinanderplatzen des 16 Meter hohen Aquariums, befüllt mit rund 1 Million Liter Salzwasser, will Prof. Dr.-Ing. Schneider keine vorschnelle Erklärung liefern. „Ich habe noch keine konkrete Vermutung“, sagte Schneider. Er selbst sei über den Zusammenbruch des Riesenaquariums überrascht.
Problematisch bei derartigen Konstruktionen sei der dauerhafte enorme Wasserdruck auf die dicke Plexiglas-Konstruktion, so der Experte. Die einzelnen Elemente wurden in einem speziellen Klebe-Schweißverfahren zusammengefügt. Als Ursache für den Kollaps der Konstruktion kämen Alterungsprozesse, wie das Verspröden von Material, in Betracht. Zudem seien Temperaturschwankungen oder Mikrorisse an der Oberfläche als Auslöser denkbar.
„Grundsätzlich können Mikrodefekte, etwa durch Reinigungsarbeiten, auch eine Rolle spielen“, so der Experte. Es sei üblich, dass derartig große Aquarien, Unterwasserwelten oder auch durchsichtige Schwimmbäder aus Plexiglas und nicht aus dem erheblich schweren Mineralglas gebaut werden, sagt Schneider. Bei herkömmlichem Glas wäre auch die fugenlose Kompletttransparenz über die Gesamtkonstruktion nicht möglich.
Peta will Strafanzeige stellen
Die Tierschutzorganisation Peta will rechtlich gegen die Verantwortlichen vorgehen. „Wir werden Strafanzeige gegen die Verantwortlichen erstatten, weil hier offenbar fahrlässig mit dem Leben von rund 1500 Fischen umgegangen wurde“, teilte ein Sprecher der Organisation mit. Die Zerstörung des Aquariums sei eine „riesengroße, menschengemachte Tragödie“. Es dürfe nicht wieder aufgebaut werden.
Die Wassermassen, die beim Platzen freigesetzt wurden, haben auch das DDR-Museum in Mitleidenschaft gezogen. Das Museum liegt unterhalb des Gebäudekomplexes am Spreeufer. „Eine Million Liter Salzwasser haben sich ihren Weg gebahnt, auch zu uns in die Ausstellung“, sagte Museumsdirektor Gordon Freiherr von Godin.
Mehrere Räume seien betroffen, auch Ausstellungsstücke und Möbel. Die Ausstellungsfläche betrage etwa 1200 Quadratmeter, nach seiner Schätzung sind davon etwa 300 bis 400 Quadratmeter von dem Wasserschaden betroffen. Verletzt wurde niemand.dpa/ll/ad/tba/cvb/heg