Neue RKI-Files

Was wusste Drosten vom Ursprung des Virus?

30.07.2024
Lesedauer: 8 Minuten
Der Virologe Christian Drosten, damals noch mit Maske Kay Nietfeld/dpa

Die nun entschwärzten RKI-Protokolle sorgen weiter für Zündstoff. Nachdem zunächst die Veröffentlicher diffamiert wurden, wird der Inhalt zunehmend brisant.

Es ist genau eine Woche her, seit die sogenannten RKI-Leaks das Licht der Welt erblickten – und sie sorgen weiterhin für Zündstoff: Ein Whistleblower des Robert-Koch-Instituts hatte die Protokolle des Corona-Krisenstabs für die gesamte Zeit der Pandemie an die Berliner Journalistin Aya Velazquez gegeben; diese hatte sie vergangenen Dienstag der Öffentlichkeit zum Download zur Verfügung gestellt.

Offenbar hatte der Whistleblower – oder die Whistleblowerin – genug von der Geheimniskrämerei der eigenen Behörde und des Gesundheitsministeriums. Denn bereits ein erster Teil genau jener Protokolle hatte zu einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen dem Chef des Online-Magazins Multipolar, Paul Schreyer, und den Behörden geführt. Erst im März 2024 wurden die Protokolle von 2020 bis April 2021 freigegeben; allerdings waren diese in erheblichem Umfang geschwärzt, teils seitenlang. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte daraufhin gesagt, er habe die Schwärzungen nicht veranlasst, sie seien aber vor allem dazu da, um Personen zu schützen. Er selbst werde sich darum kümmern, die Dokumente entschwärzen zu lassen.

Dies ist später auch geschehen; allerdings waren wohl immer noch nicht nur Namen oder sensible Daten von Pharmafirmen oder Verträgen geschwärzt. Sondern, wie die komplett entschwärzten RKI-Files nun zeigen, noch ein kleines bisschen mehr.

Vor allem sind nun erstmals auch die Protokolle von Mitte 2021 bis Mitte 2023 einsehbar. Und somit der gesamte Teil der Pandemie unter politischer Verantwortung von Karl Lauterbach sowie das noch fehlende halbe Jahr unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und somit die heiße Phase im ersten Jahr der Impfungen und des öffentlichen Umgangs damit. Sowie die Reaktionen des RKI selbst auf die Maßnahmen gegen Corona, die teils deutlich von den Aussagen aus der Politik zur damaligen Zeit abweichen (die Berliner Zeitung berichtete bereits).

Unter anderem war das Robert-Koch-Institut nicht damit einverstanden, dass etwa die Gesundheitsminister ständig von der „Pandemie der Ungeimpften“ sprachen. Das Impfen von Kindern ohne Stiko-Empfehlung wurde kritisch gesehen und auch die Impfung in Altenheimen „überschätzt“, hielt das RKI in den Protokollen fest.

Es kann also keine Rede davon sein, dass all dies der Öffentlichkeit schon bekannt sei, wie manche Kommentatoren vergangene Woche unkten. Es handelt sich hier um eindeutig erstmals veröffentlichte Daten, die einiges darüber erzählen, wie es in der Pandemie hinter den verschlossenen Türen des Polit-Betriebes abgelaufen ist. Und verschlossene Türen gab es damals viele.

Große Aufregung haben die Protokolle aber erst einmal in der Corona-Kritiker-Bubble selbst ausgelöst: Die gesamte vergangene Woche lang schossen wilde Spekulationen darüber ins Feld, inwiefern die Vergangenheit von Aya Velazqez, die unter Pseudonym arbeitet, sie oder ihre Mitstreiter womöglich in die Nähe des Verfassungsschutzes rücke, warum sie nicht mit Paul Schreyer zusammengearbeitet hätten und ob die Protokolle womöglich Fakes seien.

Nachdem Velazquez selbst auf X erklärt hatte, warum die ein oder andere Version der Protokolle von der offiziellen Version abweichen könne (offenbar handelt es sich bei den neuen RKI-Files um Archiv-Daten aus dem RKI und bei den durch das BMG veröffentlichten Daten um die offiziell abgesegneten Endversionen der Protokolle), legte sich die Aufregung innerhalb der Maßnahmenkritiker wieder, von denen einige zuvor offen ihren Neid auf den Scoop der Journalistin zur Schau getragen hatten.

Attacke gegen die Aufklärer

Vor allem ein Youtube-Video mit stundenlang genüsslich vorgetragenen Ad-Hominem-Angriffen sorgte für Befremden: Darin wurde etwa der emeritierte Professor Stefan Homburg als C&A-Anzugträger und Mitaufklärer Bastian Barucker als „Mann aus Haar“ versucht zu diffamieren; Aya Velazquez wurde dort und in weiteren Veröffentlichungen ihre Vergangenheit als Escort-Girl zur Last gelegt.

Währenddessen haben sich andere User im Netz um Inhalte bemüht, was nicht ganz einfach war, weil die Homepage rki-transparenzbericht.de laut Aya Velazquez unter ständigem Beschuss sei. Sie berichtete am Montagabend auf X von über drei Millionen erfolgreich abgewehrten Angriffsversuchen sowie einem DDOS-Angriff auf die Website. Meist ließ sich vor allem die umfangreichen Zusatzdatensammlung nicht öffnen, die auch Mails, Fotos und weitere Dokumente aus dem RKI beinhaltet. 

RKI: Keine Evidenz für Wirksamkeit von Tragen von Masken im Freien oder für den Schutz der Impfung vor Long Covid

Einigen Usern ist es trotzdem gelungen, seither weiß man: Dort sind manche der bislang verschollenen Protokolle einzelner Tage aufgetaucht, und darin wiederum findet sich zum Beispiel am 9. Mai 2020 der Hinweis des RKI: Für das „Tragen von Masken im Freien gibt es keine Evidenz“. Das hatte zwar auch Karl Lauterbach 2023 zugegeben. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten allerdings waren etwa in Berlin zahlreiche Radfahrer ohne Maske von Ordnungsamt und Polizei von ihren Rädern geholt und verwarnt beziehungsweise mit Ordnungsgeldern belegt worden.

Am 29. Juni 2022 hingegen, so zeigt es eine Mail im Zusatzmaterial, wurde das RKI darum gebeten, zu prüfen, ob die Impfung einen Schutz vor Long Covid biete. Am 30. Juni folgte die Antwort, dass diese Frage nicht beantwortet werden könne, da die Evidenzlage dazu nicht klar sei. Das hielt Gesundheitsminister Lauterbach aber nicht davon ab, nur kurz darauf, am 10. Juli, öffentlich zu twittern, dass die Impfung vor Long Covid schütze: „Die Gefahr von Long Covid wird mega unterschätzt. Wir haben nicht im Ansatz die Therapieplätze dafür. Menschen sollten sich nicht leichtfertig einer Infektion aussetzen, die ihr Leben verändern kann. Impfungen senken das Risiko bei Infektion deutlich.“

Es gibt weitere Einzelprotokolle, die mehr als Fragen aufwerfen, über vieles wurde schon berichtet, über anderes noch nicht. Am spannendsten, weil womöglich am weitreichendsten, ist vielleicht ein Aspekt, den Professor Roland Wiesendanger bei Alexander Wallasch aufwirft, einem weiteren Kritiker der Corona-Maßnahmen mit eigenem Blog:

Jens Spahn (CDU) und nach ihm Karl Lauterbach (SPD) dienten in der Pandemie als Bundesgesundheitsminister. Political-Moments/Imago

Die Frage, ob Drosten schon früh von der Plausibilität der Labortheorie wusste

Der Physiker Wiesendanger stellt dort die Frage, ob der Charité-Virologe Christian Drosten, der mit Corona zu Berühmtheit gelangt war, schon ganz zu Beginn der Pandemie davon wusste, dass ein unnatürlicher Ursprung des Virus so unwahrscheinlich nicht zu sein scheint.

Diese Frage kommt auf, weil in jenem Zusatzmaterial des RKI ein Foto aufgetaucht ist, das ein Mitarbeiter von einer Sitzung am 5. Februar 2020 gemacht haben soll von einem Vortrag von Victor Cormann, ebenfalls Virologe an der Charité. Darauf ist eine Folie zu sehen, auf der auf eine zusätzliche Furin-Spaltstelle im Corona-Virus hingewiesen wird. Das beweise, so schreibt es nun Wiesendanger, dass bereits Anfang Februar 2020 die Existenz dieser „zusätzlichen multibasischen Furin-Spaltstelle“ in der Gensequenz des SARS-CoV-2-Virus „auch in nationalen Fachkreisen bekannt“ war.

Gerade diese Spaltstelle des Virus sei in hohem Maße für die hohe Infektiosität und die leichte Mensch-zu-Mensch-Übertragung von Corona verantwortlich und komme bei keiner anderen natürlich vorkommenden SARS-artigen Virenart von Corona vor. Sie deute daher auf einen Laborursprung der Corona-Pandemie hin. Dies sei bereits im Januar 2020 von US-Forschern diskutiert worden, wie freigelegte Emails aus den USA belegten – und unter anderem auch mit Beteiligung von Drosten und dem amerikanischen Immunologen Anthony Fauci bei einer Telefonkonferenz am 1. Februar 2020 diskutiert worden.

Wiesendanger hatte sich mit Drosten ebenfalls schon einen Gerichtsprozess geleistet, in dem es darum ging, dass er nicht weiter verbreiten dürfe, dass Drosten die Öffentlichkeit über den wahren Ursprung des Virus bewusst getäuscht habe. Drosten hatte schon am 18. Februar 2020 – zu diesem Zeitpunkt war die Pandemie noch gar nicht richtig in Deutschland angekommen und die Menschen feierten lustig Karneval – in der Fachzeitschrift The Lancet zusammen mit weiteren Wissenschaftlern verkündet, es handele sich bei der Labortheorie um eine Verschwörungstheorie. Später hatte Drosten gesagt, er sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend informiert gewesen und nun für beide Theorien offen – allerdings spreche aus seiner Sicht deutlich weniger für die Labor- als für die Fledermaustheorie.

Laut Wiesendanger werde es nun mit Auftauchen der neuen RKI-Files unwahrscheinlicher, dass Drosten nicht davon gewusst habe, dass die Labortheorie schon Anfang 2020 nicht von der Hand zu weisen gewesen sei. Schließlich arbeite er eng mit Victor Cormann zusammen.

Physiker Wiesendanger: Hat Merkel eigentlich vor einem Laborvirus gewarnt?

Und wenn Drosten und die Charité und das RKI schon Anfang Februar 2020 davon gewusst hätten, dann auch die Politik, der Gesundheitsminister und das Kanzleramt, schlussfolgert Wiesendanger weiter. Er spekuliert:

„War es also die Sorge um die unvorhersehbaren Eigenschaften eines neuartigen, künstlich im Labor erzeugten Virus, die damals Anlass gab, dass die Bundeskanzlerin zur Primetime im deutschen Fernsehen von einer der schlimmsten Katastrophen seit Ende des Zweiten Weltkriegs sprach?“

Diese Aussage sei jedenfalls nicht „durch das real existierende Infektionsgeschehen in Deutschland zum damaligen Zeitpunkt begründet“, so Wiesendanger, „das wissen wir spätestens seit Veröffentlichung der RKI-Protokolle“.

War es also doch ein künstliches Virus, das aus einem Speziallabor entfleuchte und die Welt jahrelang in Atem hielt? Noch sind nicht alle Dokumente aus den umfangreichen Protokollen inklusive Zusatzmaterial ausgewertet – und weitere Anfragen zu weiteren Protokollen aus anderen Gremien stehen noch aus. Unter anderem der Frankfurter Arzt Christian Haffner fordert diese über das Informationsfreiheitsgesetz regelmäßig ein. Bastian Barucker wies indes darauf hin, dass inzwischen unter corona-protokolle.net eine Homepage zur Verfügung steht, die alle bisher zur Verfügung stehenden Protokolle der unterschiedlichen politischen Gremien während der Pandemie zeigt. 

Die Berliner Zeitung hat auch aktuell bei Drosten und der Charité angefragt, wie der Virologe heute zu der Labortheorie steht, nachdem er sie anfangs ausgeschlossen hatte und 2022 zurückgerudert war. In Interviews zu seinem aktuellen Buch zur Aufarbeitung der Pandemie, etwa Ende Juni im Spiegel, hatte Drosten gesagt, die Argumente für die Laborthese erschienen ihm „doch recht schwach“. Eine Antwort auf unsere aktuelle Anfrage nach Bekanntwerden des RKI-Materials steht noch aus.

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