Der Betrug um vorgetäuschte Klimaschutzprojekte in China zieht Kreise. Das Umweltbundesamt habe die Gefahr nicht rechtzeitig erkannt, kritisiert die Union. Auch Umweltministerin Lemke gerät unter Druck.
Die klimapolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, Anja Weisgerber, hat dem Umweltbundesamt (UBA) vorgeworfen, den Betrug um vorgetäuschte Klimaschutzprojekte in China nicht rechtzeitig erkannt zu haben.
„Durch fehlerhafte Zertifizierungen und schlampige Kontrollen deutscher Behörden ist nicht nur ein horrender finanzieller Schaden entstanden, sondern auch ein massiver Vertrauensverlust in Klimaschutzprojekte im Ausland“, sagte Weisgerber WELT AM SONNTAG: „Hühnerställe anstatt effizienter Gaskessel – das ist nur eines von vielen Beispielen für Klimaschutzprojekte in China, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt, die aber auf die Treibhausgasminderungsquote angerechnet werden.“
„Es handelt sich um einen Milliarden-Schaden“
Der Berichterstatter für Umweltrecht der Union, Christian Hirte, wies auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) Verantwortung für den Skandal zu: „Das Umweltbundesamt und das Bundesumweltministerium haben völlig versagt“ sagte Hirte: „UBA-Präsident Messner und die zuständige Ministerin Lemke haben diese Zustände entweder stillschweigend hingenommen oder sie haben ihren eigenen Laden nicht im Griff.“
Es handelt sich bei dem Betrugsfall „nicht um Peanuts, sondern um einen Milliarden-Schaden“, sagte der Unionspolitiker: „Sollte sich herausstellen, dass Präsident Messner und Ministerin Lemke nicht in vollem Umfang aufklären können, müssen sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie die Richtigen für diese Aufgabe sind.“
In einem Fachgespräch der Union im Deutschen Bundestag am vergangenen Donnerstag hatten auch Vertreter von ADAC, Bauernverband und Biokraftstoffindustrie dem Umweltbundesamt und der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHST) vorgeworfen, auf Warnungen aus der Branche monatelang nicht reagiert zu haben.
Es geht um rund 75 Klimaschutzprojekte hauptsächlich in China, mit der Mineralölkonzerne einen Teil ihrer Treibhausgas-Quote in Deutschland erfüllen können. Nach Recherchen deutscher Bioenergie-Unternehmen, die vom ZDF-Magazin „Frontal21“ vor Ort verifiziert worden waren, existieren viele der angeblichen Klimaschutzprojekte in China gar nicht. Das Hauptstadtbüro Bioenergie, eine Interessenvertretung der Branche, schätzt den Schaden für den deutschen Klimaschutzsektor im Verkehrsbereich auf 4,5 Milliarden Euro.
Deutsche Zertifizierungsbüros sind offenbar in die Vorgänge verwickelt. UBA-Präsident Dirk Messner sagte bei der Anhörung im Bundestag, er gehe von einem „Betrugsgeflecht“ aus. Seine Behörde habe inzwischen die Staatsanwaltschaft und das Auswärtige Amt eingeschaltet sowie chinesische Behörden um Amtshilfe gebeten. Seine Behörde sei mit den internen Möglichkeiten für die Überprüfungen „an eine Grenze gekommen“. Deshalb werde jetzt auch eine Rechtskanzlei zur Aufarbeitung der Betrugsvorwürfe herangezogen.